Digitalwährungen

Zur Zukunft des Bitcoin

Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist Group Strategy/Macro Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart

Quelle: LBBW

Die Blockchain-Technologie und möglicherweise die eine oder andere Kryptowährung hat eine große Zukunft vor sich, meint Guido Zimmermann. Für den Bitcoin als erste Blockchain-Anwendung ist er indessen eher skeptisch. Dafür, dass positive Erwartungen der Investoren enttäuscht werden dürften, nennt er gleich mehrere Gründe: Als Geld und Anlageobjekt hat Bitcoin deutliche Mängel. Außerdem sind die Zentralbanken und Regulierungsbehörden aufgewacht, sodass ein "Regulierungstsunami" zu erwarten ist. Das "ökologische Desaster" kommt ergänzend hinzu. Red.

In der jüngeren Finanzgeschichte hat es sicher keine Assetklasse gegeben, die die Anleger dermaßen fasziniert hat wie die neue Assetklasse "Kryptowährungen" und die zugrunde liegende Blockchain-Technologie mit ihrem Aushängeschild Bitcoin. Man muss hier sicher in die Mitte der Neunziger Jahre mit der damals entstehenden dot.com-Aktienmarktpreisblase zurückgehen, um eine vergleichbare Euphorie der Investoren zu finden.

Die Erträge für Investoren in Bitcoin waren jedenfalls im Jahr 2017 phänomenal: Berechnungen haben gezeigt, dass über alle Anlageklassen hinweg seit dem Jahr 1900 kein Asset real mehr Rendite abgeworfen hat als Bitcoin, nämlich an der Spitze bis zu 5430 Prozent.

Mittlerweile hat sich der Hype um Bitcoin etwas gelegt, der Preis für Bitcoin ist seit Anfang des Jahres massiv gesunken und er sucht immer noch sein Gleichgewicht. Es bietet sich damit die Gelegenheit zu reflektieren, ob Bitcoin im Speziellen und Kryptowährungen im Allgemeinen eine Assetklasse darstellen, die eine gewisse Nachhaltigkeit versprechen.

Erste Anwendung der Blockchain-Technologie

Zunächst einmal zur Erinnerung Begriffliches: Bitcoin ist die erste Anwendung der sogenannten Blockchain-Technologie beziehungsweise genauer gesagt der Technologie im Netz verteilter Kassenbücher oder Aufzeichnungsregister. Wie läuft eine Transaktion mit Hilfe der Bitcoin-Blockchain stilisiert ab?

Möchte Teilnehmer X dem Teilnehmer Y eine kryptografisch verschlüsselte Überweisung tätigen, so wird die Meldung über diese Transaktion an alle sogenannten Miner - das heißt große Rechenzentren - des Netzwerks verschickt. Die Miner werden nun mit ihrer Rechnerleistung darum konkurrieren, als Erste diese Transaktion zu validieren, indem sie kryptografische Rätsel lösen.

Dies gelingt inzwischen nur noch mit immensem Energieaufwand und Rechnerleistung. Je mehr Rechenleistung der Miner hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, Bitcoin zu verdienen. Wurde die Transaktion schlussendlich validiert, schickt dieser Miner nun die Meldung an die anderen Miner, die nun in einem etwas einfacheren Prozess bestätigen, dass die Bitcoins der Transaktion nicht von den Teilnehmern X und Y zweimal verwendet werden. Hiermit wird das sogenannte Double-Spend-Problem gelöst.

Nach dieser Bestätigung bekommt der Miner, der die Transaktion validiert hat, als Belohnung Bitcoins (zuzüglich einer Trans aktionsgebühr) und fügt die Transaktion zu einem bestehen Block an Transaktionen hinzu.

Probleme der Datensicherheit gelöst

Ist die vorher bestimmte Blockgröße erreicht, wird der Block an die vorhandene Blockchain, das heißt die vom Netzwerk geschaffene Kette an Blocks von validierten Transaktionen angehängt. Da jeder dieser Blocks mit den vorigen kryptografisch vernetzt ist, kann keiner dieser Blocks ex-post verändert werden, ohne dass die anderen Teilnehmer dies mitbekommen würden. Denn alle Blocks und Transaktionen sind für alle Teilnehmer des Netzwerks einsehbar.

