Immobilien an der Börse

"Eine Immobilien-AG muss mehr denn je immobiliär aufgestellt sein"

Welche Kompetenzen muss der Vorstand einer Immobilien-Aktiengesellschaft in der aktuellen Marktlage mitbringen? Als erstes ist heute sicherlich Krisenerfahrung gefragt. Zweitens verlangt das aktuelle Marktumfeld von den Vorständen deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mehr Immobilien- und Finanzierungswissen als Kapitalmarkt-Know-how. Denn wir erleben derzeit, dass sich die Entwicklung der Immobilienaktien von den Fundamentaldaten der Unternehmen abgekoppelt hat und stärker von der allgemeinen Stimmung an den Kapitalmärkten abhängen. So hat auch die DIC Asset AG zunächst erst starke Kursverluste und zuletzt eine leichte Kurserholung verzeichnet, ohne dass es erkennbar eine relevante Nachricht aus der Gesellschaft heraus gab. Und drittens müssen die Vorstände heute mehr denn je Integrationsfiguren im Unternehmen sein, die den Mitarbeitern Sicherheit geben sowie klar kommunizieren, wo die Reise hingeht, welche Perspektiven die Gesellschaft und das Geschäftsmodell haben und inwieweit die Strategie noch angepasst werden muss. Wie muss eine erfolgreiche Immobilien-AG heute aufgestellt sein? Mehr denn je muss eine Immobilien-AG heute immobiliär aufgestellt sein. Das klingt zunächst merkwürdig, doch der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass einige Gesellschaften zum Teil deutlich anders aufgestellt und ausgerichtet waren. Das eigentliche Kerngeschäft rückt wieder in den Mittelpunkt. Wie geht man mit seinen Immobilien um? Wo sollte investiert und wo verkauft werden? Wie können die Bestandsmieter und Kunden gepflegt oder neu gewonnen werden? Zur Lösung dieser Fragen ist originäre Immobilien-Kompetenz gefragt. Wenn das gegeben ist, stellen sich auch die Fragen der Finanzierung anders dar. Schwieriger haben es dagegen Unternehmen, die sich zu sehr oder ausschließlich auf die Kapitalmarktseite konzentrierten. Aber funktioniert unter den gegebenen Umständen - also der geringen Finanzierungsbereitschaft der Banken, der niedrigen Zahl an Immobilientransaktionen und den fallenden Preisen sowie wachsenden Leerständen - noch der Verkauf von Immobilien, wie es das Geschäftsmodell der DIC Asset AG vorsieht? Die Marktbedingungen sind ohne Zweifel schwieriger, aber wir können weiterhin Objekte verkaufen - wenn auch weniger als früher. Immerhin haben wir aber zum Beispiel im Jahr 2008 mehr Gebäude verkauft als im guten Immobilienjahr 2006. Und durchschnittlich lag der Verkaufspreis im vergangenen Jahr um acht Prozent über dem ermittelten Net Asset Value (NAV). Konkret wurden für knapp 100 Millionen Euro Immobilien verkauft, das sind immerhin fast vier Prozent des Bestandes. Dies gelingt freilich nur mit einem klaren Geschäftsmodell, wie der strikten Fokussierung auf deutsche Gewerbeimmobilien, und einer tiefen Verwurzelung im deutschen Immobilienmarkt. So haben wir auch Käufergruppen wie zum Beispiel Privatinvestoren erschließen können, an die grundsätzlich schwieriger heranzukommen ist. Dieser Kreis fragt vor allem Wohnungen und kleinere Gewerbeobjekte nach, deren Einzelvolumen im Wesentlichen zwischen drei und 15 Millionen Euro liegt. Solche Immobilien haben wir auch im Portfolio und können sie demzufolge auch anbieten. Im Privatkundensegment ist darüber hinaus das Investitionsverhalten nicht so volatil wie bei institutionellen Anlegern, die Eigenkapitalquote ist höher und die Fremdfinanzierung daher einfacher darzustellen. Wird es Notverkäufe geben? Im Markt werden die Stresssituationen innerhalb der nächsten zwei Jahre zunehmen, doch werden viele davon wahrscheinlich still abgewickelt. An der einen oder anderen Stelle werden auch Banken die Hand auf