WERTPAPIERGESCHÄFT

Wertpapiersparen - vom Feuerwerk zum Dauerbrenner

Rainer Hohenberger, Foto: Consorsbank

Das Wertpapiergeschäft hat durch die Kombination von Niedrigzinsen und der Corona-Pandemie einen enormen Boom erlebt, auch und gerade bei Jüngeren. Jetzt kommt es darauf an, die neu gewonnenen Kunden zu langfristigen Anlegern zu machen, sagt Rainer Hohenberger. Als Instrument Nummer eins hierfür sieht er Sparpläne. Der Wertpapiersparplan habe das Zeug dazu, zum neuen Sparbuch zu werden, so der Autor. Daneben spielen auch Aspekte wie Nachhaltigkeit und Finanzbildung eine wichtige Rolle. Red.

Crisis? What crisis? So betitelte die britische Pop-Band Supertramp ihr 1975 erschienenes, sehr erfolgreiches viertes Studioalbum. Suchte man einen passenden Titel für die zurückliegenden Monate der Corona-Zeit aus Sicht der Direktbanken und -broker in Deutschland, der des Supertramp-Albums könn te kaum passender sein. Krise? Welche Krise? Während Lockdown und Kontaktbeschränkungen in zahlreichen Branchen und Wirtschaftszweigen zum Einbruch des Geschäfts führten, erlebte das Online-Brokerage einen kaum je dagewesenen Boom.

Zugegeben: Als Profiteur einer Krise dazustehen, hat erst einmal etwas Anrüchiges. Aber es gab keine unlautere Vorteilnahme, keine geheimen Deals, kein Schwarzmarktgeschacher. Es gab schlicht einen Run privater Anleger auf die Börsen und auf Online-Broker, die einen aus Kundensicht komfortablen Zugang zum Handel bieten - Coronakonform, kontaktfrei und zudem bequem vom heimischen Schreibtisch oder Sofa aus.

Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) meldete Ende Februar Rekordzahlen für die vergangenen zwei Jahrzehnte. Mit 12,4 Millionen habe die Zahl der Aktionäre im vergangenen Jahr um 2,7 Millionen zugenommen, so das DAI. Jeder Sechste in Deutschland verfüge über Aktien, Aktienfonds oder Aktien-ETFs im Depot. Mehr Aktiensparerinnen und -sparer gab es zuletzt 2001. Insbesondere die jüngere Generation habe im letzten Jahr die Börse für sich entdeckt.

Anleger werden jünger

Bei der Consorsbank kletterte die Anzahl der Wertpapierdepots 2020 im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent. Das verwaltete Kundenvermögen wuchs um rund 16 Prozent. Die Zahl der Wertpapiertrades erhöhte sich sogar um mehr als 80 Prozent.

Unter den Neukunden fanden sich in der Tat verstärkt jüngere Anleger. So lag der Anteil der bis 35-Jährigen an den Neukunden, die 2020 ein Wertpapierdepot eröffneten, bei fast 62 Prozent. 2018 hatte er noch 48 Prozent betragen. Die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen erwies sich dabei als besonders aktiv. Ihr Anteil an den Depot-Neukunden kletterte von 10 Prozent 2018 über 17 Prozent 2019 auf 19 Prozent 2020. Insgesamt wuchs die Zahl der Neukunden in der Altersklasse von 18 bis 25 Jahren gegenüber dem Vorjahr um rund 160 Prozent und damit mit Abstand am kräftigsten im Vergleich zu allen anderen Altersklassen.

Abbildung 1: Jeder Vierte handelt überwiegend per App Quelle: Consorsbank

Niedrigzinsen und Pandemie als Treiber

Was sind die Treiber des neuen Börsenhypes? Ein wichtiger Treiber sind ganz klar die anhaltend niedrigen Sparzinsen. Mit Sparbüchern, Tagesgeldern und selbst länger laufenden Festgeldern lässt sich kein realer Ertrag mehr auf Guthaben erzielen, da die Habenzinsen gegen Null tendieren. Die Teuerungsrate lässt sich damit nicht ausgleichen, geschweige denn übertreffen. Wer bei der Geldanlage gute Renditen erzielen möchte, der kommt nicht umhin, auf Aktien & Co. zu setzen - natürlich mit einem entsprechend höheren Risiko als bei Sparkonten, aber eben auch mit deutlich höheren Chancen.

Den zweiten Push für das sprunghaft ansteigende Interesse an der Börse gab die Corona-Pandemie. Sorgen um den Job, Gedanken um die Altersvorsorge aber auch schlicht mehr Zeit durch fehlende Ablenkung, haben die Menschen dazu gebracht, sich intensiver mit ihren privaten Finanzen zu beschäftigen.

