Leitartikel

Altersvorsorge: Eigen Heim - Glück allein?

Wenn die Immobilienwirtschaft der Regierungskoalition mangelnde Verlässlichkeit vorwirft, so gilt es aufzuhorchen. Denn auch wenn die in der Vergangenheit erfolgten Kurskorrekturen nicht die Zustimmung einer jeden Interessengruppe fanden, so zeichneten sich die wohnungspolitischen Rahmenbedingungen doch durch eine gewisse Dauerhaftigkeit aus. Mit dieser Kontinuität wollen die aktuellen Großkoalitionäre anscheinend brechen. Zwar kündigte die Kanzlerin zum Amtsantritt vollmundig die zügige Umsetzung der anstehenden Reformen und notwendigen Gesetze an - schließlich sind die Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat stabil -, doch gut ein Jahr danach herrscht Ernüchterung angesichts der mageren Bilanz.

So waren sich die Haushaltsverweser zwar sehr schnell einig, die Eigenheimzulage zum Jahresende 2005 auslaufen zu lassen. Als Kompensation sah der damals ausgehandelte Kompromiss zwar vor, dass das selbst genutzte Wohneigentum binnen Jahresfrist gleichberechtigt mit anderen Kapitalanlagen in den Förderkatalog der privaten Altersvorsorge aufgenommen wird, doch lässt die konkrete Umsetzung noch immer auf sich warten. Zum 1. Januar 2007, dem eigentlichen Starttermin der Neuregelung, sind sich beide Parteien noch nicht einmal im Grundsatz einig. Dass sich die Beteiligten in der Sache einen Maulkorb verpassen und keinerlei Stellung nehmen wollen, ist nicht nur bedauerlich, sondern ein Armutszeugnis für den politischen Diskurs in dieser Koalition.

Schon wird vermutet, die Regierung habe gar kein Interesse an einer Einbeziehung des Wohneigentums in die Riester-Vorsorge. Denn gewollt seien keine Senioren mit Häuschen, sondern Geldrenten, die einfacher besteuert werden könnten. Dies dürfte erklären, warum maßgeblich in der SPD lange Zeit auf der unsinnigen Besteuerung hypothetischer Mietersparnisse und unrealisierter Grundstückswertzuwächse bei Eigenheimbesitzern bestanden wurde. Beides ließe sich zwar theoretisch mehr oder weniger sauber berechnen, nur den Betroffenen kann dies praktisch nicht vermittelt werden. Diese Erkenntnis scheint inzwischen auch in der SPD-Fraktion zu reifen. Folglich wird neben dem ursprünglich favorisierten und im Referenten-Entwurf "Wohn-Riester" genannten Modell mittlerweile auch ein Konzept diskutiert, das bei geringerer Fördersumme auf eine nachgelagerte Besteuerung verzichtet. Vielleicht setzt sich in beiden Koalitionsparteien doch noch eine Konstruktion durch, die dem einfacheren Sofa-Modell der Bausparkassen sehr nahe käme.

Dass inzwischen auch die Spitzenverbände der gewerblichen Wohnungswirtschaft, die mit Kanape ein konkurrierendes Konzept vorgelegt hatten, von der nachgelagerten Besteuerung abrücken, zeugt ebenfalls von deren, wenn auch etwas spätem, Verständnis für die künftigen Eigenheimbesitzer. Ein Gutes hatte das Modell freilich: Es führte den Parlamentariern vor Augen, wie eine Förderkonstruktion entsprechend der politischen Vorgaben aussehen würde, um vom Volk möglichst unverstanden und ungenutzt zu bleiben. Doch obwohl immerhin so viel Einsicht vorhanden ist, möchte der Fiskus doch nur ungern auf die erwarteten Steuereinnahmen - die die Riester-Förderung um ein Vielfaches übersteigen dürften - verzichten. Wohl nur so ist zu erklären, dass plötzlich aus dem Bundesfinanzministerium als zusätzliches "Notopfer" die Abschaffung der Wohnungsbauprämie gefordert wird.

Dass Wohnungspolitik hierzulande immer mehr unter dem Diktat der Fiskalpolitik steht, ist bedauerlich, war aber vorhersehbar. Denn schon seit längerem fühlt sich offensichtlich niemand in Regierung und Parlament für Wohnungsbau zuständig. Das Fehlen eines "eigenen" Bundesministeriums ist für dieses Desinteresse der wohl deutlichste Beleg. Schon Manfred Stolpe hatte sein Haus in erster Linie als Verkehrsministerium definiert, und auch bei Wolfgang Tiefensee hat die Wohnungspolitik nicht oberste Priorität. Als Grund vermutet Kornemann die persönlichen Erfahrungen der beiden, die Wohnungswirtschaft in der DDR nur als Sphäre staatlicher Regulation erlebten. Das würde zum Beispiel erklären, warum Tiefensee keine Mietwohnungsbestände in deutschen REITs sehen will.

Nun mag mancher der 614 Bundestagsabgeordneten meinen, dass in der Republik derzeit dringendere Probleme anzugehen seien. Schließlich sind Zinsen und Mieten niedrig, die Bauqualität gut und vielerorts das Wohnraumangebot größer als die Nachfrage. Neue Munition für jene, die im Wohneigentum ohnehin nur ein Luxusgut der Besserverdienenden sehen, liefert eine frisch aufgelegte Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln. Darin wird nicht nur die volkswirtschaftliche Relevanz des Eigenheimbaus als gering eingeschätzt, sondern aus einer niedrigen Eigentumsquote auch auf eine höhere Mobilität der Arbeitnehmer geschlossen. Menschen im selbstgenutzten Wohneigentum seien demnach weniger bereit, für einen neuen Arbeitsplatz umzuziehen. Strukturelle Schwächen des regionalen Arbeitsmarktes würden sich damit noch verstärken.

Gleichzeitig bremse eine hohe Eigentumsquote den Strukturwandel, denn zuzugswillige und für die neuen Wirtschaftszweige qualifizierte Arbeitskräfte würden auf einen eingeengten Wohnungsmarkt treffen, dessen steigende Haus- und Mietpreise sie möglicherweise nicht zahlen können oder wollen. Freilich ist bei der Bewertung der Ergebnisse zu berücksichtigen, dass der Verband deutscher Pfandbriefbanken nicht den Sinn der Wohneigentumsförderung in Frage stellen wollte. Intension ist vielmehr zu zeigen, dass es nicht der Festzinshypothek (allein) geschuldet ist, wenn hierzulande die Wohneigentumsquote unter denen der übrigen EU-Staaten liegt. Vielmehr sei durch die massive Förderung des Mietwohnungsbaus nach dem Krieg den Haushalten eine Alternative zum Hauskauf eröffnet worden.

Dennoch wollen über 80 Prozent der Deutschen in den eigenen vier Wänden leben. Erst für 52 Prozent ist dies Realität. Von den übrigen 48 Prozent, die (noch) zur Miete wohnen, würde laut einer Erhebung der LBS mehr als die Hälfte gerne Wohneigentum erwerben und selbst nutzen. Mit 90 Prozent wird dabei eine gute Altersvorsorge als einer der wichtigsten Gründe genannt. Und obwohl hinterfragt werden kann, warum der Staat fördern soll, was auch ohne Subvention fast jeder anstrebt, so ist dieses "Wählervotum" doch ein eindeutiger Auftrag an die Politik. L.H.

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