Bausparen und Bausparkassen 2007

Bausparen in der Slowakei - Marktlage und Perspektiven

Mit einer Wohneigentumsquote von über 90 Prozent und einem Renovierungsstau von elf Milliarden Euro ist die Slowakei eigentlich ein Paradies für Bausparkassen. Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite: Durch die Übertragung des staatlichen Wohnungsbestandes auf die Mieter müssen die Haushalte bei knappen Einkommen erhebliche Summen für die notdürftige Erhaltung aufwenden. Für Sparanstrengungen bleibt dabei wenig Luft, sodass trotz hoher Anlagegrade die Hypothekenbanken weiter Marktanteile gewinnen. Dass der Autor dennoch große Wachstumschancen für das Bausparen sieht, begründet er mit dem enormen Neubaubedarf. Doch noch bewegen sich die Fertigstellungen auf einem extrem niedrigen Niveau. (Red.)Die politische Wende 1989 hat in der Slowakischen Republik zu einem massiven Einbruch der Neubautätigkeit geführt. Nur rund 6,7 Prozent des aktuellen Wohnungsbestandes, in der Mehrheit Ein- und Zweifamilienhäuser, wurden nach 1990 fertiggestellt. 1980 waren es 48 215 und im Jahr 1990 24 705 Wohnungen. Nach dem Versuch, die Wohnungswirtschaft ab 1990 marktorientiert auszugestalten, wurden 1996 noch immer nicht mehr als 6 257 Wohnungen gebaut. Erst ab 1999 wurde die jährliche Produktion von 10 000 Wohnungen pro Jahr überschritten. 2005 erreichten die Fertigstellungen 14 863 Wohnungen. Insgesamt entspricht das bei einer Bevölkerung von 5,385 Millionen Einwohnern und einem Gesamtwohnungsbestand von 1,936 Millionen Wohnungen 359,5 Wohnungen pro 1 000 Einwohner. Damit liegt die Slowakei unter dem EU-Durchschnitt. Entwicklung des Wohnungsbedarfs Wenn sich die Slowakei wohnungspolitisch am durchschnittlichen Wohnungsbestand der EU-15-Länder orientiert, ist ein Nachfragepotenzial von 450 000 Wohnungen beziehungsweise von 216 000 Wohnungen bezogen auf den EU-Gesamtdurchschnitt in den nächsten zwei Jahrzehnten absolut realistisch. Das entspricht einem Investitionspotenzial zwischen 17,65 und 29,4 Milliarden Euro zu Preisen des Jahres 2006 (ein Euro entspricht 34 Slowakischen Kronen). Mit der politischen Wende kam es auch zu einer Privatisierung von mittlerweile 90 Prozent des Gesamtwohnungsbestandes, sodass es heute nur mehr etwa 3,4 Prozent Mietwohnungen gibt. Die Slowaken sind damit zu einem Volk von Wohnungseigentümern geworden. Mit dem Verkauf dieser Wohnbauten hat sich der Staat, neben anderen Motiven, vor allem hohen Instandhaltungskosten entzogen. Mehr als 780 000 Wohnungen sind älter als 20 Jahre und benötigen eine tiefgreifende Renovierung. Alleine dafür schätzt das slowakische Bauministerium das Finanzierungsvolumen auf 400 Milliarden Slowakische Kronen (11, 76 Milliarden Euro) - nur für die dringendsten Reparaturen. Damit folgt dieser Bereich der Wohnungswirtschaft in der Slowakei einem fundamentalen Trend, der in ganz Europa zu beobachten ist. Vor dem Hintergrund einer zusammengebrochenen Wohnungsproduktion und der enormen Privatisierungswelle haben sich die Raiffeisen Bausparkasse aus Österreich und die Bausparkasse Schwäbisch Hall aus Deutschland entschlossen, gemeinsam mit der lokalen Slowakischen Sparkasse, Slovenská sporitel'ža, die erste Bausparkasse in Osteuropa zu gründen. Der Name dieser Bausparkasse ist auch "Erste Bausparkasse" oder auf slowakisch Prvá stavebná sporitel'ža. Nach Verabschiedung eines Bauspargesetzes