Der dritte, und damit eng zusammenhängende Treiber, ist die Börsenentwicklung selber. Nach dem massiven Markteinbruch zu Beginn der Pandemie gab es ein fulminantes Comeback. Dax und Dow Jones verzeichneten seitdem mehrfach neue Allzeithöchststände und ernteten entsprechend mediale Aufmerksamkeit. Das Plus blieb auch Sparern nicht verborgen, die bislang vielleicht nur neidisch von der Seitenlinie auf die Renditechancen an den Börsen geschaut haben. Sie nutzten zwischenzeitliche Kursrücksetzer für den Einstieg ins Wertpapiergeschäft oder sprangen unabhängig vom aktuellen Niveau auf den fahrenden Börsenexpress auf.

Neukunden in Anleger verwandeln

Die Herausforderung für die Banken und Broker ist es jetzt, aus dem Feuerwerk einen Dauerbrenner zu machen, also die neu gewonnenen Kunden in treue Anleger zu verwandeln. So überwältigend der Zuspruch neuer Kunden war - es besteht durchaus die Gefahr, dass sie genauso schnell wieder das Weite suchen. Wer im Frühjahr 2020 erstmals in Aktien investierte, kennt seitdem quasi nur steigende Börsen. Was, wenn die erste längere Schwächephase kommt? Haben sich bis dahin Erfahrungen ergeben und Vertrauen in die langfristigen Perspektiven von Aktien gebildet oder wird in Panik verfallen und schnell Kasse gemacht - und das war's dann mit der Börse?

Denkbar ist auch das Szenario, dass viele Anleger Aktien & Co. nur als vorübergehenden Parkplatz genutzt haben. Mit dem allmählichen Ende der Corona-Pandemie wandert das Geld dann wieder in den Konsum - und das mehr denn je, schließlich gibt es eine Menge nachzuholen.

Abbildung 2: Wer 2020 nur per App handelte, war weniger erfolgreich Quelle: Consorsbank

Sparpläne statt Sparbuch

Ein gute Chance auf eine dauerhafte Bindung für Anlegerneulinge sind Wertpapiersparpläne. Sie sind zugleich auch ein relativ einfaches und sinnvolles Produkt für den Einstieg an der Börse. Monatlich eine fixe Rate etwa in einen ETF auf einen breit angelegten Index wie den MSCI World Index zu investieren, ist eine solide Basis, von der aus sich weitere Schritte an den Märkten machen lassen. Der Rateneinzug erfolgt automatisch. Eine intensivere Beobachtung des Auf und Ab an den Börsen und ein daran ausgerichtetes Trading sind nicht notwendig. Vielmehr ist eine clevere Strategie bei einem Sparplan bereits eingebaut: In schwachen Marktphasen werden für den gleichbleibenden Betrag mehr ETF-Anteile gekauft als in starken Phasen. Kurzum: ein smartes Investment mit sehr niedriger Einstiegshürde.

Der Sparplan hat das Zeug, zum neuen Sparbuch zu werden. Das sehen offenbar auch viele Kunden so. Bei der Consorsbank wuchs im vergangenen Jahr der Bestand an Sparplänen in Fonds, ETFs, Aktien und Zertifikate um mehr als 330 000 beziehungsweise mehr als 40 Prozent zum Vorjahr. Bis Ende Mai des laufenden Jahres wurden bereits fast 270 000 neue Sparpläne eröffnet, allen voran auf ETF.

Ein weiterer klarer Trend und Bedarf der Kunden, den es zu bedienen gilt, ist der mobile Zugang zu Trading und Banking. Die extremen Schwankungen an den Märkten in der Corona-Zeit haben gezeigt, wie wichtig es ist, schnell und flexibel auf das Börsengeschehen zu reagieren. Die Kunden verlangen verlässliches Brokerage auf einem stabilen und hochperformanten System, unabhängig davon, wo sie sich gerade befinden.

Tradingplattform Smartphone

Rund ein Viertel aller Kunden der Consorsbank nutzte im Jahr 2020 für die Abwicklung von Wertpapiertrades in mindestens zwei Drittel der Fälle die Consorsbank-App. 15 Prozent waren sogar ausschließlich auf dem Smartphone oder Tablet aktiv. Weitere rund 15 Prozent griffen zumindest gelegentlich zu diesen Geräten für Käufe und Verkäufe von Aktien, ETFs & Co. Das Trading über mobile Kanäle hat damit einen ordentlichen Sprung gemacht. 2020 kletterte der Anteil der Nutzer, die überwiegend oder ausschließlich zur App griffen, im Vorjahresvergleich um mehr als 50 Prozent. 2018 und 2019 hatte er nur um rund 30 Prozent zum jeweiligen Vorjahr zugelegt.

