50 Jahre Offene Immobilienfonds

50 Jahre unabhängige Immobilienbewertung

Jubiläen sind meistens ein Anlass zum Feiern. In diesem Jahr jährt sich die Geschichte Offener Immobilienfonds und die untrennbar mit ihr verbundene Bewertung der Objekte durch unabhängige Sachverständigenausschüsse zum 50.

Mal. Angesichts der jetzigen Entwicklung an den Immobilienmärkten vermag keine richtige Feierstimmung aufzukommen. Einerseits ist dies schade, weil das Produkt eine unbeschwerte Feierstunde mehr als verdient hätte, andererseits ist es aber auch gut so.

Börsenersatzfunktion der Sachverständigenausschüsse

Es steht einem erfolgreichen Produkt wie dem Offenen Immobilienfonds gut zu Gesicht, mit dem Blick in den Rückspiegel nicht zu ausgiebig zu feiern, sondern die Grundlagen des Erfolges immer wieder kritisch zu hinterfragen. Eine dieser Grundlagen ist sicherlich in erster Linie das immer professioneller werdende

Management. Nur durch ein aktives und erfolgreiches Vermietungs- sowie Ankaufs- und Verkaufsmanagement konnten langfristig stabile Erträge für die Anleger erwirtschaftet werden. Bereits an zweiter Stelle ist aber die Bewertung der Fondsimmobilien durch unabhängige Sachverständigenausschüsse als Erfolgsfaktor zu nennen.

Innerhalb eines Sondervermögens findet kein täglicher Handel mit den jeweiligen Immobilien statt, der geeignet wäre, börsentägliche Anteilspreisberechnungen durchzuführen. Auch gleicht keine Immobilie der anderen. Für die Wertermittlung der Liegenschaften von Offenen Immobilienfonds bedarf es also eines von den Börsen-Usancen abweichenden Verfahrens. Die marktgerechte Bewertung der Immobilien ist bei Offenen Immobilienfonds im Gegensatz zu anderen Bestandshaltern von entscheidender Bedeutung, da die Anteilspreisermittlung auf der Immobilienbewertung beruht und Anleger täglich Anteilscheine erwerben und veräußern können.

Die Ermittlung des aktuellen Marktwertes einer Immobilie (Verkehrswert) ist verglichen mit der Bewertung einer Aktie einer börsennotierten AG schwieriger und aufwendiger. Da es nie zwei vollkommen identische Objekte gibt, lassen die Preise, die für andere Immobilien aktuell am Markt erzielt werden, auch nicht immer direkte Rückschlüsse auf den Wert einer beliebigen Immobilie zu.

Immobilienbewertung ist keine rein finanzmathematische Kalkulation, sondern eine Wertfindung, die auf objektiv ermittelbaren Tatsachen aber zum Teil auch auf subjektiven Annahmen beruht. Die Schwankungsbreite der möglichen Marktwerte für Immobilien kann logischerweise so groß sein wie die Bandbreite der am Markt gezahlten Preise selbst. Aus diesem Grund können Bewertungen verschiedener aber gleichermaßen kompetenter Sachverständiger mit identischem Informationsstand durchaus voneinander abweichen.

So wie die Bandbreite der Preisbildung eher einer Punktwolke ähnelt, so ist auch im Bereich der Marktwertermittlung eine "Punktlandung" nur selten möglich. Gleichwohl gilt es, die aktuellen Daten der Punktwolke korrekt zu erfassen und sachgerecht auf die zu bewertende Immobilie zu übertragen. Sowohl bei Datenerfassung als auch bei der eigentlichen Bewertung können einzelne Sachverständige unterschiedliche Grundlagen ermitteln. Die Überlegenheit des Kollegialprinzips in allen Bereichen subjektiver Wertfindung hat den Gesetzgeber im Jahr 1969 veranlasst, die Bewertung der Fondsimmobilien durch unabhängige Sachverständigenausschüsse durchführen zu lassen.

Aufgrund der Tatsache, dass Bewertungsmethoden international auf den gleichen Prinzipien aufgebaut sind, hat der Gesetzgeber bereits damals nur eingeschränkt Vorschriften zur Bewertungsmethodik selbst erlassen. Nicht die Bewertungsmethode bestimmt den Wert! Marktwerte können ausschließlich aus dem Markt abgeleitet werden. Jede Bewertungsmethode ist letztlich nur so gut wie ihr Anwender. Das Anwenderrisiko ist für die Anleger durch die Struktur mit Sachverständigenausschüssen im Kollegialprinzip bestmöglich reduziert worden.