non-recourse-finanzierte Immobilien legen und nach Lösungen suchen. Das kann den Verkauf oder den Workout bedeuten. Wie schwierig ist im Moment die Neuvermietung? Neuvermietungen sind derzeit sicherlich mehr als schwierig, denn der Mieter denkt derzeit eher über Kostenbegrenzung nach und nicht über Expansion. Zudem rechnen wir mit steigender Arbeitslosigkeit beziehungsweise Freisetzungen, sodass es auch im gewerblichen Segment Flächenanpassungen geben wird. Umzüge sind dagegen kaum zu erwarten. Denn erstens schafft der Wechsel in kleinere Flächen unter den betroffenen Mitarbeitern viel Unruhe und Sorge um die Zukunft des Unternehmens sowie den eigenen Arbeitsplatz. Zweitens wird es für ein Unternehmen in der allgemeinen Krise sehr schwer zu kommunizieren sein, jetzt in ein schöneres, besser gelegenes oder moderneres Gebäude zu ziehen. Damit wird man warten, bis der Aufschwung wieder erkennbar beziehungsweise spürbar ist. Trotzdem muss kaufmännisch auf die veränderte Marktlage reagiert und der Mieter intensiver gepflegt werden. In unseren gewerblichen Objekten haben wir rund 1 600 Mieter. Das bedeutet hohe Diversifizierung und viel Arbeit in der Mieterbetreuung. Im Gegenzug ist aber durch diese Risikodiversifizierung auch der Cash-Flow wesentlich stabiler und die Abhängigkeit von wenigen Großmietern, die derzeit ihren Flächenverbrauch deutlich reduzieren, geringer. So gelingt es uns besser als in der Unternehmensplanung erwartet, die Mieter durch Anschlussmietverträge - sogenannte Renewals - im Objekt zu halten. Allerdings sind auch die Neuvermietungsquoten geringer als in den Vorjahren. Insgesamt hat das Unternehmen bisher eine bessere Vermietung als von uns prognostiziert. Wie müssen Mieter heute gepflegt werden? Im Grunde müssen Mieter so gepflegt werden, wie sie immer gepflegt worden sein sollten. Der Vermieter beziehungsweise Eigentümer muss nahe am Objekt sein und Verständnis für die Bedürfnisse des Mieters haben. Mieterzufriedenheit ist eine große Herausforderung, aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Erst danach kommen die kaufmännischen Aspekte wie Miethöhe, vergleichbare Mieten, Incentives und Technik. Natürlich wird in einem Marktumfeld, wie wir es aktuell erleben, Druck von den Mietern auf den Vermieter ausgeübt. Die Frage ist aber, wie dieser Druck aufgebaut wird. Wer vorher eine hohe Mieterzufriedenheit und Mieterbindung im Objekt geschaffen hat, wird weniger Probleme, mehr Dialogbereitschaft und am Ende dadurch vielleicht auch einen etwas besseren Mietpreis bekommen. Wie viele Immobilien-Aktiengesellschaften werden die momentane Krise überleben? Die Konsolidierung unter den Immobili-en-Aktiengesellschaften wurde schon häufig vorhergesehen, aber sie ist längst noch nicht so weit wie erwartet. Eine börsennotierte Immobilien-Aktiengesellschaft in Deutschland zu übernehmen ist aber auch wenig attraktiv. Denn die Rahmenbedingungen angefangen von den Berichtspflichten bis hin zu einem möglichen Squeeze-out sind so schwierig, dass der Aufwand meist in keinem Verhältnis zum Marktvolumen der meisten Gesellschaften steht. Direktinvestments sind dann oft einfacher. Vielleicht wird die eine oder die andere Gesellschaft von der Börse genommen. Auch Insolvenzen - aber nicht nur von Immo-bilien-Aktiengesellschaften - sind nie auszuschließen. Betrachtet man aber das Verhältnis von Börsenkurs und NAV, dann sollte doch die Differenz groß genug sein, um auch einen etwas höheren Aufwand für die Übernahme, den Squee-ze-out und das Delisting zu rechtfertigen. Sind die Immobilien über die Gesellschaft nicht billiger zu haben als im Direkterwerb? Im Prinzip sind viele Gesellschaften unterbewertet und müssten daher als Kaufobjekte attraktiv sein. Doch gibt es neben dem NAV