Wenig überraschend: Die Affinität zum mobilen Traden ist in der jüngeren Generation ausgeprägter als in der älteren. In der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen waren im vergangenen Jahr annähernd ein Viertel der Kunden in Sachen Trading ausschließlich mobil unterwegs. Nimmt man noch diejenigen hinzu, die überwiegend via App Aktien & Co. gehandelt haben, wächst der Anteil der App-Trader in der Altersgruppe auf mehr als ein Drittel.

Mobiles Trading hat nicht zuletzt auch durch neue Wettbewerber im Markt einen Push bekommen, die mit ihrem Angebot ausschließlich auf dem Smartphone zu finden sind und vor allem junge Trader anziehen. Es bleibt spannend zu beobachten, wie die Entwicklung hier weitergeht und ob die reinen Mobil-Angebote möglicherweise noch um eine Desktop-Variante ergänzt werden.

"Hybrides Traden" ist erfolgreicher

Das hybride Modell aus Traden am Laptop beziehungsweise PC und am Smartphone, war zumindest 2020 das erfolgreichere, was die Performance im Depot angeht. Bei der Consorsbank verbuchten Anleger, die ausschließlich über die App oder nur via Browser am PC handelten, einen deutlich geringeren Wertzuwachs als Kunden, die mit einem Mix operierten.

Eine mögliche Interpretation dieser Beobachtung: Anleger, die ihr Smartphone für den Wertpapierhandel nutzen, neigen dazu, ein höheres Risiko bei der Geldanlage einzugehen. Das zeigen Untersuchungen von Wissenschaftlern unter anderem von der Goethe Universität Frankfurt (Studie "Smart(Phone) Investing?"). Zudem ist der Aktienhandel via App ausgeprägter als der Handel mit Fonds und ETF und somit das Geschehen volatiler.

In den sehr unruhigen Zeiten an der Börse im vergangenen Jahr haben die App-Trader möglicherweise zu forsch agiert und sich etwas verspekuliert. Bei den Kunden, die ausschließlich am Laptop oder Desktop-PC getradet haben, war möglicherweise das Timing das Problem, dass sie nicht flexibel genug auf das Geschehen am Markt reagieren konnten. Anleger, die einen Mix von mobilem und stationärem Endgerät nutzten, gelang das offenbar besser.

Ein weiteres zentrales Thema bei Geldanlage und Vermögensaufbau mit Wertpapieren dieser Tage - und mehr als nur ein Trend, den es zu bedienen gilt - sind nachhaltige Anlagen. Nachhaltiges Leben und Wirtschaften ist das zentrale Thema der Gegenwart. Klimaerwärmung, auseinanderdriftende Gesellschaften, Ausgrenzung, Armut - davor kann niemand die Augen verschließen. Kunden eine Vielzahl von Investmentmöglichkeiten in diesem Bereich anzubieten und sie zu einem stärkeren ökologischen und sozialen Bewusstsein beim Investieren zu animieren, ist kein "nice to have", es ist ein "must have".

Die Nachfrage ist hoch. Jüngste Umfragen unter den Kunden der Consorsbank zeigen, das 60 Prozent interessiert oder sehr interessiert an nachhaltigen Anlagen sind. Seit August 2020 hat sich der Anteil nachhaltiger Geldanlagen im Portfolio der Kunden von 5 auf 10 Prozent verdoppelt. Die Anleger gehen davon aus, dass sich der Anteil in den nächsten fünf Jahren auf rund ein Drittel steigern wird.

Nachhaltigkeit fördern und vorleben

Zugleich liegt auch hier ein gutes Potenzial für langfristige Kundenbindungen. Schließlich ist der Name Programm: Nachhaltige Investments sind auf eine dauerhafte Veränderung von Umwelt, Gesellschaft und die Unternehmensführung ausgerichtet. Sie tragen daher auch aus Anlegersicht weniger den Charakter einer kurzfristigen Spekulation - auch wenn es hier natürlich immer mal wieder kurzfristige Bewegungen und Kurschancen gibt.