hat diese Bausparkasse ihren operativen Betrieb am 16. November 1992 aufgenommen. Mittlerweile gibt es drei Bausparkassen in der Slowakei. Das Bausparen wurde sofort mit größter Begeisterung von der Bevölkerung aufgenommen. Diese hohe spontane Akzeptanz hat sich laufend verstärkt, sodass Bausparen heute die mit Abstand beliebteste Sparform des Landes ist. Bis heute haben 2,5 Millionen Einwohner seit der Einführung des Bausparens einen Vertrag abgeschlossen, zur Zeit sind das rund 25 Prozent der Bevölkerung und 1,4 Millionen Verträge. Das Bausparen hat sich in der Slowakei zu einer Lebenssparform entwickelt. Eine Steigerung der Nachfrage um weitere zehn Prozent Marktdurchdringung auf 35 Prozent in den nächsten zehn Jahren ist als realistisch anzusehen. Diese europaweit beachtenswerte Erfolgsgeschichte ist durch den hohen Stellenwert des Wohnens im Bewusstsein der slowakischen Bevölkerung und durch die flächendeckende und professionelle Vermarktung des Bausparens begründet. In der Wohnbaufinanzierung waren die Bausparkassen bis 2002 mit einem Marktanteil von über 50 Prozent dominierend. Kam das Bausparen 2002 noch auf einen Anteil von 53 Prozent, so waren es im Jahre 2006 nur noch 42 Prozent, da ab 2003 der Marktanteil der mittlerweile zehn Hypothekenbanken sprunghaft gestiegen ist. Die Geschäfts- und Hypothekenbanken hatten aufgrund attraktiverer Geschäftsmöglichkeiten bis Ende 2000 wenig Interesse an der Wohnungsbaufinanzierung. Bausparen war damit in den neunziger Jahren praktisch die einzige Finanzierungstechnik für Neubau und vor allem Renovierung in der Slowakei. Das unterstreicht den Vorteil des Spezialbankenprinzips der Bausparkassen, die sich auf Wohnbaufinanzierung konzentrieren müssen. Effiziente Kapitalmobilisierung durch staatliche Prämie Wie in Deutschland und Österreich unterstützt der Staat die Spartätigkeit beziehungsweise Kapitalmobilisierung und damit die Eigenkapitalbildung der Bevölkerung durch die Gewährung einer Staatsprämie. Diese betrug 1992 aufgrund der hohen Inflationsrate 6 000 Slowakische Kronen bei einem dafür nötigen Sparbetrag von 15 000 Slowakischen Kronen. Um das Bausparen als langfristiges Wohnbaufinanzierungsinstrument aus der tagespolitischen Diskussion bezüglich der Höhe der zu gewährenden Prämie herauszuhalten, wurde die Staatsprämie mittels einer mathematischen Formel an die Entwicklung des Zinsniveaus am Kapitalmarkt gebunden. Das wohnungspolitische Ziel des Staates durch die Gewährung der Prämie ist die Maximierung der Kapitalmobilisierung durch die Spartätigkeit der Bürger. Dieses Ziel ist durch eine Ausleihquote von über 90 Prozent in Bezug auf die Spareinlagen optimal erfüllt. Damit ist auch den politischen Zielen des Staates effizient entsprochen. Ein Kernelement des Bausparens besteht darin, dass mehrere Sparer ein Darlehen refinanzieren. Die Relation beträgt etwa vier zu eins. Eine Beschränkung der Gewährung der Staatsprämie nach Einkommensobergrenzen beschneidet die Refinanzierungskraft und Kapitalmobilisierungsfunktion der Bausparfinanzierungstechnik und wäre bei den großen Finanzierungserfordernissen des slowakischen Wohnungsmarktes kontraproduktiv. Ziel der Prämie ist auch kein verteilungspolitisches, sondern ein maximal kapitalmobilisierendes, bei einer möglichst großen Transformation der Einlagen in Darlehen. Hier sind die slowakischen Bausparkassen