Vertriebspolitik

Zukunft der Filiale - wie digital will der Kunde es wirklich?

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Seit 2010 hat sich der Anteil von Online-, Filial- und Multikanalkunden kaum verändert, so die Autoren. Das ist nicht unproblematisch, denn Kunden, die auch fürs Banking die Filiale nutzen, lassen sich weder durch Vergünstigungen noch durch Prohibitivpreise zum Kanalwechsel bewegen. Abhilfe bietet allein eine Veränderung der Filialstrukturen, die nur rund jeden zehnten Kunden zum Bankwechsel veranlasst - wobei die Quote je nach Dichte des Filialnetzes schwankt. Die größten Potenziale zur Effizienzsteigerung sehen die Autoren im Service, wenn Serviceteams im Zuge des Filialrückbaus telefonisch oder per E-Mail auch außerhalb der Öffnungszeiten erreichbar sind. Red.

Zurückgehende Filialauslastung einerseits, erforderliche Investitionen in die Digitalisierung andererseits - aus Kosten und Effizienzgründen wird die Zahl der Filialen weiter zurückgehen. Trotzdem bleibt die Filiale ein wichtiger Ankerpunkt, der für Beratung und persönliche Betreuung ebenso wie für Neukundengewinnung, Markenbildung und Bekanntheit unverzichtbar ist.

Investors Marketing (siehe Abbildung 1) geht davon aus, dass sich der Abbau von Filialen bis zum Jahr 2025 beschleunigen und die Zahl der Filialen von rund 35 000 im Jahr 2015 auf rund 20 000 fallen wird. Volksbanken und Sparkassen werden bezogen auf den Status Ende 2015 35 bis 40 Prozent ihrer Filialen schließen, bei den sonstigen Banken sind es sogar knapp 60 Prozent.

Für die zukünftige Filialstrategie ist das Wissen um die zugrunde liegenden Motive der Kunden ausschlaggebend. Konkret: Welche Bankgeschäfte wollen Kunden künftig noch in der Filiale erledigen und für welche wollen sie andere Kanäle nutzen? Wie können Banken ihren Kunden Orientierung im Multikanalangebot geben und ihnen neue Angebot nahebringen?

Die im Rahmen der IM-Privatkundenstudie 2016 "Banking der Zukunft - Wie digital will der Kunde es wirklich?" durchgeführte Befragung von mehr als 2 000 Bankkunden erlaubt Rückschlüsse auf das Kaufverhalten der Finanzentscheider in den zirka 40 Millionen deutschen Haushalten. Zwei Aspekte sind auf Kundenseite ausschlaggebend für die Nutzung der Filiale:

- das Kanalnutzungsverhalten einerseits und

- das preisbezogene Kaufverhalten andererseits.

Hieraus lassen sich prägnante Kundentypen ableiten. Bezogen auf das Kanalverhalten gibt es drei grundlegende Verhaltensmuster:

1. Das größte Segment bilden mit 53 Prozent die Multikanalkunden. Sie nutzen für Beratungsgespräche und Abschluss primär die Filiale, alltägliche Bankgeschäfte erledigen sie primär online.

2. Rund 25 Prozent der Kunden bevorzugen durchweg digitale Kanäle und nutzen allenfalls für die Beratung die Filiale.

3. Filialkunden nutzen dagegen fast ausschließlich die Filiale, Online-Kanäle allenfalls in der Informationsphase. Ihr Anteil liegt bei 22 Prozent.

Interessanterweise hat sich die Verteilung dieser Verhaltensmuster seit dem Jahr 2010 kaum verändert.

Bei Services liegen online und Telefon gleichauf mit der Filiale

Wenn es nur nach der Präferenz der Kunden geht, also ohne Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Zeitmangel und Erreichbarkeit, zeigt sich ein differenziertes Bild. So bevorzugen heute zwei Drittel aller Kunden digitale Kanäle für Banking. Für Beratung präferieren Kunden überwiegend die Filiale. Bei Services liegen Online-Kanal und Telefon gleichauf mit der Filiale. (siehe Abbildung 2).

Kunden, die für Banking die stationären Kanäle bevorzugen, geben als primäre Gründe dafür Sicherheit und Gewohnheit an. An dritter Stelle folgt Bequemlichkeit, weil zum Beispiel die Filiale am Weg liegt (siehe Abbildung 3).

Viele Häuser haben die Kunden in den vergangenen Jahren zur Nutzung des Selbstbedienungsterminals motiviert. Dieser Weg genießt inzwischen hohe Akzeptanz als Alternative zur persönlichen Erledigung in der Filiale. 40 Prozent der Filialkunden und 25 Prozent der Multikanalkunden, die diesen Weg heute nicht nutzen, sind bereit, ihr Banking künftig darüber zu erledigen. Das zeigt, dass die Präferenzen der Kunden für das automatisierte Banking zielführend genutzt werden können.

