Leitartikel

Von begrenztem Nutzen

Wenn alle Betroffenen über ein Gesetz mäkeln, dann ist es entweder besonders gut, weil es zwischen unvereinbaren Interessen einen Mittelweg gefunden hat, oder es ist tatsächlich besonders schlecht, weil es allen mehr schadet als nützt. Und zuweilen kommt es sogar vor, dass ein neu geschaffenes Gesetz schon im Grundsatz überflüssig ist. Ein solches Kunststück vollbrachten dieser Tage Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat mit dem "Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestoren verbundenen Risiken" - oder weniger sperrig formuliert: dem Risikobegrenzungsgesetz. Dabei wäre schon prinzipiell die Frage zu stellen, ob es für die hierzulande gerne als "Heuschrecken" titulierten internationalen Kapitalmarktakteure wirklich eines gesetzlichen Pestizids bedarf.

Doch ungeachtet der fraglichen Notwendigkeit eines solchen Gesetzes ist der parlamentarische Beschluss zu spät gekommen. Denn aufgrund der Kapitalmarktklemme erhalten die opportunistischen Fonds längst nicht mehr so billig und reichlich Fremdkapital wie noch vor einem Jahr. Entsprechend eingeschränkt ist ihre Handlungsfähigkeit. Dass der Gesetzgeber der Realität hinterherläuft, hängt in diesem Fall jedoch nicht allein mit parteitaktischen Scharmützeln zusammen. Vielmehr sahen sich die Volksvertreter im vergangenen Jahr durch Berichte über die tatsächlichen oder nur vermeintlichen Folgen des Kredithandels genötigt, auch dieses Thema in die Gesetzesinitiative einzubeziehen. Dass die Aufregung und Verunsicherung im Volk von den Volksvertretern so schnell ernst genommen wurde, ist an sich schon bemerkenswert und erfrischend ungewohnt.

Verwundern musste allerdings, dass sich große Teile der politischen Elite dieses Landes von einer Hysterie anstecken ließen, die weitgehend unbegründet war. Denn es galt und gilt immer noch der Grundsatz "pacta sunt servanda" - für Gläubiger und Schuldner. Entgegen der teils akademisch konstruierten Problemfälle ist - man kann es immer nur wiederholen - in der Praxis bislang kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein Kreditkäufer bei einem ordnungsgemäß bedienten Kredit in die Grundschuld vollstreckte. Dass die Parteien im Parlament dennoch Handlungsbedarf sahen, mag bei den einen ideologisch, bei den anderen aber wohl eher wahltaktisch begründet sein. Kommt dann noch persönliche Eitelkeit und medialer Geltungsdrang wie bei führenden Vertretern des Ministeriums für Verbraucherschutz hinzu, ist eine sachliche Erörterung und Abwägung des Nötigen und Möglichen extrem schwer. Umso mehr Respekt und Lob verdienen deshalb das Finanz- und das Justizministerium, die sich standhaft für eine Versachlichung der Diskussion einsetzten und denen es die Kreditwirtschaft ganz wesentlich zu verdanken hat, dass der Kauf und Verkauf von Kreditportfolios weiterhin in vernünftiger Form möglich ist.

Den Verbraucher wird es zunächst freuen, dass der Gesetzgeber den Kündigungsschutz im Falle von Zahlungsrückständen deutlich verbessert hat. Letztendlich werden die Kosten dafür aber auf alle Kunden umgelegt. Dies muss in einem so wettbewerbsintensiven Markt wie Deutschland nicht zwangsläufig beim Zins geschehen. Es gibt dafür durchaus subtilere Stellschrauben zum Beispiel beim Scoring. Doch auch wenn die Kreditwirtschaft und speziell die Finanzinvestoren einige Verschlechterungen hinnehmen mussten, so bleibt doch die Fungibilität der Darlehen als ein unverzichtbares Instrument des Risikomanagements für die Banken erhalten.

Freilich gilt es, mit diesem Werkzeug nicht nur im eigenen Sinne, sondern auch mit Blick auf den Kunden, verantwortlich umzugehen. Denn ein verkaufter Kredit ist mindestens eine verlorene Kundenbeziehung. Im Privatkundengeschäft, wo ein erheblicher Teil des Umsatzes auf Mund-zu-Mund-Propaganda zurückzuführen ist, können die Kundenverluste sogar noch höher sein. Daher ist es nicht nur unter Marketinggesichtspunkten nachvollziehbar, dass die Kreditgenossen zu den Ersten gehörten, die verkündeten, sie würden keine leistungsintakten Kredite veräußern. Man möchte es ihnen nur zu gerne glauben. Doch funktioniert das?

Der gute Wille mag da sein, doch Papier ist geduldig - das trifft auch auf die Kreditvordrucke aus dem DG Verlag zu. Sind diese schon überarbeitet und in allen Filialen verfügbar?

Doch egal bei welcher Bank - die Garantie des Nichtverkaufs (so es denn überhaupt eine ist) gilt nur für Neuabschlüsse. Aus dem Bestand können demnach weiterhin Kredite gehandelt werden. Und sie werden es auch. Aktuell sind dem Vernehmen nach so viele Portfolios im Angebot, dass die Investoren wählen können. Dabei reicht die Spannbreite vom zweistelligen Millionen- bis in den Milliarden-Euro-Bereich. Kurioserweise ist ein Grund für die Vielzahl und Vielfalt der zum Verkauf gestellten Kreditpakete die öffentliche Diskussion der vergangenen Wochen und Monate. Denn erst jetzt trauen sich die Banken, die bislang aus Furcht vor schlechter Presse zurückgehaltenen Portfolios zu verkaufen. Und so werden wohl auch die künftigen Transaktionen nur äußerst behutsam kommuniziert werden. Erfahren werden es die betroffenen Kreditnehmer jetzt aber in jedem Fall. Vielleicht brauchte es ja nur dafür ein neues Gesetz. L. H.

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