So weit, so kompliziert. Die Blockchain-Technologie löst auf geniale Weise das fundamentale Problem des mangelnden Vertrauens zwischen Kontrahenten in einer digital hochvernetzten Welt. Denn jede Transaktion, die validiert zur Blockchain hinzugefügt wird, ist nicht mehr manipulierbar und damit sicher. Probleme mangelnden Vertrauens bei Überweisungen, bei Transaktionen, bei Datenspeicherungen, das Problem von Fake Identities sind damit prinzipiell lösbar.

Drei Grundkonzepte für Anwendungen

Die technologische Entwicklung der Blockchain ist rasant. Es ist daher davon auszugehen, dass diesbezüglich viele neue und einfachere Anwendungen für alle Bereiche unseres Lebens auf den Markt kommen werden. Insbesondere löst die Blockchain die Probleme der Datensicherheit bei der für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Industrie 4.0, nämlich der in Zukunft miteinander vernetzter und über Sensoren kommunizierender Maschinen.

Dementsprechend sind neue Anwendungen je nach Branche zwar unterschiedlicher Natur. Es kristallisieren sich aber grob drei Grundkonzepte heraus:

- Erstens, die Blockchain bietet die Möglichkeit für sogenannte Smart Contracts, das heißt, computergesteuerte Vertragslösungen.

- Zweitens, die Blockchain bietet die Möglichkeit für die Gründung sogenannter DAO (Dezentralisierte Autonome Organisationen), das heißt rein computergesteuerte Unternehmen, die wiederum Smart Contracts als Anwendungen beziehungsweise Geschäftsmodelle haben. Diese DAO und Anwendungen können durch sogenannte ICO (Initial Coin Offerings) finanziert werden. ICO sind quasi unregulierte IPO (Initial Public Offerings) und stellen eine Alternative für Risikokapital (Venture Capital) dar. Bei jeder ICO wird den Investoren eine eigene Kryptowährung beziehungsweise ein sogenannter Token zum Tausch gegen ein monetäres Investment angeboten. Implizieren IPO ein Anteilsrecht an einer Unternehmung, so umfasst ein ICO oft auch andere Rechte, insbesondere Anrechte auf IT-Dienstleistungen wie zum Beispiel Cloud-Dienste.

- Drittens wird daran gearbeitet, die aufkommenden Anwendungen von Methoden der künstlichen Intelligenz in der Industrie über ein Netz von Blockchains miteinander zu vernetzen.

Was hat dies nun alles noch mit Bitcoin zu tun? Bitcoin war die erste, aber technologisch dadurch natürlich noch relativ unausgereifte Anwendung der Blockchain-Technologie. Um dies zu begründen, sprin gen wir gedanklich in das Jahr 1994: Damals existierte das Internet zwar als Technologie, es dauerte aber rund 20 Jahre, bis den Marktteilnehmern klar war, wie im Internet systematisch Geld zu verdienen ist. Denn die Mikrostruktur der Märkte im Internet unterscheidet sich massiv von traditionellen Märkten.

Auf dem Weg dahin sah man ein Geschäftsmodell nach dem anderen aufsteigen und dann wieder niedergehen; die Finanzmärkte sahen damit einhergehend die dot.com-Aktienpreisblase platzen.

Eine Art Frankenstein-Kreatur: Mix aus Geld, Wertpapier und Rohstoff

Es ist davon auszugehen, dass wir ein ähnliches Phänomen in Bezug auf Bitcoin konstatieren müssen: Die Technologie ist prinzipiell vorhanden (Blockchain), wir werden noch eine ganze Weile brauchen, die Spezifika der Blockchain-Technologie und ihre Implikationen für die Unternehmenswelt zu verstehen, die erste Anwendung (Bitcoin) muss aber nicht diejenige sein, die langfristig am Markt bestehen bleibt. Wieso?

Bitcoin ist praktisch eine "Frankenstein"-Kreatur: Es ist eine seltsame Mischung aus einer Form von Geld, eines Wertpapiers und eines Rohstoffs und damit für den Investor extrem schwierig einzuordnen.

Klassische Funktionen des Geldes nicht erfüllt

Geld ist all das, was als Geld dient. Grundlage jeglichen Geldes ist das Vertrauen in die Währung. Das Vertrauen in das heutige sogenannte Zentralbankgeld wird durch die Notenbanken und ihre Glaubwürdigkeit für das Einstehen für eine Politik der Geldwertstabilität hergestellt. Zentralbankgeld ist ein Schuldpapier, für das die Zentralbank geradestehen muss. Zentralbankgeld in den Industrieländern erfüllt alle drei klassischen Funktionen des Geldes: die Zahlungsmittel-, die Wertaufbewahrungs- und Recheneinheitsfunktion.

