DIGITALISIERUNG

"Die Digitalisierung ist ein fortlaufender Prozess" - Interview mit Ulf Meyer, Michael Moschner und Matthias Brandes

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Die SWK Bank verfügt über eine junge Mitarbeiterschaft. Das hilft bei der Digitalisierung, so die Geschäftsführer der Bank. Denn die Mitarbeiter gehen nicht nur selbstverständlich mit neuen Technologien um, sie helfen auch dabei "Prozesse weiterzudenken", wie es Ulf Meyer formuliert. Bei der Auftragsverarbeitung und dem Scoring ist die Bank hier bereits gut aufgestellt. Der Einsatz von KI und datengetriebenen Prozessen soll aber noch weiter ausgebaut werden. In einem Punkt ist die Bank jedoch eher konservativ: Der telefonische Kontakt mit den Kunden gilt ihr als hohes Gut. Sprachdialogsysteme kommen deshalb nicht zum Einsatz. Red.

Wie ist das Jahr 2019 für die SWK Bank gelaufen?

Meyer: Wir betreiben unser Geschäft auf zwei Standbeinen, dem Eigengeschäft und dem White-Label-Banking. In beiden Geschäftsbereichen sind wir stark gewachsen. Im Eigengeschäft um rund 12 Prozent, im Geschäft für Dritte haben wir erheblich zugelegt. Dort wickelten wir zwischenzeitlich ein Volumen von 9,5 Milliarden Euro für Dritte ab. In der eigenen Bilanz hatten wir zum Jahresende 2019 1,3 Milliarden Euro. Auch haben wir die magische Grenze von 25 Milliarden Euro abgewickeltem Geschäft für Dritte durchbrochen.

Die Position des Chief Digital Officers wurde neu geschaffen, um die Digitalisierungsstrategie der Bank voranzubringen. Was genau ist da geplant?

Brandes: Die Prozesse verändern sich ständig, schon aufgrund der Regulatorik. Regulatorik birgt immer das Risiko, in den Anfängen auf manuelle Prozesse hinauszulaufen. Das bedeutet, dass man immer wieder nacharbeiten muss, um die Prozesse schlank und schnell zu halten. Insofern folgt ein Digitalisierungsprojekt auf das nächste. Grundsätzlich ist es unser Ziel, die Bank weiter zu entwickeln und noch effizienter zu machen.

Meyer: Wir haben in den letzten Jahren erhebliche Investitionen in die Digitalisierung betrieben und wollen das Unternehmen jetzt auf die nächste Stufe der Digitalisierung heben. Das bedeutet, noch stärker datengetriebene Prozesse zu implementieren, noch skalierbarer zu werden und das Geschäft noch effzienter abzuwickeln. Generell denken wir unentwegt darüber nach, ob das, was wir tun beziehungsweise ob unsere Abläufe noch zeitgemäß sind. Das ist genau der Wunsch, den wir an die Mitarbeiter haben: Feedback zu geben und Prozesse weiterzuentwickeln und weiterzudenken. Dabei hilft das niedrige Durchschnittsalter unserer Mitarbeiter, das um die 30 Jahre beträgt. Sie haben verinnerlicht, dass Digitalisierung ein fortlaufender Prozess ist.

Moschner: Das bedeutet auch, dass man die Mitarbeiter nicht mit einem veralteten Kernbankensystem arbeiten lassen kann. Die Prozesse müssen schlank und elegant sein. In Banken gibt es noch viele veraltete Oberflächen, mit denen - verglichen mit einem Smartphone - noch kompliziert gearbeitet werden muss.

Wie sieht das bei der SWK Bank aus?

Brandes: Bei der SWK Bank ist das Kernbankensystem nichts, das über allem steht und die Prozesse bestimmt. Sondern wir entwickeln das Kernbankensystem in die Richtung, wie sich die Bank die Prozesse vorstellt. Die Wirkrichtung ist also eine andere. Wenn uns die Oberflächen nicht gefallen, wird darüber nachgedacht, neue darüberzulegen. Es wird viel stärker aus Sicht der Bank und der Anforderungen der Mitarbeiter und Kunden gedacht als das häufig der Fall ist. Das Bankenverfahren ist nur ein Element zum Erreichen dieses Ziels.

