Es lohnt sich

Swantje Benkelberg

sb -Von den rund 103 Millionen Girokonten in Deutschland sind nur 50 bis 55 Millionen echte Gehaltskonten (inklusive Konten für Einkünfte aus Pensionen). Das geht aus einer Analyse von Oliver Wyman zur Disruption im Privatkundengeschäft hervor. Das Gehaltskonto kann somit nicht unbedingt mit einer Hausbankbeziehung gleichgesetzt werden. Und damit wiederum wird die Strategie vieler Banken und Sparkassen, über Girokonten zu wachsen, um sich so über das Cross-Selling der Hausbankbeziehung zu nähern, zumindest infrage gestellt. Der Kampf um die zukünftige Wertschaffung für den Kunden, so Oliver Wyman, wird ohnehin im Kontext der Multibanken-Aggregation und den zu gehörigen Angeboten entschieden. Damit vollzieht sich in der Kunde-Bank-Beziehung ein Paradigmenwechsel. Wenn 59 Prozent der Haushalte in Deutschland mehr als eine Bankbeziehung unterhalten, jeder fünfte sogar mehr als drei, dann liegt es auf der Hand, dass es für viele Kunden Charme hat, diese Konten auf einer Plattform verwalten zu können. Potenzial für das Multibanking ist also in jedem Fall gegeben.

Derzeit kennt der Umfrage zufolge zwar nur ein Fünftel der Bankkunden Multibanking- Angebote. Unter diesen ist der Durchdringungsgrad jedoch hoch: Etwa drei Viertel derjenigen, die solche Angebote kennen, nutzen sie auch. Bezogen auf die Gesamtstichprobe ergibt das einen Anteil von 15 Prozent an Nutzern. Bei einer Gfk-Umfrage im Auftrag von Euro Kartensysteme sind es 10 Prozent. Unter den jungen Kunden zwischen 18 und 39 Jahren liegt die Quote der Nutzer von Multibanking-Angeboten bei 20 Prozent.

Natürlich sind entsprechende Angebote nicht ohne Investitionen in die eigenen IT-Systeme umzusetzen. Und die Zahlungsbereitschaft der Kunden ist auch für solche Funktionen, die einen Mehrwert bieten, (noch) sehr begrenzt. Trotzdem können sich die Investitionen lohnen. Die Studie liefert deutliche Hinweise auf neue Ertragspotenziale. Fast zwei Drittel der Studienteilnehmer nämlich (64 Prozent) wären bereit, Anbietern ihre Finanzdaten für maßgeschneiderte Angebote anzuvertrauen - wobei 53 Prozent an ihre Bank denken, 17 Prozent an Zahlungsdienstleister, jeweils 4 Prozent an Fintechs oder Online-Händler und 3 Prozent an Versicherungen. Und 59 Prozent der Befragten beantworten die Frage, ob sie über ihre Hausbank auch Produkte anderer Banken beziehen würden, mit Ja. So ließe sich auch dort, wo man mit dem Wettbewerb nicht mithalten kann, noch etwas verdienen. Auch Kooperationen mit Nichtbanken sind längst angelaufen, um etwa günstigere Stromtarife vermitteln zu können. Das Schöne daran: Provisionen aus solchen Vertriebspartnerschaften wären vergleichsweise wenig anrüchig. Denn wenn der Kunde durch die Vermittlung der entsprechenden Verträge Geld spart, kann man der Bank nicht den Vorwurf interessengeleiteter Beratung machen.

Ein triviales Geschäft sind solche Ansätze nicht. Zum einen haben sich die Vergleichsportale längst einen Vorsprung erarbeitet. Im Konsumentenkreditgeschäft, so die Studie, laufen 35 Prozent des nicht am PoS abgeschlossenen Geschäfts bereits über Preisvergleichsseiten, in der Baufinanzierung liegt der Marktanteil allein von Interhyp inzwischen bei 15 Prozent des Neugeschäftsvolumens in Deutschland. Zum anderen ist die Auswertung von Daten, um passende personalisierte Angebote zu machen, durch die Datenschutzgrundverordnung nicht einfacher geworden. Und Kreditinstitute haben in Sachen Datenschutz weit mehr Vertrauen zu verlieren als andere Branchen. Nicht zuletzt sind die Anforderungen an die Technik hoch - was die Sicherheit und auch die Datenanalyse betrifft. Als k.-o.-Argument herhalten sollte das alles nicht. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Wer kein eigenes Multibanking-Angebot unterhält, der droht über kurz oder lang nur noch zum Produktgeber zu werden, dem Wettbewerber von Fall zu Fall Geschäft vermitteln. Eine Kundenbeziehung nach tradiertem Verständnis ist das dann aber nicht. Schon seit vielen Jahren wird über die Aufspaltung der Universalbanken in Produktions-, Vertriebs- oder Abwicklungsbanken gesprochen. Ob es nun durch das Multibanking dazu kommen wird?

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