Weniger gut sieht es diesbezüglich bei Bitcoin aus:

- Erstens stellt es kein Schuldpapier dar.

- Mit Bitcoin kann man zudem normalerweise nicht bezahlen.

- Bitcoin erfüllt auch nicht die Recheneinheitsfunktion, da der Preis in Bitcoin normalerweise in Relation zum US-Dollar oder dem Euro steht. In der Regel muss man Bitcoin daher wieder in Zentralbankgeld zurücktauschen.

- Bitcoin erfüllt auch nicht die Wertaufbewahrungsfunktion. Denn dafür ist es viel zu volatil.

Das Einzige, was Bitcoin seinen Geldcharakter gibt, ist das Vertrauen der Bitcoin-Käufer in seine künftige weltweite Geldfunktion. Ist dieses Vertrauen weg, dann hat Bitcoin auch keinen Geldcharakter mehr.

Kein "fairer Wert" berechenbar

Bitcoin ist zudem ein Anlageobjekt, bei dem es praktisch nicht möglich ist, einen fundamental gerechtfertigten "fairen Wert" zu berechnen. Dem Anleger werden weder Zinszahlungen noch Dividenden ausgeschüttet. Da das Angebot von Bitcoin auf 21 Millionen Stück begrenzt ist, wird der Preis automatisch allein durch die Nachfrage getrieben und diese hat zumeist lediglich spekulativen Charakter - im besten Falle basiert dieses auf dem Glauben, dass Bitcoin in Zukunft einmal als offizielles Zahlungsmittel dienen wird.

Die zunehmende Konkurrenz alternativer Kryptowährungen (durch ICO) und unter Umständen durch digitale Währungen der Zentralbanken in der Zukunft, macht den Markt für Bitcoin damit anfällig für ein Überschussangebot mit dem entsprechenden Preisdruck für Bitcoin nach unten.

Durch das fixe Angebot an Bitcoin und den höheren Miningaufwand beim Generieren hat Bitcoin einen gewissen Rohstoffcharakter. Damit hört es aber auch auf. Denn im Gegensatz zu Gold oder anderen Rohstoffen kann man mit Bitcoin nichts herstellen. Gold oder Tulpen haben zudem einen intrinsischen Wert. Bitcoin ist lediglich ein Eintrag in einem digitalen Register.

Positive Erwartungen dürften enttäuscht werden

Was ist damit die Zukunft von Bitcoin? Es ist wahrscheinlich, dass die positiven Erwartungen von Investoren in Bitcoin enttäuscht werden dürften.

- Zum einen aufgrund der beschriebenen Unzulänglichkeiten als Geld und Anlageobjekt.

- Zum anderen, weil Bitcoin in seiner jetzigen Form ein ökologisches Desaster darstellt. Schätzungen zeigen, dass mit der heutigen Miningtechnologie jede einzelne Transaktion von Bitcoin so viel Energie verbraucht wie ein durchschnittlicher deutscher Haushalt im Monat. Dies ist ökologisch nicht nachhaltig.

Die Hoffnungen der Investoren basieren zudem darauf, dass Bitcoin das heute vorherrschende Zentralbankgeld verdrängen wird. Aber die Zentralbanken und Regulierungsbehörden sind aufgewacht. Denn sie entwickeln nun selbst digitale Währungen und Blockchains, die unter Umständen dem Bürger angeboten werden könnten und die dann sicherer und seriöser wären als die meisten Bitcoin-Tauschbörsen.

Regulierungstsunami zu erwarten

Des Weiteren missfällt den Steuer- und Regulierungsbehörden die Bitcoin-inhärente Anonymität der damit operierenden Kontrahenten. Deswegen ist in Bezug auf die Kryptowährungen ein Regulierungstsunami zu erwarten, der sich gewaschen hat. Auch dies wird Druck auf Bitcoin und andere Kryptowährungen ausüben. Denn unregulierte Kryptowährungen bergen immense Gefahren für die Finanzstabilität in sich, insbesondere weil auch auf den Kryptomärkten Derivate eine immer größere Rolle spielen. Denn diese können die Volatilität der Preisveränderungen verstärken.

Welches Fazit kann man damit ziehen: Die Blockchain-Technologie hat sehr wahrscheinlich eine große Zukunft vor sich, unter Umständen auch die eine oder andere Kryptowährung. Ob dies aber Bitcoin in seiner jetzigen Form sein wird, ist eher zu bezweifeln.

Zum Autor Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist Group Strategy/Macro Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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