Institutionelle Kapitalanlage

Immobilieninvestitionen unter Solvency II - mögliche Handlungsalternativen

Versicherungsgesellschaften stellen einen wesentlichen Part der institutionellen Immobilieninvestoren. Eine Änderung ihres Anlageverhaltens hätte erhebliche Auswirkungen auf die Immobilienbranche insgesamt. Solvency II wird daher von den Marktteilnehmern als große Bedrohung angesehen. Angeheizt wird die Diskussion vorwiegend durch die als zu hoch und zu pauschal angenommenen Risikofaktoren dieser Anlagen sowie die große Unsicherheit mangels konkreter Berechnungen. Solvency II soll das gegenwärtige durch Anlageklassen und -grenzen (Anlageverordnung zu § 54 VAG) gekennzeichnete und für die Versicherungsbranche als nicht hinreichend risikoadäquat empfundene Aufsichtssystem insbesondere durch quantitative Anforderungen an die Eigenmittelunterlegung verbessern und zu einer Harmonisierung im europäischen Finanzsektor führen. Insbesondere die gerade beendete fünfte Auswirkungsstudie zu Solvency II (QIS 5) hat das Bewusstsein für die kommende Revolution im Regelwerk der Versicherungsaufsicht geschärft. Das breite Spektrum der möglichen Folgewirkungen auf die Struktur des Versicherungsmarktes, auf Produkte und Anlagetätigkeit beginnt sich erst jetzt langsam herauszuschälen. Zu den unmittelbar erkennbaren Konsequenzen gehören auch Fragen der Asset Allokation. Immobilieninvestitionen sind grundsätzlich langfristige Investitionen. Daher macht es Sinn, sich schon heute mit den Auswirkungen der Solvency II-Regeln zu beschäftigen, auch wenn die endgültigen Bestimmungen erst ab dem Jahr 2013 gelten sollen und sich die vorliegenden Regelungsentwürfe noch ändern können. Wir gehen zwar davon aus, dass es Übergangsbestimmungen zwischen der heutigen und der künftigen Rechtslage geben wird, momentan liegen diese Regelungen jedoch noch nicht vor. Mechanismen der Kapitalunterlegung Im Folgenden werden die Mechanismen der Kapitalunterlegung unter Berücksichtigung von Solvency II im Vergleich zur Kapitalanlageverordnung (AnlV) betrachtet, die aufsichtsrechtliche Zulässigkeit einzelner Maßnahmen ist nicht Gegenstand der Betrachtung. Die SolvencyII-Regeln wollen analog den bereits für Banken geltenden Vorschriften (Basel II) die Risiken aus Anlagen differenziert nach Assetklassen und Risikoarten mit Eigenmitteln unterlegen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die Eigenmittel nach Solvency II nicht dem Eigenkapital im Sinne des Einzel- oder Konzernabschlusses einer Versicherung entsprechen, sondern einer SolvencyII-Bilanz, die grundsätzlich nach eigenen Regeln aufgestellt wird. Immerhin soll in den meisten Bereichen - abgesehen von der Bilanzierung der Versicherungsverträge - eine Kompatibilität mit IFRS hergestellt werden. Die Standardformel nach Solvency II, die in vielen EU-Ländern bei der großen Mehrzahl der Versicherungsunternehmen gegenüber einem ebenfalls möglichen internen Modell zum Einsatz kommen wird, differenziert innerhalb einer Grobstruktur der Kapitalanlagen nur in begrenztem Umfang nach dem tatsächlichen Risikoprofil der Anlagen. Danach soll eine Immobilieninvestition in der ersten Berechnungsstufe grundsätzlich eine Kapitalanforderung (Solvency Capital Requirement - SCR) in Höhe von 25 Prozent des Marktwerts der Immobilie zur Folge haben. Dieser Anrechnungssatz ist abgeleitet aus monatlichen "UK IPD Total Return"-Daten, dem nach CEIOPS Verständnis europaweit wichtigsten Immobilienindex sowie auf Basis der Annahme eines Insolvenzfalls innerhalb von 200 Jahren. Für Projektentwicklungen wird ein SCR von 39 bis 59 Prozent des Marktwerts verlangt. Auch die indirekten (über Beteiligungen oder Fonds getätigten) Immobilieninvestments unterliegen dem SCR-Satz von 25 Prozent, soweit der sogenannte "Look through approach" zum Tragen kommt. Dieser Ansatz bedeutet, dass als Berechnungsbasis für die Kapitalanforderung an Stelle des Werts der Anteilsposition auf den Marktwert der Immobilienanlagen des Vehikels selbst geschaut wird, an dem das Versicherungsunternehmen beteiligt ist. Kommt der Look-through-Ansatz nicht zur Anwendung, erfolgt die Eigenmittelunterlegung der Anteile entsprechend dem für Aktien/Beteiligungen geltenden Unterlegungssatz. Da diese gegenüber