Überzeugte Filialnutzer schwer zum Wechsel zu bewegen

Eingefleischte Filialnutzer von digitalen Kanälen zu überzeugen ist dagegen erheblich anspruchsvoller, da dafür Sicherheitsbedenken ausgeräumt und neue Gewohnheiten etabliert werden müssten. Multikanalkunden, die die stationären Kanäle für Banking bevorzugen, nennen als wichtigstes Motiv dafür Sicherheit. Die Projekterfahrung hat nachhaltig bewiesen, dass Kunden ihre stationäre Nutzung weder über Prohibitivpreise noch über starke Vergünstigungen (Null-Euro-Konto) in signifikantem Umfang auf digitale Kanäle verlagern.

Bei Banken mit dichtem Filialnetz und kurzen Wegen, insbesondere Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, ist auch mit 35 Prozent die Präferenz für stationäres Banking am höchsten. Erst bei einer Veränderung von Filialstrukturen probieren die Kunden andere Kanäle, insbesondere das Online-Banking, aus. Aufgabe der Banken und Sparkassen ist es, die Kunden bei diesem Kanalwechsel zu unterstützen und sie dazu zu ermutigen.

Transaktions-, Abschluss-, Service- und Informationsfunktion können und werden sich in andere Kanäle verlagern. Die Beratungsfunktion wird von den Kunden jedoch noch stark mit der Filiale verknüpft, sodass der Wegfall dieser Funktion nur schwer zu kompensieren ist.

Wegfall der persönlichen Beratung vor Ort nur schwer zu kompensieren

Unabhängig von den sonstigen Kanalpräferenzen ist die persönliche Beratung in der Filiale der präferierte Weg für 88 Prozent aller Kunden. Der persönliche Ansprechpartner ist das wesentliche Motiv für diese Präferenz, gefolgt von Sicherheit und Gewohnheit.

Dies ist eine gute Nachricht für die Banken und Sparkassen, denn das Beratungsgespräch ermöglicht zum einen natürlich Produktabschlüsse, zum anderen ist es das zentrale Kundenbindungsinstrument und Differenzierungskriterium gegenüber neuen Wettbewerbern.

Daraus zu schließen, dass Investitionen in mediale Beratungskanäle nicht den Bedarf der Kunden entsprechen, wäre allerdings zu kurz gegriffen: Online-Kunden, also die 25 Prozent aller Kunden mit der höchsten Präferenz für den Online-Kanal, nutzen für Beratung zwar zu 36 Prozent die Filiale, dahinter folgen unmittelbar Telefon (24 Prozent), Internet (22 Prozent) und mobiler Vertrieb (10 Prozent).

Mediale Beratungsangebote ausbauen

Das persönliche Gespräch wird in der Beratung weiterhin eine zentrale Bedeutung haben, dennoch sollten früh zeitig Vorbereitungen getroffen werden, um auch in Zukunft die Kundenbedarfe decken zu können.

Eine Möglichkeit ist dabei sicherlich der Auf- und Ausbau alternativer (medialer) Beratungsangebote, wie sie inzwischen nicht nur von Großbanken wie der Hypovereinsbank angeboten werden, sondern auch von regionalen Instituten, wie der Sparkasse Mittelmosel oder der Sparkasse Celle.

Ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung der persönlichen Beratung ist dabei die Kanalvernetzung. So nutzt etwa die PSD Bank Nord gezielt die digitalen Kanäle, um Kunden und Bank bei der Vorbereitung von Beratungsgesprächen zur Baufinanzierung zu unterstützen. Die Erstberatung findet dann meist telefonisch statt, der Abschluss in der Filiale.

Wie Präferenzen der Kunden gezielt genutzt werden können, zeigt sich im Service noch viel deutlicher als im Banking. Einerseits finden es viele Kunden bequem und einfach, für Serviceleistungen die Filiale aufzusuchen. Andererseits schätzen sie die Möglichkeit, elektronisch oder telefonisch mit der Bank zu kommunizieren. Für das Telefon sprechen Bequemlichkeit und die Chance auf eine sofortige Lösung.

Potenziale zur Effizienzsteigerung im Service

Hier liegt Potenzial zur Effizienzsteigerung über zentrale Serviceteams, die per Telefon, E-Mail und Chat auch über die normalen Öffnungszeiten erreichbar sind. Im Zuge eines Filialrückbaus können solche Teams zielführend eingesetzt werden - vorausgesetzt, sie werden ausreichend mit Wissen und Lösungskompetenz ausgestattet.