Die Notwendigkeit und Zukunftsfähigkeit der deutschen Sachverständigenausschüsse wird aktuell durch einen Entwurf der EU-Kommission belegt. Die Finanzkrise hat die Schwächen der internen Bewertung von nicht an der Börse gehandelten oder auf andere Weise illiquiden Wertpapieren schonungslos offengelegt. Bei aller Zustimmung im Grundsatz wird man allerdings darauf zu achten haben, dass die Richtlinie für den Bereich der Offenen Immobilienfonds einerseits nicht zu einer bürokratischen Doppelregulierung der Fondsgesellschaften und mit Blick auf die hohen Bewertungsstandards andererseits nicht zu einem regulatorischen Abschmelzen führt. Beides würde von den Anlegern teuer bezahlt werden müssen.

Sicherstellung der Unabhängigkeit ein hohes Gut

Die Sicherstellung der Unabhängigkeit der Sachverständigen gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft (KAG) und der mit ihr verbundenen Unternehmen war seit Schaffung des gesetzlichen Rahmens im Jahr 1969 mehrfach Gegenstand gesetzlicher Änderungen und primäre Absicht des Gesetzgebers. Aber auch die Unabhängigkeit der Sachverständigen voneinander, die erst die wichtige Kontrollfunktion der Nebengutachter gegenüber dem Hauptgutachter ermöglicht und das Kollegialprinzip mit Leben füllt, war und ist für den Gesetzgeber von entscheidender Bedeutung. Das Vertrauen der Anleger in eine faire und unabhängige Bewertung ist das Schlüsselelement des Produkts.

Es bedarf lange, Vertrauen aufzubauen, aber nur einen Augenblick, es zu verspielen. Die Maßnahmen zur Sicherstellung der Unabhängigkeit beginnen bereits bei der Bestellung der Sachverständigen. Sie greifen während des gesamten Zeitraums ihrer Tätigkeit und gelten bis zum Ende der Bestelldauer beziehungsweise Abberufung. So muss in einem ersten Schritt vor der Bestellung eines Sachverständigen durch die KAG das Vorliegen der Bestellungsvoraussetzungen vom Aufsichtsrat der KAG genehmigt werden. Der Aufsichtsrat der KAG muss seit Inkrafttreten des Investmentänderungsgesetzes auch mit einem unabhängigen Vertreter der Anleger besetzt sein.

Danach ist die Bestellung der Bankaufsichtsbehörde anzuzeigen, die KAG und der zu bestellende Sachverständige müssen das Vorliegen der Bestellungsvoraussetzungen darlegen. KAG und Bankaufsichtsbehörde müssen prüfen, ob der zu bestellende Sachverständige die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen erfüllt und keinen Interessenkonflikten unterliegt. So dürfen Sachverständige und ihre nahen Verwandten weder Anteilscheine an den von der KAG verwalteten Immobilien-Sondervermögen erwerben noch darf der Sachverständige irgendwelche sonstigen Dienstleistungen für die KAG und für mit ihr verbundene Unternehmen erbringen, die einen potenziellen Interessenkonflikt mit seiner unabhängigen Bewertungstätigkeit begründen könnten.

Selbstverständlich dürfen auch keinerlei verwandtschaftliche Verhältnisse mit Mitarbeitern der KAG oder Depotbank bestehen. Mit Blick auf das Vertrauen der Anleger in eine unabhängige Bewertung ist jeder Anschein einer möglicherweise beeinträchtigten Unabhängigkeit durch einen Interessenkonflikt zu vermeiden. Innere wie äußere Unabhängigkeit ist auch immer eine Frage des Geldes. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber festgelegt, dass ein Sachverständiger auf Dauer maximal 30 Prozent seiner Einnahmen von einer bestimmten KAG beziehen darf. Auch unterliegt die vorzeitige Abberufung eines oder mehrerer Sachverständiger der vorherigen Anzeige an die Bankaufsichtsbehörde. Allerdings besteht bei letzterem Punkt noch Handlungs- beziehungsweise Klarstellungsbedarf. So sollte sowohl eine Anhörung aller Beteiligten als auch die zeitnahe Informationspflicht der KAG gegenüber den Anlegern zu den Mindeststandards gehören. Die bloße Mitteilung des Ausscheidens im nächsten Rechenschaftsbericht genügt den Anforderungen an einen transparenten Prozess nicht.

Bewertungsgenauigkeit: Was sagen Immobilienmarkt und Kapitalmarkt?