Auf Rendite müssen Anleger "mit gutem Gewissen" übrigens nicht verzichten. So zeigt eine Studie des Finanzinformations- und Analyseunternehmens Morningstar vom Juni 2020, dass ESG-Fonds in den vergangenen zehn Jahren - inklusive der ersten Monate der Corona-Pandemie - ihre durchschnittlichen, nicht unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zusammengestellten Pendants in sieben ausgewählten Fondskategorien in fast 60 Prozent der Fälle bei der Rendite übertrafen. Der Deutsche Fonds verband BVI konstatiert für das vergangene Jahr, dass die durchschnittliche Rendite der fünf wichtigsten Gruppen nachhaltiger Publikumsfonds (nach Anzahl der Produkte) die der konventionellen Fonds der gleichen Gruppe übertraf. So verbuchten etwa global anlegende nachhaltige Aktienfonds ein Plus von 7,1 Prozent, während konventionelle globale Aktienfonds nur auf 3,4 Prozent kamen. Und auch nachhaltige Varianten populärer Aktienindizes haben zuletzt besser ab geschnitten als die Standardvarianten. So verzeichnete etwa der MSCI World SRI Index in jedem der vergangenen fünf Jahre eine bessere Performance als der klassische MSCI World Index, in dem rund 1 600 Unternehmen aus 23 Ländern vertreten sind.

Vertrauen und Bindung von Kundenseite schafft in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der Bank oder des Brokers selber. Wird nur einfach die starke Nachfrage bedient oder wird Nachhaltigkeit auch im Unternehmen glaubhaft und sichtbar gelebt? Bei der Consorsbank ist Corporate Social Responsibility (CSR) ein zentraler Bestandteil der Unternehmensführung. Als Teil der BNP Paribas Gruppe trägt die Consorsbank zur CSR-Strategie innerhalb des Konzerns bei, die auf vier Säulen basiert: Wirtschaft, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gesellschaft und Umwelt. Das Angebot nachhaltiger Anlageprodukte ist dabei nur einer von zahlreichen Aspekten.

Eine Auswahl anderer Aktivitäten: In allen Gebäuden an den Standorten Nürnberg und München wird ausschließlich Ökostrom genutzt. Der CO2 -Impact wird seit mehr als zehn Jahren gemessen und kompensiert. Seit 2017 ist die Consorsbank über die BNP Paribas Gruppe CO2-frei. Die Mitarbeiter engagieren sich regelmäßig bei Corporate-Volunteering-Aktionen. So lesen sie in Schulen und Kindergärten vor, unterstützen in sozialen Einrichtungen oder sammeln Müll. Diversity und Inklusion werden gefördert. So ist die Consorsbank Unterzeichnerin der Charta der Vielfalt und veranstaltet jährlich eine "Diversity Week".

Finanzwissen vermitteln

Ob sich das aufblühende Interesse an der Geldanlage mit Wertpapieren der vielen neuen - oder nach längerer Abstinenz zurückgekehrten - Anleger als nachhaltig erweist, liegt schließlich auch noch an einer weiteren Zutat neben flexiblen und stabilen Trading-Tools oder der Bereitstellung attraktiver, die Nachfrage treffender Produkte: der Vermittlung von Finanzwissen. Denn Anleger mit fundiertem Finanzwissen legen langfristig die bessere Performance hin.

Natürlich gibt es unterschiedliche Bedürfnisse und Bereitschaften, ins Thema einzutauchen. Anleger, die eine persönliche Beratung bevorzugen oder Entscheidungen gerne weitgehend an Finanzexperten delegieren, wird es immer geben. Das Digitalzeitalter eröffnet jedoch ergänzend oder alternativ nie dagewesene Möglichkeiten, die "finanzielle Fitness" der Kunden zu trainieren, sie zu mündigen Partnern zu machen und sie auf vielfältigen Kanälen zu erreichen und sie ihren Bedürfnissen entsprechend zu begleiten - zuhause oder unterwegs, per Bewegtbild, Audio, Texten oder interaktiven Formaten.

Die Consorsbank setzt etwa auf Videotutorials, Blogbeiträge, interaktive Aktiencharts, Tools wie einen Sparplanrechner, automatisch generierte Depotauswertungen, eine Community, in der sich Kunden untereinander austauschen können, aktuelle News und Analysen oder Musterportfolios, die sich mit wenigen Klicks im eigenen Depot nachbilden lassen. Und das auf unterschiedlichem Niveau für alle Kundengruppen vom Einsteiger bis zum Profi, um bewusst und kompetent Anlageentscheidungen treffen zu können - damit es auch bei kommenden Rückschlägen an den Börsen möglichst heißt: Crisis? What crisis?

Rainer Hohenberger , Head of B2C , Consorsbank, BNP Paribas S.A.

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