auch noch andere Kriterien, wie zum Beispiel die Verschuldung oder die Finanz- und Gesellschafterstruktur, die den Wert einer Immobilien-AG für den potenziellen Erwerber soweit schmälern können, dass der Erwerb auch bei einem aktuell niedrigen Börsenkurs nicht lohnenswert erscheint. NAV oder Börsenkurs - wie sind börsennotierte Immobilien richtig bewertet? Wir haben einige Zeit sehr gute Erfahrungen an der Börse gemacht und hatten teilweise Bewertungen deutlich über NAV. Eine solche Übertreibung sehe ich ähnlich kritisch wie die Unterbewertung, die wir jetzt registrieren. Ich warne aber vor kurzfristigem Denken. Aus der Tatsache, dass es innerhalb der letzten zwei Jahre ein sehr großes Auf und Ab der Kurse gegeben hat, kann nicht geschlussfolgert werden, dass die Bewertung von Immobilien an der Börse oder dass die börsennotierte Immobiliengesellschaft versagt hat. Wichtig und erfolgsentscheidend sind ein langfristig stabiles und belastbares Geschäftsmodell. Dazu zählt natürlich auch eine transparente Bewertung. Und hier zeigt sich, dass der Fair-Value-Ansatz eine enorme Volatilität in die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanzstruktur bringt. Exorbitanten, aber nicht realisierten Gewinnen in guten Zeiten stehen entsprechende Verluste im Abschwung gegenüber - mit stark destabilisierenden Wirkungen in der Bilanz. Solange die Objekte nicht verkauft werden, stehen der Wertzuwachs aber auch die Wertminderung nur auf dem Papier. Deshalb setzt die DIC ihre Immobilien gemäß dem Cost Accounting zu Anschaffungskosten an. Wir zeigen in der Gewinn- und Verlustrechnung praktisch keine Gewinne aus der Bewertung von Immobilien. Mit dieser Praxis haben wir in Boomzeiten eher unterdurchschnittliche Gewinnausweise, aktuell aber trotz des schwierigen Umfelds immer noch schwarze Zahlen, die die tatsächliche Cash-Situation abbilden. Passt die Immobilie an die Börse? Können Bestandshalter eine Story liefern, die Aktionäre spannend finden? Durchaus! Allein schon aufgrund ihrer enormen, leider immer noch unterschätzten, wirtschaftlichen Bedeutung gehört die Immobilienwirtschaft an die Börse, denn sie steht hinsichtlich Umsatz und Beschäftigung anderen wichtigen Wirtschaftszweigen in nichts nach. Bezogen auf unsere Börsenstory: Die DIC verfolgt eine Doppelstrategie. In erster Linie besteht unser Geschäft aus der Bestandspflege des Immobilienportfolios, um daraus stabile Mieteinnahmen und Wertsteigerungen zu generieren. Daneben sieht unsere Trading-Philosophie vor, im Jahr drei bis sechs Prozent des Portfolios zu verkaufen - einerseits aus Gründen der Portfoliodiversifizierung und -optimierung sowie andererseits um cash-relevante Gewinne zu zeigen. Dieses Modell erzeugt Stabilität, aber auch genügend Phantasie für nachhaltigen Wertzuwachs. Dennoch gewichteten Sie im Jahr 2008 ihr Portfolio stärker auf Value Added, während es 2007 noch Core-lastiger war. Steckt dahinter ein Strategiewechsel? Wollen Sie aufregender werden? Unsere Strategie bleibt bestehen. Wir werden immer zwischen 40 und 45 Prozent Core-Objekte haben. Das ist unsere Basis aus langfristig, stabil vermieteten Immobilien. Value Added soll immer etwa 45 Prozent ausmachen, während zehn bis 15 Prozent des Portfolios aus opportunistischen Objekten bestehen wird, die aktiv gemanagt und entwickelt werden. Wird sich das beachtliche Wachstum des operativen Cash-Flows von 75 auf 120 Millionen Euro auch 2009 fortschreiben lassen? Nein. Hier machten sich im vergangenen Jahr einige Immobilienankäufe bemerkbar, die sich im Folgejahr bilanziell abbilden. Wir erwarten für 2009 einen leichten Rückgang unserer Mieteinnahmen und damit stabile Cash-Flow-Zahlen. Wenn wir es in diesen Zeiten schaffen, den Cash-Flow zu stabilisieren, dann haben wir gute, substantielle Arbeit geleistet. Mit 196 000 Quadratmetern hatte die DIC im Jahr 2008 eine um 58 Prozent höhere Vermietungsleistung als im Vorjahr. