Schwarmfinanzierung

Crowdfunding als Bindeglied zwischen Bank und Kunde

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Vor allem jungen innovativen Unternehmen fällt oftmals die Finanzierung ihrer Ideen schwer. An dieser Stelle kommt Crowdfunding ins Spiel. Dass Banken dennoch sehr zurückhaltend damit sind, eigene Crowdfunding-Plattformen zu installieren, liegt vor allem am damit verbundenen Reputationsrisiko, so Verena Plattner. Es gibt aber auch erfolgreiche Beispiele. Sie zeigen, dass bankeigene Crowdfunding-Plattformen den Kreditinstituten bei der Digitalisierung helfen und zugleich zur Kundenbindung sowie der Neukundengewinnung beitragen können. Red.

Unter Crowdfunding versteht man das Akquirieren von Geld unter einer großen Menschenmasse (der sogenannten "Crowd") via Internet-Plattformen für unternehmerische Projekte oder Ideen. Generell werden dabei vier verschiedene Formen unterschieden: Die Finanzierung kann entweder schenkungsbasiert, eigenkapitalbasiert (Crowdinvesting), leihbasiert oder gegenleistungsbasiert sein. Die größten Unterschiede dieser Arten liegen in den Motiven und Zielen der Investoren und Unternehmer.

Prinzipiell handelt es sich beim System des Crowdfundings um nichts Neues, da zum Beispiel auch schon der Aufbau der Freiheitsstatue durch Hunderte von Spenden der Bürger von New York finanziert wurde. Technologische Erfindungen, Web 2.0 und soziale Medien haben dieses Gemeinschaftsdenken mehrfach verstärkt. Crowdfunding - in der Form wie wir es heute kennen - entstand 2001 in den USA. Zehn Jahre später erreichte der Boom auch Europa und es folgte die Gründung der ersten Crowdfunding-Plattform in Deutschland namens "Seedmatch". Allein im Jahr 2014 wurden hierzulande über 21 Millionen Euro über diverse Plattformen durch mehr als 18 000 Investoren gesammelt.*)

Vor allem die Tatsache, dass gerade bei jungen und innovativen Start-up-Unternehmen klassische Finanzierungsanfragen bei Bankhäusern abgelehnt werden, macht Crowdfunding für diese zu einer interessanten Option. Während expandierende Unternehmen, die sich in der Reifephase befinden, weniger Schwierigkeiten haben, die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen positiven Finanzierungszuschlag zu erfüllen, stehen kleine und mittelständische Unternehmen, regionale öffentliche Institutionen und soziale Projekte oft vor dieser Hürde: Da sie in vielen Fällen nicht in der Lage sind, die relevanten Bewertungsfaktoren eines Kredits zu erfüllen, erhalten sie keine finanzielle Unterstützung.

Regulierung und Digitalisierung als Herausforderung für Banken

Diese restriktive Politik hat sich mit der Einführung von Basel III und den damit weiter steigenden Anforderungen an Banken verschärft.

Es kommen jedoch noch weitere Herausforderungen hinzu: Neben den regulatorischen Anforderungen kämpfen Banken zurzeit vor allem mit dem Trend hin zur Digitalisierung. Die zunehmende technologische Entwicklung führt zur immer weiter fortschreitenden Selbstständigkeit der Kunden in Bezug auf ihre Bankgeschäfte.

Der Trend hin zum Mobile- und Internet-Banking führt zu sinkender Kundenfrequenz und das enorme Filialnetz vieler regionaler Banken kann nicht mehr effizient betrieben werden. Die Unterschiede in den Interessen der Kunden und der Bank sowie die mangelnde Synchronisierung der neuen Vertriebskanäle erschweren es, die Kundenbeziehung aufrecht zu erhalten.

Dazu kommt, dass Berater die Kunde-Bank-Beziehung nicht mehr nur in der Filiale pflegen, sondern auch über moderne Kommunikations-Medien wie Mail, Chat, Co-Browsing oder Videoberatung. Um diese Erwartungen erfüllen zu können und den Kunden das gewünschte Convenience-Level zu bieten, sind Banken gezwungen, enorme Investitionen in EDV, Personalentwicklung und Change-Management zu tätigen. Darüber hinaus streben viele Banken Neuausrichtungen der Vertriebswege und Betreuungskonzepte als Lösungsweg an.

Diese Anforderungen setzen Banken zunehmend unter Ertrags- und Kostendruck. Das Ergebnis dieser veränderten Rahmenbedingungen sind noch strengere Kapitalanforderungen an die Kunden.

