Im Blickfeld

Crowdfunding - für Liebhaber

Was bringt einen Mann im rosa Frack und Menschen mit überdimensionalen Hüten dazu in das Frankfurter Ebbelwoi-Viertel von Alt-Sachsenhausen zu kommen, dorthin, wo normalerweise nur feucht-fröhliche Junggesellenabschiede gefeiert werden? Es ist die Einweihung eines außergewöhnlichen Wohn- und Atelierhauses, das unter anderem durch Crowdfunding finanziert wurde. Und so trafen sich nicht nur Freunde der ansässigen Künstlerschickeria, sondern auch zahlreiche Kleinstinvestoren in der kleinen Rittergasse 11, im "Der kleine Mann mit dem Blitz". Diese Rekonstruktion einer ehemals maroden dreiteiligen Fachwerkhäusergruppe soll Wohnraum werden für zwei Fotografen, Galerie, Bar, Pop-Up-Restaurant, Apfelweinkelterei sowie offene Bühne für Shootings und Veranstaltungen.

Vor drei Jahren hatte der Investor Dr. Steen Rothenberger zusammen mit Franken Architekten und später dem Crowdfunding-Spezialisten Michael Ullmann beschlossen, hier ein neues Projekt ins Leben zu rufen. Der schwammdurchsetzte Bestand (Baujahr 1764 und 1829) wurde abgerissen und ganz im Stil der ursprünglichen, traditionellen Verbindung von Wohnen und Arbeit wieder aufgebaut.

Mit eingearbeitet wurden alte Frankfurter Ausstattungselemente wie die typische grüne Kachel und gerippte Rautenmuster von Apfelweingläsern. Auf der Fassade wiederum wurde der Verlauf einstmaliger Fachwerkbalken auf Granulatplatten gefräst. Alles in allem ist jedes Detail mit viel Herzblut verbunden - so auch das ungewöhnliche Finanzierungskonzept.

Laut dem Hauptinvestor ist dieses Ob jekt einerseits zwar ganz klassisch finanziert durch Eigen- und Fremdkapital. Hinzukommt - und das ist relativ neu für Immobilien in Deutschland - ein nachrangiges Darlehen, erworben durch Crowdfunding. Über die Internetplattform Kapitalfreunde.de wurden von rund 100 Geldgebern innerhalb von drei Monaten insgesamt rund 75 000 Euro eingesammelt. Diese Personen partizipieren in Form einer stillen Beteiligung von diesem Projekt. Und es scheint sich zu lohnen. Laut Crowdfunding-Initiator Michael Ullmann, der zuvor einige Jahre unter anderem bei Morgan Stanley im Real Estate Investment Banking gearbeitet und an der Finanzierung der Münchner Allianz Arena mitgewirkt hatte, können sechs Prozent Zinsen pro Jahr endfällig auf dieses Kapital ausgezahlt werden.

Der Crowdfunding-Experte gibt jedoch zu, dass diese Methode, die in den USA schon wesentlich verbreiteter ist, nur bei außergewöhnlichen Immobilien funktioniert, für die sich künstlerisch Interessierte, also echte Liebhaber der kulturellen Szene begeistern können. Sicherlich hatten die Initiatoren auch mit Hindernissen bei Regulierungsauflagen, Online-Marketing und der Motivierung der Kapitalgeber zu kämpfen. Doch wie die Ergebnisse zeigen, kann Crowdfunding als ergänzende Nischenfinanzierung funktionieren - zumindest im Kleinen. Denn die Ansprüche sind gering. Pro Person sind jeweils nur sehr kleine Beträge geflossen, mehr um ein Zeichen für Kunst und Kultur zu setzen als für sich selbst monetäres Vermögen zu generieren.

Des Weiteren war es den Investoren wichtig, Alt-Sachsenhausen einen neuen Impuls zu geben. Ob ein einzelnes künstlerisches Objekt als Anstoß zur Gentrifizierung für eine "Schmuddelecke" ausreicht, ist allerdings fraglich. Bei zu vielen benachbarten Häusern bröckelt der Mörtel aus der Fassade ab und es fehlt an weiteren Investoren, die den Mut haben, im stadtbekannten Feierviertel andere Akzente zu setzen. Und so bleibt "Der kleine Mann mit dem Blitz" vermutlich, was es ist, ein einzelnes Leuchtturmprojekt ohne größere Auswirkungen weder auf Alt-Sachsenhausen noch auf Deutschlands Finanzierungskultur. Red.

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