Banken und Sparkassen müssen die heute schon vorhandenen Leistungen noch aktiver kommunizieren und anbieten. Wenn die Angebote dann auch noch für den Kunden bequem sind, werden sie auch bevorzugt genutzt. Schon heute kommen auf jeden Filialbesuch 500 Kontakte mit mobilen Endgeräten. Nur wenige Banken haben darauf so konsequent reagiert wie die Sparda-Banken, die als erste Filialbanken die fallabschließende Eröffnung eines Girokontos inklusive Videolegitimation und Mitteilung der Kontonummer auf dem Smartphone ermöglichen.

Nur etwa zehn Prozent der Finanzentscheider in deutschen Haushalten reagieren auf Filialschließungen mit einem kompletten Bankwechsel - die weitaus meisten Kunden weichen auf andere Filialen oder Kanäle aus (Abbildung 4).

Nur jeder Zehnte reagiert auf Filialschließungen mit Bankwechsel

Erwartungsgemäß reagieren vor allem diejenigen Kunden, die die Filiale regelmäßig nutzen, mit einem Bankwechsel. Bei den Filialkunden und Multikanalkunden liegt der Anteil bei elf Prozent, bei Online-Kunden lediglich bei sechs Prozent.

Auch die Dichte des Filialnetzes spielt eine Rolle. So ist die erwartete Abwanderung bei den Sparda-Banken mit ihrem vergleichsweise dünnen Filialnetz höher als bei Sparkassen. Die Hypovereinsbank verzeichnete nach eigenen Angaben trotz einer massiven Reduzierung des Filialnetzes um rund 40 Prozent dank gezielten Einsatzes digitaler Medien eine unterdurchschnittliche Abwanderung.

Die Bekanntheits-, Marken- und Neukundengewinnungsfunktionen der Filiale bleiben bei Diskussionen um Filialschließungen regelmäßig unberücksichtigt, obwohl sie sehr wichtig sind und kaum oder nur mit sehr hohem Aufwand in alternative Kanäle verlagert werden können. Insbesondere für den stark filialzentrierten Ansatz der Sparkassen und Volksund Raiffeisenbanken sind diese Aufgaben der Filiale von erhöhter Bedeutung.

Filiale immer noch das primäre Neukundengewinnungsinstrument

An den Werbebudgets der Direkt- oder Großbanken zeigt sich deutlich, welch großen Wettbewerbsvorteil die Präsenz in der Fläche und im Stadtbild darstellt: Die ING-Diba investiert zum Beispiel jährlich rund 100 Millionen Euro in Werbung, um eine vergleichbare Wahrnehmung zu erzielen

Das Filialnetz stellt das primäre Neukundengewinnungsinstrument dar. Die Mehrzahl der Kunden entscheidet sich auch heute noch für diese Institute, weil persönlicher Ansprechpartner, Geldautomaten und Filialen in unmittelbarer Nähe zur Wohnung oder zum Arbeitsplatz sind.

Wie kann der Transformationsprozess für die filialisierten Banken und Sparkassen nun aussehen? Die zentrale Erkenntnis der Privatkundenstudie 2016 lautet: Nur wer den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellt, kann langfristig erfolgreich sein. Auf der einen Seite bleiben traditionelle Differenzierungsfaktoren wichtig, dazu zählen:

- exzellente Beratung,

- regionale Verbundenheit,

- Flächenpräsenz,

- persönlicher Ansprechpartner sowie ein

- ganzheitliches Leistungsangebot.

Der Preis bleibt bei denjenigen Banken relevant, die sich über die Kostenführerschaft differenziert haben, also etwa Direktbanken. Sicherheit ist eher ein Hygienefaktor als ein Differenzierungsmerkmal, da die Kunden erwarten, dass die Banken und Sparkassen sicher sind.

Auf der anderen Seite müssen Banken sich der Herausforderung Digitalisierung stellen: Durch zeitgemäße Leistungen, die aktiv kommuniziert dem Kunden das Gefühl geben, dass er bei einer modernen Bank Kunde ist, und durch Nutzung der technischen Möglichkeiten, um die Bequemlichkeit für den Kunden und die Effizienz für die Bank zu steigern, Kosten und Aufwand zu reduzieren und so Zeit für die wesentlichen Dinge frei zu bekommen.

Die Welt wird auch im Banking schnell digitaler. Banken und Sparkassen müssen reagieren und Bankgeschäfte einfacher, schneller und bequemer für die Kunden machen. Wer Filialen hat und exzellente Beratung dort anbieten kann, sollte dies - idealerweise digital unterstützt - auch in Zukunft tun. Der Kunde wird die Kombination von digitaler Exzellenz und persönlicher Beratung vor Ort auf Dauer honorieren.

Zum Autor

Dr. Oliver Mihm, Vorsitzender des Vorstands (CEO), und Björn Frank, Partner, beide Investors Marketing AG, Frankfurt am Main

Dr. Oliver Mihm , Vorsitzender des Vorstands, Investors Marketing AG, Frankfurt am Main

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