IM GESPRÄCH

"Die Auswirkungen des Lockdowns waren weniger drastisch als erwartet" Interview mit Kathrin Kerls

Dr. Kathrin Kerls, Foto: BMW Bank

Das Geschäft der BMW Bank ist im vergangenen Jahr trotz Lockdown besser gelaufen als erwartet, sagt Kathrin Kerls. Auch 2021 können die Händler von den bereits 2020 erprobten Konzepten profitieren. Ein wichtiger Flaschenhals für das Neugeschäft sind jedoch die nur eingeschränkt arbeitenden Zulassungsstellen. Als stabilisierender Faktor in der Krise hat sich die Rückbesinnung auf das eigene Fahrzeug erwiesen. Statt eines Trends zu neuen Mobilitätskonzepten registriert die BMW Bank eher einen Trend zum zusätzlichen Fahrzeug. Red.

Frau Kerls, Sie sind jetzt seit rund einem Jahr bei der BMW Bank. Wie haben Sie die Bank in diesem außergewöhnlichen Jahr erlebt?

Ich habe meine Tätigkeit am 1. April letzten Jahres mitten im Lockdown aufgenommen. Das bedeutete: Fast alle Mitarbeiter und Führungskräfte bis auf einige wenige befanden sich im Homeoffice. So stellt man sich den Start in einem neuen Unternehmen normalerweise nicht vor. Die Situation war jedoch nicht nur für mich, sondern für alle ungewöhnlich - für Händler, für Kunden und für die Bank. Inzwischen sind wir ein Jahr weiter und wissen besser, wie wir mit der Situation umgehen können. Vor einem Jahr jedoch haben wir zuerst überlegt, was die Kunden brauchen und wie die Bank ihnen entgegenkommen und sie unterstützen kann. Natürlich haben wir mit den Händlern, die ja unseren wichtigsten Vertriebskanal darstellen, darüber gesprochen. Das erforderte nicht zuletzt viele neue Formen der Kommunikation.

Bei den Mitarbeitern war das ebenfalls ein Thema. Allerdings waren wir hier von Anfang an sehr gut aufgestellt. Am Campus Freimann stellte es keinerlei Problem dar, im Homeoffice zu arbeiten. Es war lediglich ungewohnt, wie man unter diesen Rahmenbedingungen im Team zusammenarbeiten kann. Hier haben sich im Lauf des Jahres neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt.

Was brauchten denn die Händler während des Lockdowns?

Zunächst einmal haben wir uns - natürlich immer im Rahmen aller Risikovorkehrungen - um die Kreditlinien gekümmert und sie erhöht, wo es notwendig war. Ansonsten haben wir mit den Händlern abgestimmt, wie mit den Kunden Kontakt aufgenommen werden kann.

Für mich war es sehr erfreulich zu sehen, wie viel Kontakt die Händler trotz geschlossener Autohäuser zu ihren Kunden aufnehmen konnten. Hier zahlte es sich aus, dass viele Kunden seit Jahren BMW fahren, sodass die Händler einen guten Draht zu diesen Kunden haben und telefonisch Kontakt aufnehmen konnten. Deshalb waren die Auswirkungen weniger drastisch, als man auf den ersten Blick erwarten würde. Das Jahr verlief, trotz der herausfordernden Umstände, sehr positiv.

Das Neugeschäft ist natürlich zurückgegangen, denn es reicht nicht aus, dass die Händler in Kontakt mit den Kunden stehen. Sondern die Fahrzeuge müssen auch zugelassen werden - und dazu müssen die Zulassungsstellen geöffnet sein. Das ist auch jetzt noch eine Schwierigkeit, weil die Behörden das sehr verschieden entscheiden.

Läuft das im zweiten Lockdown jetzt besser als im vergangenen Jahr?

Bei den Händlern spielen tatsächlich die Erfahrungen aus dem letzten Jahr jetzt eine große Rolle. Sie haben sehr individuell Prozesse aufgesetzt, wie man zum Beispiel kontaktlos Fahrzeuge übergeben kann. Nichtsdestoweniger wäre es gut, wenn die Kunden problemlos wieder in die Autohäuser kommen könnten.

Die Behörden stellen aus heutiger Sicht jedoch nach wie vor die Herausforderung dar. Denn auf die Arbeit der Zulassungsstellen haben wir keinen Einfluss.

Gab es nennenswerte Auswirkungen auf der Risikoseite?

Natürlich haben wir wie andere Banken auch mehr Rückstellungen gebildet als üblich. Bei den Kreditausfällen verzeichnen wir jedoch glücklicherweise keine besonderen Bremsspuren durch Corona. Das ist auch für mich überraschend. Die kommenden Monate sind jedoch spannend - abhängig davon, wie sich die Corona-Krise weiter entwickelt und was das für die wirtschaftliche Entwicklung bedeutet.