Aller Bewertungsdiskussionen zum Trotz belegen verschiedene internationale Studien die marktnahen Bewertungen der unabhängigen Sachverständigenausschüsse. So haben beispielsweise die Verkaufspreisstudien der Royal Institution of Chartered Surveyors in den letzten Jahren mehrfach gezeigt, dass insbesondere die Abweichungen der Verkaufserlöse von Bewertungsergebnissen der deutschen Sachverständigen deutlich geringer als der Durchschnitt gewesen sind. Hierbei dürfte auf die Offenen Immobilienfonds ein überproportionaler Anteil am Gesamtbestand der Datenbank der IPD Deutschland entfallen sein. Die Marktgerechtigkeit der Bewertung wird auch durch die vergleichsweise geringen Abschläge auf die Nettoinventarwerte der eingefrorenen Fonds an den Fondsbörsen unterstrichen.

Während Immobilienaktien und REITs trotz eines markanten Aufschwungs im ersten Halbjahr 2009 immer noch massiv unter dem inneren Wert (NAV) gehandelt werden, bewegten sich die Abschläge auf die Inventarwerte der eingefrorenen Fonds im Schnitt bei lediglich fünf Prozent. Unter Berücksichtigung des Fremdkapitalanteils (negativer Leverage-Effekt) beträgt der durchschnittliche Abschlag auf die Verkehrswerte der Objekte sogar ohne Berücksichtigung eines Liquiditätsabschlags nur etwa 3,5 Prozent, was sich im unteren Rahmen der marktüblichen Bewertungsspannen bewegt.

Die geringen Abschläge sind umso bedeutsamer, als die Portfolios und die Bewertung bis auf die Objektebene transparent sind und vorwiegend professionelle Marktteilnehmer als Käufer an den Fondsbörsen auftreten. Den Marktteilnehmern ist bewusst, dass aktuell aufgrund schwächerer immobilienwirtschaftlicher Rahmendaten, eingebrochener Transaktionsvolumen und weiterhin schwieriger Finanzierungsmöglichkeiten Objektverkäufe - insbesondere großvolumige - standortabhängig nur schwer realisierbar sind. Dennoch sind selektiv Immobilienverkäufe nah an den Verkehrswerten erfolgt beziehungsweise in Vorbereitung.

Die Offenen Immobilienfonds sind eine risikoarme, aber keine risikolose Anlage. So wie sich Fonds hinsichtlich ihrer geografischen und sektoralen Streuung und ihrer Anlagekonzepte unterscheiden, so unterscheidet sich auch das Bewertungsverhalten der Sachverständigenausschüsse. Und dies ist auch gut so. Denn nur auf diese Weise kann ein konformes Bewertungsverhalten mit der Begründung systemischer Bewertungsrisiken verhindert werden. Es ist entschieden der Auffassung entgegenzutreten, dass in Hochpreisphasen stets die höchste Bewertung und in Krisenzeiten stets die niedrigste Bewertung am marktgerechtesten sind, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag.

Ende 2008 bis heute wurden beziehungsweise werden von einigen sogenannten Bewertern Abwertungen von Core-Immobilien mit langlaufenden Mietverträgen auf ein Niveau vorgenommen, zu dem Marktteilnehmer gerne kaufen würden, aber mangels Angebot nicht können. Sentimentgetriebene Bewertungen sind deshalb genau so kritisch zu hinterfragen wie ein vollständiges Ausblenden objektiv gestiegener Risiken. Es ist hierbei darauf hinzuweisen, dass Ex-post-Betrachtungen nicht weiterhelfen. Es gab wohl kaum einen Zeitraum, in dem unter Bewertern intensiver über die Aussagekraft von Vergleichspreisen diskutiert wurde, als dies aktuell der Fall ist.

Die unterschiedlichen Sichtweisen der Sachverständigen auf die Märkte und die Objekte sind hierbei nur Ausdruck des Marktgeschehens selbst. So unterscheiden sich (auch weiterhin) Käufer- und Verkäufererwartungen signifikant voneinander. Bei der Analyse des Marktgeschehens sind neben den eigentlichen Transaktionsdaten nicht nur die Erwartungshaltung der Käuferseite an Kaufpreiszugeständnisse von Belang, sondern genauso die Verweigerung derselben durch die Bestandshalter. Erhöhte Spannen von Angebot und Nachfrage im Markt finden sich folgerichtig auch in den Marktwerten wieder.

Mit Blick auf die Rolle der Immobilienbewertung in der internationalen Boomphase in 2006/2007 ist verwunderlich, dass zwar die Rolle der Ratingagenturen und die immanenten Interessenkonflikte aus dem Beratungs- und Bewertungsgeschäft kritisch hinterfragt werden und öffentliche Aufmerksamkeit gefunden haben, nicht aber die Immobilienbewertung. Dies überrascht, da doch die Krise auch aus den Immobilienmärkten rührt und die Bewertung der Immobilien als Underlying Assets für strukturierte Wertpapiere auch Eingang in die Bewertung der Ratingagenturen gefunden hat.

