Schwarmfinanzierung

"Das Bewusstsein des kooperativen Handelns ist sehr weit verbreitet" Interview mit Jamal El Mallouki

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Seit etwa fünf Jahren gibt es in Deutschland das Crowdfunding. Mittlerweile sind etwa 50 Plattformen am Markt, eine erste Welle der Konsolidierung ist bereits im Gange, so Jamal El Mallouki. Um den Markt für Crowdsourcing weiter zu stärken, will der neu gegründete Bundesverband vor allem Qualitätsstandards für die Branche setzen. Das Verhältnis zu der Kreditwirtschaft bezeichnet Jamal El Mallouki als eine Mischung aus Konkurrenz- und Kooperationssituation. Kooperationen gibt es zum Beispiel bei der Einbindung von Plattformen als Co-Finanzierer. Und beim Crowdlending geht es ohnehin nicht ohne Bankpartner. Red.

Wie lange schon gibt es Crowd funding in Deutschland? Und wie sieht das in anderen Märkten aus?

Die Idee des Crowdfundings gibt es schon sehr lange, sie stammt sogar noch aus der Zeit vor der Einführung des Internets. Das Prinzip der Schwarmfinanzierung findet sich zum Beispiel bei Genossenschaften und Genossenschaftsbanken wieder.

Die ersten Crowdfunding-Plattformen, so wie wir sie heute kennen, kamen international vor etwas mehr als zehn Jahren auf. In Deutschland starteten erste Plattformen im Jahr 2010 mit dem auf "Gegenleistungen" basierenden "Reward-Based-Crowdfunding".

Das sogenannte Crowdinvesting oder auch "Equity-Based-Crowdfunding" gibt es hierzulande ungefähr seit fünf Jahren - hier erhalten Anleger für ihr Investment Zinsen und Tilgung beziehungsweise Anteile am Unternehmen.

Wie hat sich der Markt entwickelt? Gab es auch schon nennenswerte Pleiten oder Fälle, in denen in größerem Umfang Anleger Geld verloren haben - Dinge, aus denen die Branche gelernt hat? Oder konnten die Anbieter in Deutschland "Geburtsfehler" vermeiden, die es vielleicht in anderen Märkten gab?

Der alte Investment-Grundsatz "keine Rendite ohne Risiko" gilt natürlich auch beim Crowdfunding. Klar ist, es kann auch hier zu Ausfällen kommen - und es gab auch bereits einzelne Fälle, in bestimmten Segmenten. Insgesamt ist die Ausfallrate beispielsweise im Bereich der Start-ups im Crowdinvesting aber deutlich geringer als im Venture-Capital-Bereich allgemein üblich. Bei anderen Targets, wie Real Estate oder erneuerbare Energien, fallen die Ausfallquoten, sofern überhaupt vorhanden, signifikant geringer aus - dies spiegelt auch das Rendite-Risiko-Profil wider.

Natürlich möchte die Crowdfunding-Branche aus den "Fehlern" etablierter Marktteilnehmer lernen. So setzt der Verband Qualitätsstandards fest, gibt Reporting-Schemes zum Anlegerschutz vor und arbeitet an einheitlichen Prozessen. Uns ist aber auch bewusst, dass es im Bereich der Investorenkommunikation und -aufklärung noch Potenzial zur Optimierung gibt.

Insbesondere gilt es, weiter daran zu arbeiten, wenn die Branche das enorme Marktwachstum - 113 Prozent annualisiert in den vergangenen Jahren - in Deutschland beibehalten möchte.

Auf welche Qualitätsstandards haben sich die Mitglieder des Verbands verpflichtet?

Der Bundesverband und alle Mitglieder haben sich verpflichtet, Standards einzuhalten, die teilweise über die gesetzlichen Regelungen hin ausgehen. Hierzu gehören

- höhere Transparenzanforderungen,

- der treuhänderische Umgang mit Inves torengeldern,

- größtmögliche IT-Sicherheitslevel,

- eine Bedenkzeit für Investoren und vieles mehr.

Zudem arbeitet die Branche laufend daran, diese Standards weiterzuentwickeln und zu verbessern - auch gemeinsam im Dialog mit Kleinanlegern.

Welche Ziele hat sich der neu gegründete Verband sonst noch gesetzt?

Der Verband hat und wird verbindliche Qualitätsstandards für das Crowdfunding in Deutschland etablieren. Zudem vertritt er die Interessen der Plattformen gegenüber der Politik und setzt sich für eine Weiterentwicklung des regulativen Marktes ein. Er wird verlässliche Zahlen liefern und durch sein Netzwerk dazu beitragen, den Crowdfunding-Markt langfristig weiter zu stärken.

Wie viele Anbieter sind in Deutschland im Bereich Crowdfunding derzeit aktiv? Welches Finanzierungsvolumen steht in etwa dahinter?

Wir erleben gerade eine erste Welle der Konsolidierung und Professionalisierung der Crowdfunding-Branche. Katalysator war das Kleinanlegerschutzgesetz.

- Zuvor gab es hierzulande rund 150 Plattformen.

- Aktuell sind es im Bereich Crowdinves ting etwas mehr als 50 Plattformen. Die Mitglieder des Bundesverbandes stellen dabei mehr als die Hälfte des Gesamt volumens.

- Insgesamt haben Anleger über deutsche Plattformen im Jahr 2014 rund 140 Millionen Euro in Schwarmfinanzierungsprojekte investiert. Mittlerweile liegen die Zahlen deutlich höher.