Moschner: Die Mitarbeiter sind die häufigsten User der internen Anwendungen. Es gilt deshalb, Anwendungen zu schaffen, die für Mitarbeiter nutzerfreundlich sind. Dafür braucht man keine fünf Systeme, zwischen denen der Mitarbeiter hin- und herwechseln muss. Sondern wir brauchen eine einheitliche Oberfläche für alles. Das ist nicht anders als in der Kundenantragsstrecke im Internet. Auch dort liegen natürlich Systeme wie ein Kernbankensystem oder ein Archivsystem im Hintergrund, aber das sieht der Nutzer nicht. Ein Beispiel: Natürlich können Kunden sich nicht nur über Online-Identifikation identifizieren, sondern alternativ auch eine Kopie ihres Ausweises vorlegen. Für den Mitarbeiter darf das keinen Unterschied machen. Sondern die Strecke vom Eingang des Papiers bis zum Mitarbeiter soll komplett digital werden. Nach Eingang eines Dokuments entscheidet die Technik, ob die Unterlagen vollständig sind. Ist das nicht der Fall, geht automatisiert eine Anfrage an den Kunden, um fehlende Dokumente anzufordern. Der Mitarbeiter erhält nur vollständige Unterlagen, und zwar immer in elektronischer Form. So lassen sich auch aus beleghaften Kontoauszügen Inhalte extrahieren und die Haushaltsrechnung und Bonitätsbeurteilung automatisieren. Was den Mitarbeitern viel Mühe gemacht hat - zu schauen, ob die Gehaltsabrechnung beigefügt wurde oder wie viel monatliche Fixkosten der Kunde hat -, das kann die Maschine viel besser. So hat der Mitarbeiter mehr Zeit, sich um den Kunden zu kümmern.

Ist das bereits umgesetzt?

Moschner: Das Einlesen und Unterscheiden der Dokumente und die Vollständigkeitsprüfung sind schon fertig. Die nächsten Schritte sind derzeit in Arbeit.

Meyer: Im letzten Jahr haben wir eine Anwendung für das Einlagengeschäft fertiggestellt. Anfang 2019 hatten einige Partner, für die wir das Einlagengeschäft abwickeln, die Zinsen in sehr kurzen Laufzeitbändern erhöht. Das führte zu einem Posteingangsfaktor von 13. Das heißt es gingen 13 Mal so viele Anträge ein wie üblich. Um das zu bewältigen und das Serviceniveau zu halten, mussten viele Überstunden gemacht werden. Parallel dazu wurde deshalb eine Anwendung entwickelt, die es ermöglicht, ein Vielfaches dessen, was wir bisher verarbeiten konnten, automatisiert zu verarbeiten. Dadurch sind wir in diesem Geschäftsbereich jetzt enorm skalierbar und in der Lage, deutlich schneller eine erheblich größere Anzahl von Anträgen im Festgeldbereich abzuarbeiten. Im Spätsommer 2019 wurde diese Anwendung mit sehr großem Erfolg ausgerollt. Aktuell sind wir dabei, den Bereich des White-Label-Bankings weiter auszubauen und weitere Banken zu akquirieren.

Welchen Stellenwert hat das White-Label-Banking inzwischen für die SWK Bank?

Meyer: In der GuV machen Eigengeschäft und White-Label-Banking etwa jeweils die Hälfte aus. Das Geschäftsfeld White-Label-Banking soll allerdings noch weiter ausgebaut werden.

Wie stabil sind die Partnerschaften im White-Label-Banking?

Moschner: Die Partnerschaften sind langfristig ausgerichtet. Alle Partner, mit denen wir heute zusammenarbeiten, sind seit Jahren oder sogar Jahrzenten bei uns. Das ist ein Geben und Nehmen.

Sehen das Ihre Kunden auch so?

Moschner: Ich glaube schon. Die Zusammenarbeit läuft sehr geräuschlos.

Meyer: Wir sehen naürlich einen massiven Druck der Regulatorik auf alle Bankprozesse, auch auf die unserer Bankpartner, die wir für sie abbilden. Hier mussten wir in der Vergangenheit erhebliche Maßnahmen umsetzen, beispielsweise für das Geldwäsche-Monitoring oder die Geldwäsche-Prävention. Wenn sich dies nicht direkt in Automatisierunsprozessen niederschlagen kann, werden natürlich auch die Preise besprochen. Von der Regulatorik geht derzeit der größte Druck auf die Prozesslandschaft der Banken aus.