Nahezu jeder Spitzenkaufpreis, der in der Boomphase ein neues Preisniveau ausgelöst hat, wurde zuvor von sogenannten "unabhängigen" Bewertern als "Fair Market Value" abgesegnet. Und dies auch noch vor dem Hintergrund, dass der Preisboom 2006/2007 im Gegensatz zu vorherigen Zyklen nahezu ausschließlich liquiditätsgetrieben war und von den wirtschaftlichen Fundamentaldaten nur in geringem Maß unterfüttert gewesen ist. Diese Spitzenpreise als Fair Market Value abzusegnen, konnte nur unter Anwendung prognostischer DCF-Modelle mit aggressiven Mietwachstumserwartungen erfolgen, die sich im Übrigen bis heute nicht eingestellt haben und so schnell auch kaum einstellen werden. Es waren dieselben spekulativen Mietwachstumserwartungen, die sich in den Businessplänen ihrer Auftraggeber - vorwiegend angelsächsische Finanzinvestoren mit hohem Leverage - wiederfanden.

Immobilienbewertung als eine Mitursache der Finanzkrise?

Marktwertermittlung ist mehr als die Bestätigung gezahlter Kaufpreise. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass das Bundesbauministerium bei der Novellierung der Wertermittlungsverordnung strikt darauf geachtet hat, dass subjektiv prognostische Annahmen ohne hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen aus dem Marktgeschehen zukünftig auch bei der DCF-Variante des Ertragswertverfahrens nicht zugrunde gelegt werden dürfen. Es bleibt zu hoffen, dass auch an anderer Stelle die Lehren aus der Finanzmarktkrise gezogen werden.

So benötigen wir für eine nachhaltige Entwicklung der internationalen Immobilienmärkte mehr Einsatz von Eigenkapital sowie die Rückkehr zur Immobilie als wesentlichem Teil desselben und

Abkehr von komplexen Finanzkonstruktionen, in denen die Immobilie lediglich das Mittel zum Zweck darstellt. Risiken müssen realistisch beurteilt, getragen und nicht gestreut werden. Nur dann kann vom Markt eine angemessene Einpreisung erfolgen. Die Investoren müssen zugleich dem nachhaltigen, gesunden Ertragswachstum - eben der Philosophie der Immobilie folgend - wieder mehr Aufmerksamkeit schenken und weniger auf kurzfristige Preisveränderungen und aggressives Mietwachstum spekulieren.

Zwar fühlen sich die Offenen Immobilienfonds durchaus zu Recht als Opfer der Finanzmarktkrise, da sie in der Boomphase eher zurückhaltend waren und der massive Mittelabzug im Oktober 2008 allein den unmittelbaren Folgen des Leh-man-Kollaps geschuldet war. Dennoch hat die Krise auch Schwächen offenbart und die Branche hat einige Hausaufgaben zu erledigen. Es muss - gegebenenfalls mit Hilfe des Gesetzgebers - endlich dafür Sorge getragen werden, dass Publikumsfonds als langfristige Immobilienanlage auch nur an die entsprechenden Anlegergruppen verkauft werden. Ein kurzfristiges "Parken von Geld" durch institutionelle Anleger Seite an Seite mit Langfristanlegern muss der Vergangenheit angehören oder zumindest entsprechend reglementiert werden.

Lessons to be learned oder doch weiter so?

Auch müssen die Anleger zukünftig besser über die Risiken des Produktes aufgeklärt werden. In Sachen Bewertungstransparenz hat der BIIS in Kooperation mit dem BVI ein wichtiges Projekt auf den Weg gebracht. Ab September 2009 werden 13 Immobilien-Kapitalanlagegesellschaften untereinander ihre Bewertungsdaten bis auf Einzelobjektebene austauschen. Auf diese Weise wird eine in der Immobilienwirtschaft bislang einzigartige Bewertungstransparenz hergestellt.

Bewertungsdaten können im Wege der Konkurrenzbeobachtung sowohl von Kapitalanlagegesellschaften als auch von den Fondssachverständigen zeitnah auf Marktgerechtigkeit hin analysiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich mittelfristig alle Immobilien-Kapitalanlagegesellschaften an dem Projekt beteiligen werden. Die Erfahrung mit der Veröffentlichung von Einzelverkehrswerten zeigt, dass Bewertungstransparenz dem Produkt nur nützt und nicht schadet. Intransparenz erzeugt zu Recht Misstrauen.

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