Alternative zur Unternehmensfinanzierung

Die Entwicklung von Ideen und Innovationen wird bei Entrepreneuren oftmals vom Geldmangel gehemmt. Der wachsende Bedarf an finanzieller Unterstützung wird immer deutlicher - besonders in der Startphase vieler Unternehmer und Projekte.

Und genau an diesem Punkt kommt das System des Crowdfundings wieder ins Spiel: Das mehr oder weniger anonyme Publikum steuert Geld für Projekte und Ideen bei und stellt somit eine sinnvolle Alternative zur Unternehmensfinanzierung dar.

Analysen zeigen, dass Crowdfunding gegenüber dem klassischen Geldkredit vorrangig dann bevorzugt wird, wenn folgende drei Faktoren zutreffen:

- Das Finanzierungsvolumen bleibt in einem realistischen Rahmen.

- Es besteht die Möglichkeit, den Geldgebern zusätzliche Benefits anzubieten (im Zusammenhang mit dem Produkt oder Projekt stehend, zum Beispiel Gratis-Eintrittskarten bei der Renovierung eines Museums).

- Unternehmer möchten in der Community Aufmerksamkeit für ihr Projekt oder ihre Idee gewinnen.

Diese neuen Geldmittel-Plattformen bieten finanzielle Unterstützung für Ideen und Businesspläne, in welche regionale Banken niemals in der Lage wären zu investieren. Sie stellen das traditionelle Bankgeschäft insofern infrage, als sie bessere Preise (Kostenvorteile) bieten und mehr Ver trauen der Geldgeber gewinnen. Für die Eigenkapitallücke vieler Start-ups stellt Crowdfunding deshalb die ideale Lösung dar.

Es repräsentiert eine attraktive Alternative für das Aufbringen von Kapital und ist vor allem in der Lage, den sogenannten "Social Value" wohltätiger Initiativen hervorzuheben - zumal im Allgemein-Interesse liegende Projekte für die Finanzierung von Banken in vielen Fällen abgelehnt werden.

Aus diesen Gegebenheiten und Entwicklungen ergibt sich folgender Schluss:

- Einerseits bestätigen Aussagen aus der Literatur die Attraktivität dieses Finanzierungsinstrumentes: Mit der so genannten "Weisheit der Vielen" ist Crowdfunding in der Lage, die Eigenkapitallücke, an der viele Entrepreneure speziell am Anfang ihrer Unternehmensgründung leiden, zu füllen und dadurch das traditionelle Bankgeschäft zu durchkreuzen.

- Auf der anderen Seite stehen Banken heute vor einigen Herausforderungen wie zum Beispiel strengere Liquiditätsanforderungen oder die Entwicklung hin zur Digitalisierung in Kombination mit höherem Anspruch an das Kundenbeziehungsmanagement.

Mehr als nur eine Zeitgeist-Erscheinung

Wieso also ergreifen Banken nicht die Chance und etablieren ihre eigenen schenkungsbasierten Crowdfunding-Plattformen?

Zuallererst unterstützt Crowdfunding Banken auf ihrem Weg hin zur Digitalisierung. Es stellt einen dauernden Lernprozess dar, welcher eine fortwährende Erweiterung von webbasierten Applikationen beinhaltet. Natürlich ergibt sich daraus eine intensivere Verknüpfung zwischen den Vertriebskanälen Internet und Filiale (Cross-Channel).

Laut Expertenmeinung projiziert eine bankeigene Crowdfunding-Plattform beim Kunden das Image einer modernen und innovativen Bank. Durch das Anbieten einer solchen Finanzierungsalternative können Banken ihre Bestandskunden behalten, die Kundenbeziehung intensivieren sowie Neukunden akquirieren.

Experten sind sich einig, dass Crowdfunding nie in der Lage sein wird, den klassischen Bankkredit abzulösen, aber es handelt sich sicherlich nicht um einen reinen "Zeitgeist" und wird als Finanzierungsalternative in den nächsten fünf bis zehn Jahren sicher noch am Markt bestehen.

Größte Gefahr liegt im Reputationsrisiko

Speziell die schenkungsbasierte Form des Crowdfundings wird das Image einiger Banken verbessern können, da es mehrfach karitative Projekte und soziale Initiativen unterstützt.

Unabhängig davon, ob eine Bank bei der Ausführung einer Crowdfunding-Plattform rechtlich für Zahlungsausfälle haftet oder nicht, liegt die größte Gefahr immer im Reputationsrisiko.