In den letzten Jahren war viel von einem Wandel des Mobilitätsverhaltens die Rede - weg von Besitz des Fahrzeugs in Richtung Nutzung. Inwieweit hat die Corona-Krise das verändert - etwa auch, was den bisherigen Trend zum Leasing betrifft?

Der Finanzierungs-Mix ist gegenüber dem Status quo vor der Pandemie unverändert. Über das Gesamtportfolio hinweg sind wir ähnlich dem Vorjahr bei rund 60 Prozent Leasing und knapp 40 Prozent Finanzierung.

Bei den Kunden lässt sich jedoch eine Veränderung beobachten: Wir erleben, dass das eigene Fahrzeug wieder einen höheren Stellenwert hat als zuvor. Viele Menschen legen wieder stärkeren Wert darauf, individuell mobil zu sein, um zum Beispiel den ÖPNV wegen mangelnder Distanzmöglichkeiten zu meiden. Insofern scheint es sogar einen Trend zum weiteren Auto zu geben. So wird beispielsweise in manchen Familien eher über ein eigenes Fahrzeug für die erwachsenen Kinder nachgedacht, als das vor der Pandemie der Fall war. Das ist in der Krise aktuell ein stabilisierender Faktor für unser Geschäft.

Erwarten Sie, dass dieser Trend auch nach der Krise anhalten wird?

Der Trend zu neuen Mobilitätskonzepten ist sicher vorhanden und wird auch zurückkehren, wenn die Menschen wieder reisen dürfen und dann auch an anderen Orten ein Mobilitätsbedürfnis haben. Dieser Trend ist aber längst nicht so stark ausgeprägt, wie man aufgrund von Medienberichten manchmal den Eindruck haben könnte. Das ist allerdings von Land zu Land unterschiedlich.

In Deutschland sehen wir nicht die große Nachfrage nach neuen Mobilitätsmodellen wie zum Beispiel Carsharing. Momentan fokussieren wir uns deshalb auf unser klassisches Geschäft, also die Finanzierung und das Leasing, wie wir es bisher kennen, weil es das ist, was unsere Kunden anfragen. Natürlich behalten wir diese Trends genau im Blick.

Ich denke aber nicht, dass eine solche Veränderung sehr schnell stattfindet. Hier muss man in größeren Zeiträumen denken. Für eine solche Veränderung des Mobilitätsverhaltens sind vielleicht sogar zehn Jahre zu kurz.

Das heißt: Wir sind noch nicht so weit, dass der Kunde nur noch eine kurzfristige Fahrzeugnutzung möchte. Allerdings gewinnt das "Rundum-Sorglos-Paket" an Bedeutung.

Ist das die "Mobilitätsflatrate" aus Finanzierung und Serviceverträgen, die in den letzten Jahren für die Captives immer stärker in den Fokus gerückt sind?

Genau. Entscheidend ist die Convenience für den Kunden. Denn der Kundenwunsch geht heute dahin, auch im Blick auf Services umfassender ausgestattet zu sein. Das ist es, woran wir aktuell arbeiten. Ziel ist es, den Serviceanteil zu erhöhen und zusätzliche Produkte anzubieten, die es dem Kunden ermöglichen, sich auf das Fahrerlebnis zu konzentrieren und sich weniger mit Themen wie Reifen, Reparaturen oder Ersatzfahrzeugen zu befassen. Solche Produkte bieten wir heute schon an. Dieses Angebot müssen wir jedoch noch verstärkt ausbauen.

Wie gut sind Sie hier schon aufgestellt und wo wollen Sie noch hin?

Wir sind bei diesem Thema schon gut unterwegs. Beispielsweise gibt es ein Servicepaket "Wartung und Reparatur" oder "Service Ersatzwagen". Solche Dienstleistungsangebote rund um das Kerngeschäft bieten Möglichkeiten, weiter zu wachsen. Deshalb stehen die Servicekomponenten stärker im Fokus als etwa kürzere Leasinglaufzeiten.

Wie viele Serviceverträge wurden 2020 neu abgeschlossen? Und hat sich der Bestand an solchen Verträgen entwickelt?

Die Entwicklung ist äußerst positiv, der Absatz konnte teilweise sogar verdoppelt werden.

Welchen Stellenwert hat das Thema Gebrauchtwagenfinanzierung für Sie?

Einen hohen Stellenwert - weil es auch für die BMW-Händler eine große Rolle spielt. Das Thema hat sogar gerade in der Corona-Krise einen großen Schub bekommen. Aktuell liegen wir mit den Verträgen im Bereich Gebrauchtwagen bei rund 9 Prozent über Vorjahr.