Welcher Anpassungsbedarf hat sich aufgrund der neuen Outsourcing-Richtlinien für Sie ergeben?

Moschner: Technische Dienstleister müssen natürlich aufpassen, dass sie die regulatorischen Vorgaben erfüllen. Bei der SWK Bank ist das ein wenig anders. Als eine Art Dienstleister mit angeschlossener Bank müssen wir selbst die Anforderungen erfüllen. Das ist ein großer Vorteil. Generell müssen Banken ständig Dinge an veränderte Vorgaben anpassen. Wir haben dafür die Abteilung Regulatorik, die sich ausschließich damit beschäftigt, was für uns an Neuerungen relevant ist. Im Monat kommen acht relevante regulatorische Anforderungen auf uns zu. Das ist wie ein Hamsterrad. Die Banken laufen ständig den immer neuen Vorgaben hinterher.

Wie wichtig ist heute noch die telefonische Erreichbarkeit?

Moschner: Wichtiger denn je. Der Kunde ist in einigen Fragestellungen längst nicht so digital, wie man glaubt. Self-Service hört dort auf, wo es kompliziert wird. Der Kunde will anrufen und Fragen stellen können. Telefonische Erreichbarkeit ist ein Wohlfühlfaktor. Und nur, wenn man dem Kunden eine Wohlfühlatmosphäre bieten kann, ist letztlich nicht der Preis das Entscheidende, sondern das Gesamtpaket.

Meyer: Zudem sehen wir das - mit Blick auf die Kundenbindung - als wichtiges marketingstrategisches Instrument. Denn wir wollen den Kunden durch sein Leben hindurch begleiten: Zuerst wird das kleine Auto finanziert, wenn dann Kinder geboren werden, vielleicht der Umzug mit neuen Möbeln und nachfolgend ein größeres Auto.

Wie gut gelingt Ihnen dieses Begleiten des Kunden durch die verschiedenen Lebensphasen?

Moschner: Das gelingt uns ganz gut. Wir generieren fast die Hälfte unseres eigenen Neugeschäfts mit Bestandskunden.

Sind Anrufe der Kunden nicht auch ein Signal für Verbesserungsbedarf beim digitalen Angebot?

Meyer: Natürlich schauen wir sehr genau, warum Kunden anrufen und was auf der Internetseite noch besser präsentiert werden kann. Ziel sind qualitative Inbound- und Outbound-Calls, um den Kunden bei seinem Produktwunsch zu unterstützen. Seit einiger Zeit ist deshalb die gesamte Antragsstrecke Chat-unterstützt gestaltet. Das heißt, der Kunde hat jederzeit die Möglichkeit, sich über den Chat Hilfe zu holen und zum Beispiel auch angerufen zu werden.

Wie gehen Sie mit telefonischen Standardanfragen um?

Moschner: Die Automatisierung telefonischer Anfragen ist ein sehr sensibles Thema. Durch die Datenschutzanforderungen wird die Automatisierung überall dort immer schwieriger, wo der Kunde sich legitimieren muss.

Arbeiten Sie also nicht mit einem Sprachdialogsystem?

Brandes: Viele Kunden schätzen es nicht, mit "Automaten" zu sprechen - obwohl die immer besser werden. Der Einsatz von Sprachdialogsystem ist für uns allerdings auch deshalb heute kein Ziel, weil viele Kundenanfragen dafür zu komplex sind. Hier ist es für uns die bessere Lösung, direkt mit dem Kunden zu sprechen, um uns als Partner und Problemlöser zu präsentieren.

Meyer: Was wir uns in ausgewählten Teilbereichen gegebenenfalls vorstellen könnten, sind Sprachassistenten, die mittlerweile sehr gut funktionieren. Hier könnte durchaus die Zukunft für einen Online-Ratenkredit oder ein Online-Fest geld liegen. Der Kunde müsste dann nur noch in sein mobiles Endgerät sprechen und die Daten könnten übernommen und weiterverarbeitet werden. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit unsere Kunden diese Art von Dialog akzeptieren.