international führend. Die Gewährung der Prämie ist an im Bauspargesetz definierte Verwendungszwecke eines Bauspardarlehens und des damit in Zusammenhang stehenden Guthabens gebunden. Die Verwendung beschränkt sich auf Schaffung von Wohnungseigentum, auf Investitionen am Gebäude und den Grundstückserwerb. Bei einer gesetzeskonformen Verwendung des Sparguthabens inklusive der Staatsprämie kann ein Bausparvertrag bereits nach 24 Monaten aufgelöst werden. Die widmungsgemäße Verwendung der Bausparguthaben wird in diesen Fällen per Gesetz von den Bausparkassen überprüft. Die große Wohnungsnachfrage und der Anteil der Hypothekardarlehen am Bruttosozialprodukt (BSP) in Höhe von 3,1 Prozent unterstreichen die Wachstumsmöglichkeiten der slowakischen Wohnungswirtschaft, besonders im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Diese Wachstumsmöglichkeiten werden durch ein prognostiziertes hohes Wirtschaftswachstum, steigende Realeinkommen und eine niedrige Inflationsrate begünstigt. Diese Rahmenbedingungen signalisieren einen hohen Kapitalbedarf, den der gesamte Wohnungssektor in den nächsten 15 bis 20 Jahren benötigen wird. Die Mobilisierung dieses Kapitalbedarfs ist eine Herausforderung und Chance für Bausparkassen und Banken. Der Baufinanzierungsmarkt ist seit 2003 heiß umkämpft. Drei Bausparkassen, zehn Geschäftsbanken mit Hypothekenlizenzen und zunehmend auch weitere Kreditinstitute kämpfen um Marktanteile. Grundsätzlich ist der gesamte Renovierungssektor die Domäne der Bausparkassen, da er den Kaufkraftverhältnissen, im Hinblick auf die Entwicklung der Sparquote in der Slowakei, besser entspricht. Die Bausparkassen haben in diesem Segment die besten Darlehenskonditionen. In der Finanzierung von Neubauwohnungen sind die Hypothekenbanken stärker, da sie große Darlehensbeträge ohne Ansparleistung bereitstellen. Im Aktivgeschäft unterscheiden sich die Produkte lediglich durch Konditionen. Das Bausparen kann hier für sich den fixen Zinssatz als besonderen Wettbewerbsvorteil anbieten. Passivseitig refinanzieren sich nicht nur die Bausparkassen durch Spareinlagen, sondern auch die Hypothekenbanken stützen sich größtenteils auf die Primäreinlagen ihrer Mutterinstitute und weniger auf die Emission von Pfandbriefen. Dadurch besteht mittlerweile ein starker Wettbewerb um Einlagen. Zukunftsperspektiven Wie in den alten EU-15-Mitgliedsstaaten ist auch in den neuen Mitgliedsländern die Wohnungswirtschaft ein Motor der Volkswirtschaft und einer der wichtigsten Sektoren für das Wirtschaftswachstum. Die Wohnung ist in der Slowakei der größte einzelne Aktivposten im Vermögen der privaten Haushalte und zugleich auch die größte Kostenposition in Relation zum Einkommen. Mit 26,5 Prozent Anteil der Wohnungskosten an den gesamten Haushaltskosten ist die Slowakei nach Spanien, Schweden und Dänemark an vierter Stelle. Bezüglich des Kostenanstiegs für das Wohnen liegt die Slowakei deutlich vor allen anderen EU-Staaten. Zusammen mit der großen Wohnungsnachfrage, den ausgezeichneten Wirtschaftsdaten der Slowakei und des wachsenden Wohnungsangebotes sowie der noch immer niedrigen Durchdringung des BSP mit Wohnungsbaudarlehen steht der Baufinanzierungssektor vor einem langfristig hohen Wachstum, zu dem die Bausparkassen als spezialisierte Institute einen maßgeblichen Beitrag leisten können.

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