Aktuell arbeitet der Verband mit der Universität Cambridge an einer Branchenstudie für Europa, die auch die genauen Marktdaten für Deutschland im vergangenen Jahr umfassen soll.

Wie bewerten Sie die derzeitige Wettbewerbssituation? Ist es eher ein Wettbewerb der Crowdfunding-Unternehmen untereinander oder eher einer mit Banken und Sparkassen? Oder besetzen die Plattformen vielmehr eine bisher freie Nische?

Grundsätzlich befinden sich die Plattformen natürlich im Wettbewerb zueinander. Jedoch ist das Bewusstsein des kooperativen Handelns sehr stark verbreitet - deshalb kam die Gründung des Bundesverbands auch so zeitnah. Den Unternehmen ist auch bewusst, dass sie nur gemeinsam die Anleger für diese neue Art des Investierens sensibilisieren können.

Mit etablierten Finanzinstituten gibt es sowohl eine Konkurrenz- als auch Kooperationssituation. Nach der erfolgten Regulierung mit dem Kleinanlegerschutzgesetz entdecken nun auch Banken, Asset Manager und institutionelle Investoren das Feld der digitalen Direktfinanzierung für sich und werden dies auch im Laufe des Jahres aktiv besetzen.

Viele Plattformen arbeiten aber auch sehr eng mit Banken zusammen, zum Beispiel bei der Einbindung als Zahlungsdienstleister oder Cofinanzierer von Projekten. Im Bereich Crowdlending ist ein Front-Banking-Partner sogar unabdingbar.

Welcher Anteil des Finanzierungsvolumens entfällt auf Finanzierungswünsche von Privatkunden beziehungsweise von Unternehmen? Gibt es hier einen Trend, wo die Entwicklung hingeht?

- Im Bereich des Crowdinvestings werden meines Wissens nach, überwiegend Unternehmen mit Mezzaninkapital finanziert.

- Das Crowdlending bedient vor allem Privatpersonen und Selbstständige auf der Fremdkapitalseite.

Beide Märkte wachsen aktuell sehr dynamisch, für einen Trend ist aktuell wohl noch zu früh.

In welchen Finanzierungsbereichen ist Crowdfunding am stärksten und wo sehen Sie die größten Wachstumspotenziale?

Das lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nur schwerlich pauschalisieren. Insgesamt gibt es eine zunehmende Spezialisierung der Plattformen, die weitere Wachstumsimpulse liefern wird. Eines scheint gewiss: Schwarmfinanzierungen stehen in Deutschland erst am Anfang einer großartigen Entwicklung.

Weshalb nutzen Privatpersonen Crowdfunding-Plattformen als Alternative zum Bankkredit? Und wie sieht das bei Unternehmen aus? Die haben ja (mit Ausnahme der ganz kleinen) auch noch andere Möglichkeiten der Finanzierung ...

Es gibt ganz unterschiedliche Motivationen für Kapitalnehmer, sich über die Crowd zu finanzieren. Gemeinhin wird aber kolportiert, auch vonseiten des Verbraucherschutzes, dass nur bonitätsschwache Geldnehmer diesen Weg der Finanzierung wählen. Dies ist jedoch nicht mehr als ein Gerücht.

Nehmen wir zum Beispiel den Unternehmer, der eine Investition tätigen will und nicht über genug Eigenkapital oder auch nur Liquidität verfügt. Hier kann die Crowd mit einer ergänzenden Mezzaninfinanzierung die Investition sicherstellen. Eine komplementäre Bankenfinanzierung konnte überdies so ermöglicht werden.

Es gibt aber auch Projektinitiatoren, die einfach Bürger, Kunden oder andere Stakeholder bei den eigenen Projekten wirtschaftlich beteiligen wollen.

Wer sind die Investoren? Bietet Crowdfunding eine Anlagealternative für private Anleger? Und wie sieht es mit institutionellen Anlegern aus?

Anfangs haben viele "Digital Natives" auf den Plattformen investiert. Dieses Stadium hat die Branche inzwischen überwunden und immer breitere Bevölkerungsschichten für die kleinteilige Anlagealternative begeistern können.

Mit dem wachsenden Angebot steigt auch der Abdeckungsgrad möglicher Investorengruppen, dazu gehören auch institutionelle Anleger. Die Volumina einiger Plattformen erreichen mittlerweile die kritische Masse, dass institutionelle Investoren wie Family Offices, Fonds oder sogar Finanzdienstleister aktiv investieren.

Wie sind die Crowdfunding-Plattformen derzeit reguliert?

Die Plattformen werden entsprechend ihrem Vermittlerstatus reguliert, der auch direkt vom Finanzinstrument selbst abhängig ist.

- So sind Plattformen, die Wertpapiere vermitteln, nach WPHG und KWG reguliert.

- Die überwiegende Mehrheit arbeitet jedoch noch mit den expliziten Ausnahmetatbeständen nach dem Vermögensanlagengesetz und der Finanzvermittlerverordnung in Verbindung mit der Gewerbeordnung.

- Crowdlending-Plattformen kommen ohne Front-Bank nicht aus, da sie selbst kein originäres Kreditgeschäft ohne KWG-Lizenz praktizieren dürfen.

Die Regulierung ist durchaus in Bewegung, und zwar in Berlin genauso wie in Brüssel. Wir befinden uns daher in einem intensiven Dialog mit den zuständigen Ministerien.

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