DIGITALISIERUNG

Versicherungsabschlüsse in Echtzeit - vom Backend zum "TecEnd"

Matthias Stauch, Foto: Intervista

Die Digital Natives haben ganz andere Erwartungen an Versicherer als die bisherigen Zielgruppen. Um darauf reagieren und Echtzeit-Abschlüsse oder -Schadenbearbeitung anbieten zu können, müssen die Unternehmen reagieren und ihr Backend zu einem automatisierten "TecEnd" ausbauen, so die Autoren. Nur so können sie die digitalen Zielgruppen ansprechen und die Potenziale ihrer Social-Media-Aktivitäten auch nutzen. Red.

Die Kundschaft ist auf Social Media unterwegs und Versicherer sind es auch: Wer für die neue, junge Zielgruppe interessant sein will, muss ihre Wünsche und Bedürfnisse kennen, sie abholen und auch die gestiegenen Anforderungen befriedigen können.

Viele Versicherungen verfolgen weiterhin bewährte Vertriebsmuster und setzen heterogene IT-Systeme beziehungsweise Insellösungen ein. Diese klassischen Versicherungsbestandsführungssysteme sind Dialogsysteme mit Stapelverarbeitung: Die eingehenden Daten werden nacheinander zu einem bestimmten Zeitpunkt abgearbeitet und der Arbeitsfortschritt hängt von den Eingaben des Sachbearbeiters ab. Er ruft auf Basis der Auskünfte des Kunden passende Policen ab und bearbeitet sie - das System selbst kann nur teilweise eigenständig arbeiten. Da immer wieder manuelle Überprüfungen und Eingaben erforderlich sind, verursachen diese Systeme lange Bearbeitungszeiten und einen hohen Aufwand. Versicherungsnehmer müssen dann zum Beispiel in Kauf nehmen, dass sie bis zu vier Wochen warten müssen, bis ihre Police in Papierform vorliegt. Auch Erstattungen ziehen sich hin.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung verändern sich nun die Anforderungen an die Systeme von Versicherungen: Automatisierung wird notwendig, eine saubere Prozessteuerung sowie die Möglichkeiten, digitale Produkteigenschaften vorzuhalten und Kundeninteraktion anzubieten.

Eventbasierte Bestandsführung

Statt der alten Stapelverarbeitung brauchen Versicherer heute also eine Prozessmaschine, eine automatisierte, eigenständig arbeitende Lösung anstatt eines Dialogsystems. Damit wird das Backend interaktiv und zum "TecEnd".

Der Schlüssel liegt in einem Bestandsführungssystemen, das eventbasiert arbeitet - also auf Impulse reagiert, die vom Kunden ausgelöst werden - etwa durch eine Anfrage über ein Formular oder direkt einen Vertragsabschluss via Smartphone. Roboter (RPA) erledigen die Tätigkeiten im Hintergrund und prüfen die Verträge. Da die Plattform eigenständige Entscheidungen treffen kann und immer sofort zur Verfügung steht, sind eine schnelles Reagieren auf Anfragen und kurze Bearbeitungszeiten möglich.

Der Kunde kommuniziert direkt mit dem System und erhält darüber eine sofortige Rückmeldung unabhängig von der Anfrage. Bei der Meldung zum Beispiel eines Schadensfalles führt ihn das System durch entsprechende Menüs und Abläufe bis zum Ziel. Das Event wird nach Priorität verarbeitet und dementsprechend schnell liegen die Ergebnisse beim Kunden vor. Im Idealfall dauert eine komplette Regulierung vom ersten Foto bis zur Auszahlung 45 Sekunden.

Die neue Generation der Systeme und die eventbasierte Bestandsführung machen also Versicherungsabschlüsse in Echtzeit möglich und bilden beziehungsweise wickeln durch ihre hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit sogar Impulskäufe ab. Denn der Vertragsabschluss und seine Prüfung können in dem Zeitfenster erfolgen, das sich bei einem Impulskauf bereits nach wenigen Minuten schließt.

Rechtssichere Abschlüsse dank digitaler Antragsstrecken

Ein rechtssicherer Abschluss kann mit einem eventbasierten System über individuelle Antragsstrecken in wenigen Minuten volldigital stattfinden. Der Kunde gibt Name, Anschrift, Bank und Personaldaten ein und wählt den Tarif oder das Produkt aus. Das System validiert diese Daten innerhalb weniger Sekunden- besondere Kunden werden der Whitelist zugeordnet, Kunden, mit denen negative Erfahrungen gemacht wurden, landen automatisch auf der Blacklist.

Bei Abschlüssen mit Kreditrisiko werden die Fraud-Prevention-Systeme der Branche, die Schufa sowie die Crefo oder Crifbürgel für das Scoring, die Zukunftsprognose, abgeglichen. Das System gewichtet die Ergebnisse und trifft die Entscheidung: Fällt sie positiv aus, kann der Vertrag abgeschlossen werden. Auch die Produktdaten sowie die Zugehörigkeit und Gültigkeit zu bestimmten Vertriebskanälen und Partnern (Omni-Channel) sowie rechtliche Auflagen zum Vertragsschluss (DSG-VO) können geprüft werden.