Welche Auswirkungen auf Ihr Geschäft erwarten Sie, falls das Thema Homeoffice auch nach der Pandemie hohe Relevanz behält? Werden zum Beispiel Unternehmen dann ihre Flotten reduzieren, weil die Menschen im Homeoffice keinen Dienstwagen benötigen?

Das werden wir sicher abwarten müssen. Generell gilt: Auch beim Thema Homeoffice erwarte ich keine radikale Veränderung gegenüber dem Status quo vor Corona. Bei der BMW Bank zeigt sich, dass viele Menschen es leid sind, im Homeoffice zu sitzen. Das war im vergangenen Jahr noch anders. Inzwischen ist der Wunsch nach physischem Austausch vor Ort wieder stark angestiegen. Auch in der BMW Bank werden künftig im Vergleich zum Stand vor der Krise sicher verstärkt Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten. Der Fokus wird aber gleichwohl darauf liegen, vor Ort am Campus zu arbeiten.

Ich gehe davon aus, dass sich das in anderen Unternehmen ähnlich entwickeln wird. Von daher wage ich keine Prognose darüber, welche Auswirkungen sich daraus für die Fuhrparks der Unternehmen ergeben könnten. Das wird auch sicher von den Angeboten der Automobilhändler und den Finanzierungs- und Leasingangeboten abhängen.

Es gab Zeiten, in denen die Autobanken eine große Rolle im Wettbewerb um Kundeneinlagen gespielt haben. Wie sieht das heute in Zeiten von Verwahrentgelten aus?

Einlagen sind nach wie vor eine wichtige Refinanzierungsquelle. Deshalb bieten wir weiterhin Spar- und Tagesgeldkonten sowie Festgeld an. Im vergangenen Jahr haben wir hier aufgrund der Krise sogar einen besonderen Schwerpunkt gelegt, um Neukunden zu gewinnen. Denn wenn sich jemand mit einem Einlagenprodukt für die BMW Bank entscheidet, entscheidet er sich damit auch ein Stück weit für die Marke BMW. Deshalb lohnt es sich, über Einlagenprodukte auch solche Kunden zu gewinnen, die noch kein BMW-Fahrzeug fahren.

Ist die Einführung von Negativzinsen für Sie ein Thema?

Nein. Das ist für uns kein Thema und dafür sehen wir momentan auch keine Notwendigkeit. Da wir uns mit den Einlagen auch für eine potenzielle Fahrzeugfinanzierung bemühen wollen, wären Verwahrentgelte sicher kontraproduktiv. Wir erleben derzeit auch keine Einlagenexplosion, die das erforderlich machen würde.

Wie hoch ist das Einlagenvolumen der BMW Bank? Und wie war die Entwicklung gegenüber dem Vorjahr?

Der Einlagenbestand liegt zum 31. Dezember 2020 bei 10,6 Milliarden Euro und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Milliarden Euro erhöht.

Beim Wertpapiergeschäft ist Ihnen die Augsburger Aktienbank, die ihr Wertpapiergeschäft verkauft hat, als Partner abhandengekommen. Sind Sie auf der Suche nach einem neuen Partner? Oder brauchen Sie das Wertpapiergeschäft nicht zur Abrundung der Produktpalette?

Die Augsburger Aktienbank übergibt das Wertpapiergeschäft an ein Nachfolgeunternehmen. Das Wertpapiergeschäft ist jedoch für uns kein Thema, das wir ausbauen wollen. Sondern wir konzentrieren uns stattdessen auf das Einlagengeschäft, das gut zu unserer Rolle als Automobilbank passt.

Die BMW Bank unterhält auch eine Kooperation mit Interhyp. Wie passt das Thema Baufinanzierung zu einer Autobank?

Das Thema Baufinanzierung stammt aus der Vergangenheit und ist kein Produkt, das wir proaktiv anbieten wollen. Für die Zukunft sehen wir es auch nicht als wesentlichen Teil unseres Geschäftsmodells.

Bedeutet das, dass Sie sich davon trennen wollen?

Nein. Allerdings läuft es gewissermaßen auf kleiner Flamme weiter.

Inwieweit dient eine Kreditkarte mit dem Logo der Marke BMW heute noch der Kundenbindung?

Kernprodukt ist natürlich das Premiumfahrzeug, das der Kunde fährt. Darum herum gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, das Markenerlebnis abzurunden. Denjenigen Kunden, die sich gerne mehr mit der Marke BMW beschäftigen wollen, bieten wir zum Beispiel unseren "Drivers Club" an. Auch die Kreditkarte gehört zu diesen Angeboten rund um das Markenerlebnis.

Dr. Kathrin Kerls, Vorsitzende der Geschäftsführung, BMW Bank GmbH, München
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