Gastkommentar

Der Elefant im Raum

Die ins Straucheln geraten Offenen Immobilienfonds sollen auf ein solideres Fundamente gestellt werden. Dazu hat das Kabinett im "Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz" auch die Änderung des Investmentgesetzes beschlossen. So werden Fristen und Abschläge für die Rückgabe von Anteilen vorgesehen und zur Beschaffung der dafür notwendigen Liquidität dürfen die Fonds auch Immobilien mit gestaffelten Abschlägen auf den Verkehrswert veräußern. Dabei werden jedoch halte- und rückgabewillige Anleger gleich behandelt. Zur Problematik dieser Regelung schreibt Gernot Archner der Redaktion: Wenn man in diesen Tagen mit politisch Verantwortlichen oder mit Vertretern der Branche der Offenen Immobilienfonds spricht, kann man den Eindruck gewinnen, dass die nun anstehende Reform der Offenen Immobilienfonds mit Haltedauern, Rücknahmeabschlägen und einem monatlichen Freibetrag von 5000 Euro für alle Anleger sowie einem weitgehenden Bestandsschutz für Altanleger die "Kuh vom Eis" bringen wird. Mit Blick auf den künftigen Rechtsrahmen bleibt eine Portion Skepsis angebracht, solange im parlamentarischen Verfahren der eigentliche Elefant im Raum nicht anlegergerecht adressiert wird. Es handelt sich um die Regelung zur Aussetzung der Anteilscheinrücknahme nach § 81, wonach zur Liquiditätsbeschaffung binnen zwei Jahren Immobilien zu "angemessenen Bedingungen" veräußert werden müssen. Die Erfahrungen der letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass der Einkauf von Immobilien mit anderer Leute Geld eine Sache ist und der interessewahrende Verkauf von fremdverwalteten Immobilien unter Druck in einem schwierigem Marktumfeld eine vollkommen andere. Dies soll nicht heißen, dass die Immo-bilien-Kapitalanlagegesellschaften erst noch das Verkaufen von Immobilien lernen müssten, wenngleich man bei dem ein oder anderen eingefrorenen Fonds den Eindruck gewinnen konnte. Schließlich wurden seit Beginn der Dekade Fondsimmobilien mit einem Volumen von annähernd 40 Milliarden Euro im Going Concern, das heißt ohne Fondsschließung und Verkaufszwang, zu beziehungsweise oberhalb der zuletzt ermittelten Verkehrswerte verkauft. Die Immobilienwelt sieht für einen unter Verkaufszwang stehenden Asset Manager aber gänzlich anders aus, wenn in einem schwierigen Marktumfeld bei einem Produkt mit weitgehend transparenten Objektdaten sowohl Käufer als auch Mieter die öffentlich bekannte Zwangslage weidlich ausnutzen können. Mit dem Treffen von Verkehrswerten, die per definitionem einen "gewöhnlichen Geschäftsverkehr" ohne Verkaufszwang voraussetzen, hat ein Verkauf in diesem Umfeld nichts mehr zu tun. Dennoch verlangt der Gesetzgeber, dass die unabhängigen Sachverständigenausschüsse auch in der Aussetzungsphase weiterhin Verkehrswerte ermitteln und die Fondsmanager die Objekte nur zu "angemessenen Bedingungen" verkaufen dürfen, ohne zugleich klarzustellen, in welcher Größenordnung ein Verkauf unter Verkehrswert noch als angemessen gilt. An dieses Problem knüpft nun der Regierungsentwurf zum Anlegerschutzgesetz an, der den im Zeitverlauf ansteigenden Zwangsverkaufscharakter der Norm betont und die zulässigen "Steiggebote" im zweiten Jahr der Aussetzung auf 90 Prozent der aktuellen "Verkehrswerte" und im dritten Jahr auf 80 Prozent festgelegt und schlussendlich sogar einen Zwangsverkauf ohne jegliche Gebotsgrenze bei einem Anlegerquorum von mindestens 30 Prozent zulässt. Bei einem maximalen Kredithebel von 50 Prozent läuft dies bei einem wegen Liquiditätsmangel eingefrorenen Fonds auf einen gesetzlich erlaubten Vermögensverlust durch Zwangsverkäufe von gegebenenfalls weit über 30 Prozent hinaus, wenn man Verluste durch Vorfälligkeitsentschädigungen für Kredite und Hedges einrechnet. Der Regierungsentwurf, aber auch bereits die heutige Rechtslage nach maßgeblicher Auslegung durch die Bankenaufsicht, zwingt die rückgabewilligen wie bestandswilligen Anleger in ein gemeinsames Zwangsverkaufs-Boot, obgleich ihre Interessen in entgegensetzte Richtungen laufen. Der Regierungsentwurf geht sogar noch einen entscheidenden Schritt weiter und schlägt sich bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen auf die Seite der rückgabewilligen Anleger zulasten der bestandswilligen Investoren, obgleich ein um jeden Preis rückgabewilliger Anleger jederzeit mit liquidationskonformen Abschlägen über die Börse aussteigen kann. Die bei einem Zwangsverkauf den bestandswilligen Anlegern möglicherweise entstehenden Verluste entsprechen dem durchschnittlichem Gesamtertrag der Anlage von über sechs Jahren. Wenn man nun bedenkt, dass nach GfK-Untersuchungen private Anleger Offene Immobilienfonds durchschnittlich ebenfalls sechs Jahre halten, wird das Produkt aus Sicht langfristig orientierter Anleger vor dem Hintergrund zunehmend kürzerer und stärker korrelierter Marktzyklen und einem weiterhin bestehenden Risiko von zukünftigen Finanzkrisen im besten Fall auf ein Nullsummenspiel hinauslaufen. Kein Direktanleger würde heute eine Immobilie kaufen, wenn er innerhalb der nächsten Jahre mit deren Zwangsverkauf in einem gegebenenfalls schwierigem Marktumfeld rechnen muss. Warum sollten Fondsanleger, Vertriebe und Berater anders denken? Bei latent drohenden Vermögensverlusten in dieser Größenordnung werden auch Haltedauern und Rücknahmeabschläge von fünf bis zehn Prozent im Fall der Fälle nicht das Brechen des Dammes aufhalten können. Was also ist zu tun? Der BVI hat für den ein oder anderen Beobachter spät und für den ein oder anderen Marktteilnehmer vielleicht auch zu spät, aber in der Sache doch einen sehr passablen und letztlich auch alternativlosen Vorschlag gemacht, wie Zwangsverkäufe und dadurch bedingte Verluste für die bestandswilligen Anleger vermieden werden können und zugleich die rückgabewilligen Anleger schneller als heute an ihr Geld kommen, aber verursachungsgerecht allein sie die Verluste durch Zwangsverkäufe zu tragen haben. Es ist zu hoffen, dass die Politik sich im Interesse der langfristig orientierten Privatanleger diesen Vorschlag rasch zu eigen macht und ihn nicht nur deshalb verwirft, weil er aus der Finanzbranche kommt. Dr. Gernot Archner, Geschäftsführer Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen e. V., Frankfurt am Main

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