Empfiehlt eine Bank einem ihrer Kunden, in ein Projekt zu investieren und stellt sich dann heraus, dass dieses Projekt nach Ablauf einiger Zeit scheitert und das Geld des Investors "verloren" ist, spielt es gar keine Rolle, ob die Bank für den Zahlungsausfall haftet oder nicht, denn die Macht des Kunden, anschließend den Ruf der Bank zu schädigen (speziell durch Mundpropaganda oder Medienverbreitung), ist viel stärker und hat einen weitaus größeren negativen Wirkungsgrad in der restlichen "Crowd".

Schließlich sollte auch das Image der Bank mit den Eigenschaften vom schenkungsbasierten Crowdfunding übereinstimmen, um in der Lage zu sein, Vertrauen unter der Geldgebermasse zu generieren.

Bankeigene Crowdfunding-Plattformen bislang für viele schwer vorstellbar

Um die Motivationsfaktoren einer Bank zum Einsatz einer eigenen Crowdfunding-Plattform zu ermitteln, wurden 110 Bankmitarbeiter und Führungskräfte aus Österreich befragt. Generell zeigen die Ergebnisse, dass ein Drittel der Befragten Crowdfunding als attraktive Finanzierungsalternative sieht und davon überzeugt ist, dass es auch in den nächsten zehn Jahren noch aktiv am Markt angewandt werden wird.

Obwohl die Mehrheit der Banken auf gutem Weg hin zur Digitalisierung ist und sich stets offen für Erneuerungen und Veränderungen sieht, können sich die meisten Bankmitarbeiter nicht vorstellen, eine bankeigene Crowdfunding-Plattform zu betreiben. Die Hintergründe dafür lassen sich nur schwer nachvollziehen, vielleicht liegt es aber an der Tatsache, dass das Wissen und das Know-how unter den Befragten für dieses neue und brisante Thema noch nicht ausreichend genug sind, um Investitionsentscheidungen treffen zu können.

Eines steht jedoch fest: Stimmen die Eigenschaften des schenkungsbasierten Crowdfundings stark mit dem Image-Charakter einer Bank überein, so kann dies die Entscheidung zur eigenen Crowdfunding-Plattform positiv beeinflussen.

Erfolgreiche Praxisbeispiele

Neben den theoretischen Erkenntnissen bestätigen vor allem Projekte aus der Praxis die Dynamik und steigende Präsenz dieser Finanzierungsalternative. Dazu zählen unter anderem die schenkungsbasierten Crowdfunding-Plattformen

- "Es geht" (BAWAG P.S.K., Österreich),

- "Viele schaffen mehr" (Volksbank Bühl, Deutschland) oder

- "Das tut gut" (Sparkasse Lüneburg, Deutschland).

Diese Banken haben die Idee der alternativen Finanzierung von Projekten durch die "Crowd" umgesetzt und schon zahlreiche Vorhaben erfolgreich finanziert. Durch die Unterstützung von regionalen Projekten und das Eingehen auf individuelle Interessen und Bedürfnisse der Kunden erwecken Banken wieder mehr Aufmerksamkeit speziell in ihrem örtlichen Umfeld. Am Ende kann noch das aussichtsreiche Zukunftspotenzial des Crowdfundings hervorgehoben werden. Auch wenn das klassische Kreditgeschäft sicher bestehen bleiben wird, stellt Crowdfunding eine vollwertige Finanzierungsalternative dar, die die traditionelle Weise der Geldmittelbeschaffung beeinflussen wird. Immer mehr Unternehmensgründer, Organisationen und Vereine nützen die Geberlaune der Menge und versuchen online Geld zu akquirieren.

Darüber hinaus kann es auch als Unterstützung bei aktuellen Herausforderungen vieler Banken dienen (Digitalisierung der Finanzwirtschaft, Intensivierung des Kundenbeziehungsmanagements oder strengere Regulierung durch die Bestimmungen von Basel III).

Jetzt liegt es an den Banken, die Chance zu nutzen und eine bankeigene schenkungsbasierte Crowdfunding-Plattform ins Portfolio aufzunehmen, welche nicht nur die Entwicklung hin zur Digitalisierung unterstützt, sondern auch die soziale und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Bank und Mensch auf regionaler Ebene fördert.

Fußnote

*) vgl. Löhner u.a. 2015, S. 12

Literaturverzeichnis

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Zur Autorin

Verena Plattner, BranchConsult AJC GmbH, Schwaz

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