Kommunalfinanzierung

Crowdfunding - Wie Bürger ihrer Kommune Geld leihen können

Johannes Laub, Geschäftsführer, CrowdDesk GmbH, Frankfurt am Main

Quelle:  CrowdDesk GmbH

Bereits 2009 wollte sich die niedersächsische Stadt Quickborn rund vier Millionen Euro für die Sanierung mehrerer Schulgebäude und die Erweiterung der Feuerwehrwache durch Crowdfunding bei privaten Anlegern besorgen. Doch die Kommunalaufsicht und die BaFin meldeten Bedenken an: Sie sahen in dem Bürgerdarlehen ein Bankgeschäft, das Kommunen generell nicht gestattet ist. Die Stadt durfte keine neuen Bürgerkredite mehr aufnehmen, musste die bestehenden Kreditverträge aber immerhin auch nicht rückgängig machen.

Im August 2011 schließlich ging mit "Leih Deiner Stadt Geld" ein Modell an den Start, mit dem Bürgerkredite rechtlich einwandfrei funktionieren. Diese Crowdinvesting-Plattform dient dabei kommunalen Kunden als zentraler Dienstleister, der das Einsammeln von Bürgergeldern projektbasiert übernimmt. Als vorgeschriebener Bankpartner fungiert die Münchener Fidor Bank AG. Im Unterschied zur Bürgerfinanzierung in Quickborn haben sich die Plattform-Gründer statt einer Mindesteinlage von 5 000 Euro zudem für eine deutlich geringere Kreditschwelle von 100 Euro entschieden.

Konkret funktioniert das Ganze wie folgt: Eine Kommune benötigt einen Kredit in Höhe von zwei Millionen Euro für die Sanierung einer Schule. Davon schreibt sie 700 000 Euro als Bürgerkredit aus, für den sie den Anlegern eine Rendite von einem Prozent mit einer Laufzeit von drei Jahren verspricht. Das Projekt wird auf der Plattform eingestellt und innerhalb der Stadt, etwa durch die lokalen Medien, Flyer, Aushänge und Informationsveranstaltungen, bekannt gemacht. Die interessierten Bürger gehen auf die Plattform und können nun so einfach wie bei einer Onlinebestellung in das Vorhaben investieren.

Vorreiter Oestrich-Winkel

Um im Sinne des Datenschutzes nur die nötigsten Daten erheben zu müssen, gibt es keine Einzugsermächtigung, sondern die Investitionen werden überwiesen. Außerdem kann der Kreditgeber anstelle des von der Kommune festgelegten Höchstsatzes einen niedrigeren Zins auswählen und ihr so die Differenz spenden. Nachdem das Geld vollständig auf dem Treuhandkonto ist, vergibt die Fidor Bank einen Kredit an die Kommune in der Höhe der eingesammelten Bürgerkredite. Den Bürgern wiederum überträgt sie ihren äquivalenten Anteil des Kommunalkredits.

Die erste erfolgreiche Finanzierung konnte die Plattform in der hessischen Stadt Oestrich-Winkel umsetzen. Dort benötigte die freiwillige Feuerwehr 44 Handsprechgeräte für den modernen Digitalfunkstandard. Mithilfe des Crowdinvestings durch die Bürger war die Finanzierung der Funkgeräte nach rund drei Wochen Angebotsphase sichergestellt. Die Anleger bekamen im Gegenzug bei einer festgesetzten Laufzeit von sechs Jahren eine Rendite von 0,76 Prozent auf ihre Investition.

Obwohl das Geschäftsmodell also durchaus tragfähig ist, gab es auf der Plattform seitdem keine weiteren Projekte. Die Gründe dafür sind vielfältig: So beträgt die Anlaufzeit einiger kommunaler Projekte, über deren Finanzierung zurzeit verhandelt wird, mitunter mehrere Jahre. Viel wichtiger ist aber, dass zahlreiche Kommunen von vornherein von einer Bürgerbeteiligung absehen, weil sie einen organisatorischen Mehraufwand fürchten. Hinzu kommt die Skepsis vieler Kämmerer gegenüber dem noch nicht lange etablierten Kreditvermittlungsmodell, von dem sie befürchten, dass es dieses vielleicht schon bald nicht mehr geben könnte.

Aktuell wird mit einem namhaften Finanzdienstleister an neuen Möglichkeiten gearbeitet, die "Leih Deiner Stadt Geld" noch attraktiver machen sollen. Darüber hinaus wurde bereits 2013 mit "Leih Deiner Umwelt Geld" eine auf die Bereiche erneuerbare Energie und Energieeffizienz spezialisierte Plattform gegründet, die sich an Projektträger wie Genossenschaften, kommunale Unternehmen oder privatwirtschaftliche Unternehmen richtet. Seit dem Start wurden über diese Plattform 24 Projekte im Volumen von insgesamt über fünf Millionen Euro finanziert beziehungsweise refinanziert - teils aus Bürgerhand, teils partnerschaftlich mit lokalen und überregionalen Finanzpartnern. Unter den Projekten befinden sich Photovoltaikund Windkraftanlagen, Blockheizkraft- und Biomasseheizwerke sowie Energieeffizienzmaßnahmen und eine Biogasveredelungsanlage.

Kommune und Bürger profitieren

Die Vorteile des Bürgerkredits liegen auf der Hand: Die Kommune erhält ein zeitlich beschränktes Darlehen, das etwas zinsgünstiger ist als Kommunalkredite von Geschäftsbanken. Darüber hinaus entwickeln die Bürger durch ihre Beteiligung eine gewisse Sensibilität für die Ausgaben der Kommune und erfahren, wie teuer einzelne Anschaffungen und Projekte tatsächlich sind. Das wiederum stärkt die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Der Bürger und Kreditgeber wiederum bekommt im Idealfall mehr Zinsen, als wenn er sein Geld auf dem Sparbuch parkt und profitiert nicht zuletzt auch von der Sicherheit, die die öffentliche Hand als Kreditnehmer bietet. Zudem kommt er mitunter in den Genuss der Nutzungsmöglichkeiten der umgesetzten Projekte, etwa bei Kindergärten, Schulen oder Gemeindezentren. Und das Beste: Der Bürger weiß die ganze Zeit über, wofür sein Geld genutzt wird.

Schwarmfinanzierung über solche Plattformen sind nicht ganz ohne Risiko. Im Insolvenzfall des Projektträgers kann es sogar zu einem Totalverlust für den Anleger kommen. Doch dazu ist es auf "Leih Deiner Umwelt Geld" bisher noch nicht gekommen. Damit das auch in Zukunft möglichst so bleibt, achten die Verantwortlichen bei der Projektauswahl darauf, das Risiko möglichst gering zu halten und greifen unter anderem auf externe Gutachten zurück, zum Beispiel von Allianz Climate Solutions (ACS).

Die Autoren:

Johannes Laub, Geschäftsführer, Jamal El Mallouki, Geschäftsführer, beide CrowdDesk GmbH, Frankfurt am Main

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