Hohe Datenqualität als Voraussetzung

Zentral für die gewünschte automatisierte Bearbeitung und gute Ergebnisse der Prüfketten ist immer die Validierung der Daten. Der Mehrwert entsteht durch ihre Plausibilisierung - Ziel muss immer eine geringe Nachbearbeitungsquote und damit eine gute, vom Prozess generierte Datenqualität sein.

Versicherer sollten im Rahmen der Modernisierung und der Einrichtung eines funktionalen "TecEnds" ihre Systemlandschaften vereinheitlichen. Denn ein homogenes System sorgt für ein Mehr an Effizienz und senkt gleichzeitig die laufenden Kosten. Es bietet Kompatibilität und eine Konsolidierung der Datenbasis.

Vertrieb und Zielgruppen verändern sich

Sinnvoll ist auch eine zentrale Plattform im Vertrieb, auf der alle Abschlussstrecken und Verträge gebündelt werden und alle Kanäle zusammen laufen. Das erlaubt eine individuelle Konfiguration aller Produkte und eine gute Erreichbarkeit bei den Zielgruppen. Auch Änderungen des Portfolios lassen sich darüber zeitnah abbilden. Die zentrale Systemplattform Webactive der Intervista AG ist zum Beispiel auf die Bedürfnisse von Versicherungen zugeschnitten.

Warum der Aufwand, kann man sich fragen? Weil Versicherern sonst neue Kundschaft abhandenkommt, lautet die Antwort. Ein reaktionsfähiges System ist heute notwendig, da sich das Kundenverhalten und die Zielgruppe für Versicherungen verändern: Die jüngeren Generationen und damit künftigen Versicherungsnehmer lehnen langfristige, vertragliche Bindungen ab und wollen maximale Flexibilität.

Diese Digital Natives glauben anderen Testimonials, haben veränderte Prioritäten und entscheiden anders. Daneben ist ihre Erwartungshaltung gestiegen: Die jungen Kunden erwarten eine deutlich bessere Performance ihrer Dienstleister - etwa prompte Zahlung im Schadenfall, sofortige Bestellbestätigung und schnellstmögliche Lieferung, wie man es von Amazon kennt.

Ein eventbasiertes System kann all das leisten: Der Kunde, der über eine App ein Versicherungsupgrade bucht, hat die Police sekundenschnell in seinem E-Mail-Postfach liegen und im Schadenfall können Erstattungen via Foto eingereicht und im Anschluss das Geld für die Schadenregulierung automatisiert überwiesen werden.

Versicherungen benötigen also Plattformen mit schnellen Reaktionszeiten und einer interaktive Oberfläche, wenn sie mit ihren Angeboten den Anforderungen dieser Zielgruppe gerecht werden wollen. Das allein genügt allerdings noch nicht. Zudem müssen die Produkte selbst einfach zu verstehen und transparent sein: Der Vertragsabschluss soll schnell und unaufwendig über das Smartphone abzuwickeln sein - und bei Bedarf auch folgenfrei wieder zu revidieren.

Mit einem skalierbaren System, das einen hohen Automatisierungsgrad bietet, können Versicherer ihre Dienstleistung und damit auch ihren Kundenstamm massiv ausbauen: Sie sind für ihre Kunden über verschiedene Kanäle erreichbar, erschaffen Transparenz und gewinnen dadurch an Vertrauen.

Social-Media-Potenziale nutzen

Viele Versicherer haben die Zeichen der Zeit erkannt und sind inzwischen dort präsent, wo ihre junge Kundschaft sich aufhält: Ihre Followerschaft und Reichweite auf digitalen Social-Media- Kanälen ist auch im Jahr 2020 weiter gewachsen. Krankenkassen und Versicherer der DACH-Region erreichen auf den Portalen Facebook, Twitter, Youtube, Xing und Instagram mittlerweile mehr als sieben Millionen User. Die größte Reichweite wird auf Facebook generiert, die reichweitenstärksten Anbieter auf den Plattformen sind Allianz, Ergo und HUK-Coburg.

Kontinuierliche Social-Media-Aktivitäten zahlen sich aus und ihr Erfolg lässt sich messen. Vor allem der Multi-Channel-Ansatz ist sinnvoll, denn die Zahl der Plattformen wächst und längst lassen sich nicht mehr alle Kunden über einen einzigen Kanal erreichen. Was sich abzeichnet, ist der Trend zum Bewegtbild über alle Kanäle hinweg. Mit einem modernen "TecEnd" können Versicherer diese Trends problemlos mitgehen.

Matthias Stauch , Vorstandsvorsitzender , Intervista AG, Potsdam
Thorsten Winter , Geschäftsführer, SCHUTZGARANT GmbH, Potsdam

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