Blickpunkte

Marketing - Entwertete Gütesiegel

Endlich hat die Öffentlichkeit einen neuen Aufreger: Durch den Skandal um den ADAC sind die Banken als Skandalbranche Nummer eins wenigstens vorübergehend entthront. Nun hat die (der Bankenschelte mittlerweile vielleicht auch schon ein wenig müde) Öffentlichkeit etwas Neues gefunden, woran sie sich reiben kann. Und mag der Automobilclub im täglichen Leben auch nicht so omnipräsent sein wie die Kreditwirtschaft, ist doch die Zahl von 19 Millionen Mitgliedern eine Größenordnung, die die öffentliche Aufmerksamkeit für geraume Zeit sichert - zumal auch Nichtmitglieder sich bei ihren Kaufentscheidungen an den vergebenen Auszeichnungen orientiert haben dürften.

Die Banken sind also zunächst einmal aus der Schusslinie. Doch der Skandal rund um die vom ADAC verliehenen Preise wirft natürlich die ganz grundsätzliche Frage auf, was die unzähligen verschiedenen "Gütesiegel" (rund 500 sollen es in Deutschland sein), mit denen sich Unternehmen ganz verschiedener Branchen schmücken, tatsächlich wert sind. Und mit dieser Frage werden sich auch die Finanzdienstleister befassen müssen, gibt es doch kaum einen Anbieter, der nicht eine Handvoll solcher Auszeichnungen zu präsentieren hat.

Schon seit langem hat die schiere Vielzahl von Rankings und Bewertungen an dieser Stelle zu einer inflationären Entwicklung geführt, kann sich doch jeder Anbieter zu Werbezwecken denjenigen Test heraussuchen, bei dem er besonders gut abgeschnitten hat. Es gibt ja genug Auswahl, sodass für jeden einmal etwas dabei ist, womit er seine Kunden beeindrucken kann. Fragwürdig war der Einsatz solcher "Gütesiegel" im Marketing deshalb schon lange. Der Skandal um den "Gelben Engel" dürfte ihre Glaubwürdigkeit jedoch branchenübergreifend stark erschüttern.

Finanzdienstleister dürften davon in besonderem Maße betroffen sein. Denn sie haben letztlich nur die vom TÜV, von Verbraucherschutzorganisationen, oftmals aber auch nur von Medienunternehmen verliehenen Auszeichnungen, um Kunden davon zu überzeugen, dass sie sich im Wettbewerb durch ein besonders gutes Preis-Leistungsverhältnis, oder spezielle Service- oder Beratungsqualität abheben. Wenn diesen Icons künftig nicht mehr geglaubt wird - was bleibt dann noch?

Der verlässlichste Fingerzeit darauf, wie gut ein Anbieter - gleich welcher Branche - tatsächlich ist, ist traditionell die Mund-zu-Mund-Propaganda. Denn die meisten Verbraucher würden sich scheuen, einen Anbieter weiterzuempfehlen, von dem sie nicht überzeugt sind - schließlich könnte ein schlechter Rat auf sie zurückfallen und die persönliche Beziehung belasten. Die Konsumgüterbranche und der Handel haben längst Mittel und Wege gefunden, dieses Weiterempfehlungsprinzip über den Kreis der den Kunden persönlich bekannten Personen hinaus zu erweitern: Kundenbewertungen gehören längst zum Alltag der Verbraucher. Und die in die digitale Welt übertragene Mund-zu-Mund-Propaganda genießt hohes Vertrauen. Nur die Finanzbranche hat sich an dieser Stelle bislang noch stark zurückgehalten. Das wird sich nun vielleicht ändern (müssen). Red.

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