Moschner: Auf der Einlagenseite gibt es noch einen weiteren Aspekt zu bedenken, nämlich das Durchschnittsalter der Kunden von deutlich über 60 Jahren. Auch deshalb muss der analoge Weg immer noch vorgehalten werden. Wenn man den Kunden wirklich wertschätzt, muss man ihm das bieten, was er will. Genau deshalb ist es so wichtig, durch die Digitalisierung Freiräume zu schaffen, damit die Mitarbeiter sich auf das qualitative Geschäft konzentrieren können und nicht in formellen Prozessen gefangen sind.

Welche Entwicklung verzeichnen Sie beim Anrufaufkommen?

Meyer: Das Anrufaufkommen steigt an, weil auch das Geschäft ansteigt. Das gilt für Inbound wie Outbound gleichermaßen. Denn mit einem wachsenden Kundenstamm nehmen auch die Outbound-Anrufe zu.

Ist Outbound nicht durch die Datenschutzgrundverordnung schwierig geworden?

Meyer: Ja. Das geht nur mit einer Einverständniserklärung des Kunden.

Welcher Anteil der Kunden gibt Ihnen diese Einverständniserklärung?

Brandes: Der weitaus größere. Bei Banken ist das viel transparenter als in anderen Bereichen. Wenn die Kunden darüber nachdenken, wem sie das Einverständnis zur Kontaktaufnahme erteilen, vertrauen sie Kreditinstituten mehr als vielen anderen Unternehmen. Das Bewusstsein dafür, dass Banken das nicht nutzen, um Kunden mit Werbeanrufen zu belästigen, ist durchaus vorhanden.

Inwieweit ist Künstliche Intelligenz für Sie ein Thema?

Brandes: Hier gibt es zwei große Baustellen. Das eine ist KI bei der Bewertung von Anfragen. Beim Scoring zum Beispiel über neuronale Netze hat die SWK Bank ein eigenes Know-how. Das andere Thema ist die bereits erwähnte Verarbeitung des Postverkehrs. Der Brief wird digitalisiert, erkannt und abgelegt oder es wird ein weiterer Prozess angestoßen. Auch das funktioniert über selbstlernende Mechanismen, die auch Veränderungen im Kundenverhalten sichtbar machen, bei denen Mitarbeiter an ihre Grenzen stoßen würden. Die dafür erforderliche Kompetenz hat die SWK Bank im Haus. Das ist ein ganz wesentliches Asset.

Wie stellen Sie sicher, dass das automatisierte Scoring nicht zur Blackbox wird?

Moschner: Alle Prozesse sind lesbar dokumentiert. Alles ist nachvollziehbar, damit die Mitarbeiter wissen, warum zum Beispiel eine Kreditentscheidung so und nicht anders getroffen wurde. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn Kunden anrufen und nachfragen. Durch die Dokumentation der Muster und Entscheidungen geht auch die Expertise bei den Mitarbeitern nicht verloren, von denen letztlich auch die Muster kommen, nach denen die Künstliche Intelligenz sucht - beispielsweise häufige Bargeldabhebungen im Umkreis einer Spielhalle.

Wo sehen Sie sich für die Plattformökonomie aufgestellt?

Moschner: Technisch sind wir dafür bereit. Wir haben schon mit Schnittstellen gearbeitet, bevor darüber gesprochen wurde. Im Wettbewerb muss sich die SWK Bank bezüglich Effizienz und Prozessexzellenz nicht verstecken.

Meyer: Wenn man das Thema Plattformökonomie weiterdenkt in Richtung Open Banking, ist es der SWK Bank möglich, Services sogar auf verschiedenen Kernbankensystemen anzubieten. Denn wir verfügen über sehr effiziente Middleware-Anwendungen, die auch andere Kernbankenanwendungen bedienen können. Das wäre dann richtiges Open Banking. Doch so weit scheint die Bankenbranche noch nicht zu sein.

Ulf Meyer, Geschäftsführer, SWK Bank GmbH, Bingen
 
Michael Moschner, Geschäftsführer, SWK Bank GmbH, Bingen
 
Matthias Brandes, Chief Digital Officer, SWK Bank GmbH, Bingen

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