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen? Diese Steigerung ist ein wesentlicher Ausdruck der Qualität unseres Vermietungsteams und hat nicht nur etwas mit den Objektzukäufen zu tun. Zwar haben die Vermittler prinzipiell mehr Masse zur Verfügung, doch war das nicht der Hauptgrund des Wachstums. Ausschlaggebend ist die Ausweitung unseres Filialnetzes. Während wir 2006 nur einen Standort hatten, sind es heute sechs. Damit sind wir näher am Kunden und am lokalen Markt. Um geeignete Objekte, Mieter und Käufer zu finden, ist die Präsenz vor Ort mit eigenen Mitarbeitern ein gewaltiger Vorteil. Wir wollen nah am Markt und nah am Mieter sein! Wie lassen sich Banken heute überzeugen, eine börsennotierte Immobiliengesellschaft zu finanzieren? Das Finanzierungsproblem hat die gesamte Immobilienwirtschaft, nur dass die börsennotierten Gesellschaften unter der Lupe der Öffentlichkeit stehen. Leider wird mitunter der Vorteil der Transparenz an der Börse durch den Reputationsverlust kompensiert, den eine Immobilien-AG bei fallenden Kursen hat, während der Rest der Branche mit seinen "Themen" im Stillen kämpfen kann. Warum unterscheidet der Markt nicht zwischen den Gesellschaften und ihren Geschäftsstrategien? Der Markt ist nie ganz rational und die Börse ist zuweilen sogar launisch. So wird von den Investoren und Analysten - die zu einem erheblichen Teil aus dem angelsächsischen Raum stammen - ein hoher Leverage heute sehr kritisch gesehen. Vor zwei Jahren war das noch kein Malus, doch jetzt folgert man daraus, dass es einen hohen Finanzierungsbedarf geben müsste. Da Kredite derzeit jedoch schwer zu bekommen sind, müsste es doch Probleme geben. Zwar ist die DIC Asset AG zu durchschnittlich 75 Prozent fremdfinanziert. Aber wir haben im Jahr 2009 nur ein Prozent der Kredite zu refinanzieren. In Zahlen sind das 17 Millionen Euro. In den nächsten drei Jahren sind es zusammen nur knapp über fünf Prozent Refinanzierung. Unsere durchschnittliche Zinsbindung beträgt fünf Jahre, was in der Branche der Immobilien-Aktiengesellschaften sehr langfristig ist. Es gibt bis jetzt auch keine Covenant-Brüche. Unsere Finanzstruktur ist außergewöhnlich stabil, das erkennt auch der Markt. Sehen Sie, welcher Anlegertyp ihren Aktienkurs bestimmt - Spezialisten oder Generalisten? Unsere Eigentümerstruktur ist mit 50 Prozent Großaktionären und 50 Prozent Streubesitz sehr stabil. Wir hatten eine Zeitlang relativ viele Hedgefonds im Aktionärskreis, die jedoch bei Ausbruch der Finanzkrise relativ schnell Liquidität freisetzen mussten, sodass unser Kurs von dieser Seite unter Druck geriet. Mittlerweile haben wir einen guten Anteil an immobilienaffinen Anlegern und einen höheren Anteil deutscher Investoren. Was darf ein Aktionär von einer Immobilien-Aktiengesellschaft an Dividende und Wertsteigerung seiner Aktie erwarten? Auf den Kurs bezogen zahlen wir für 2008 eine immer noch attraktive Dividende von über fünf Prozent. Damit liegen wir unter dem Vorjahr als die Dividende 1,65 Euro pro Aktie betrug, was etwa acht Prozent entsprach. Bezüglich der Wertsteigerungsrendite kann im Moment noch keine Aussage getroffen werden, da der Markt noch zu unsicher ist. Unter normalen Bedingungen sollte aber aus dem Portfolio heraus eine Wertsteigerung mindestens in Höhe der Inflationsrate generiert werden. Wo sehen Sie einen fairen Kurs für die DIC-Asset-Aktie? In der langfristigen Betrachtung sicher wieder im Bereich des NAV.

Ulrich Höller , Geschäftsführender Gesellschafter, ABG Real Estate Group
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