Immobilien grundsätzlich als Investitionen mit einem höheren Risiko gelten, lautet der Kapitalbedarf für in der EU oder einem OECD-Land an einem regulierten Markt notierte Aktien in der ersten Stufe daher auf einen Wert zwischen 29 und 49 Prozent des Marktwerts, je nach historischer Marktentwicklung des MSCI World am betrachteten Stichtag. Die Unterlegung von nicht notierten Beteiligungen erfolgt in Höhe von 39 bis 59 Prozent des Marktwerts der Beteiligung. Eine Besonderheit bilden die sogenannten strategischen Beteiligungen, wo die SCR-Unterlegung auf 22 Prozent fällt. Insgesamt wird somit das individuelle Risikoprofil des jeweiligen Immobilienportfolios aufgrund des einheitlichen Unterlegungssatzes und der Ableitung dieses Unterlegungssatzes aus UK-Immobilienindizes nicht berücksichtigt, einzig die Auswirkung des Leverage einer Immobilieninvestition auf das Risikoprofil wird bei Fondslösungen - anders als bei den Beteiligungen - exakt abgebildet. So bevorzugt die neue Regelung tendenziell höher rentierliche und daher riskantere Immobilieninvestments gegenüber konservativen Anlagen. Eine weitere wichtige Eigenschaft insbesondere konservativ ausgerichteter Immobilien schlägt sich ebenfalls nicht in der Kapitalanforderung nieder: ihre Fähigkeit, langfristig stabile und sichere Zahlungsströme zu generieren, die im Asset-Liability-Management eines Personenversicherers zur Bedeckung der langfristigen Auszahlungsverpflichtungen dienen können. Bei der Ermittlung des Zinsänderungsrisikos, der bei weitem dominierenden Risikokategorie in der deutschen Personenversicherung, bleiben die das Zinsänderungsrisiko positiv beeinflussenden Wirkungen dieser Immobilien-Cash-Flows außen vor. Bedeutet dies nun, dass Versicherungsunternehmen für alle Immobilien (auch die selbst genutzten) künftig Eigenkapital in Höhe eines Viertels des Marktwerts reservieren müssen? Das ist nicht der Fall, weil die in der Standardformel begrenzt vorgesehene Diversifikation sowie risikodämpfende Effekte aus latenten Steuern und der Gewinnbeteiligung der Versicherungsnehmer am Ende zu einem signifikant niedrigeren Verhältnis von Kapitalbedarf und Marktwert der Immobilie führen. Die 25 Prozent sind jedoch für den Vergleich mit anderen Assetklassen von Bedeutung. Die Kapitalanforderung beispielsweise für eine Industrieanleihe mit BBB-Rating und Restlaufzeit von fünf Jahren bewegt sich je nach Zinsniveau bei etwa zehn Prozent vom Marktwert. Auswirkungen von Fremdfinanzierung Wichtig bei dem Vergleich der verschiedenen Unterlegungssätze ist zu unterscheiden, dass sich bei Fondslösungen und damit im Look-through-Ansatz die SCR-Unterlegung (25 Prozent) einer Immobilie auf den Verkehrswert der Immobilie bezieht, während bei einer Beteiligung (39 bis 59 Prozent) der Verkehrswert der Beteiligung zu unterlegen ist. Dies hat Auswirkungen auf die Eigenkapitalunterlegung insbesondere bei Fremdfinanzierung (Leverage), was das Berechnungsbeispiel in Abbildung 1 zeigt. Absolut betrachtet bewirkt die steigende Fremdfinanzierung im Beteiligungsfall eine sinkende Eigenmittelunterlegung (von 51 auf 15 bei 75 Prozent Fremdfinanzierung), während sie im Look-through-Ansatz mit 26 Prozent konstant ist. Bezogen auf den Anteilsschein hat Leverage im Look-through-Ansatz zur Folge, dass sich der potenzielle Wertverlust und damit die Eigenmittelunterlegung mit steigender Fremdfinanzierung erhöht (von 25 Prozent auf 87 Prozent bei 75 Prozent Fremdfinanzierung), während die Beteiligung mit einem konstanten Satz (hier 49 Prozent) unabhängig davon unterlegt wird, wie viel Fremdkapital das Beteiligungsunternehmen aufgenommen hat. Im Beispiel führt ab einer Fremdfinanzierungsquote von etwas über 50 Prozent die Anwendung des Beteiligungsansatzes zu einer günstigeren SCR-Behandlung als der Look-through-Ansatz. Sollten sich die Wertzuwächse anders als im Beispiel nicht vollständig im Beteiligungsmarktwert widerspiegeln, würde bereits eine Fremdfinanzierungsquote von unter 50 Prozent zu einer günstigeren SCR-Unterlegung führen. Spannungsfeld von Solvency II und AnlV Wenn eine Versicherung heute die Entscheidung für eine Immobilieninvestition tätigen möchte, die dem sogenannten Sicherungsvermögen zugeordnet werden soll, muss sie sich an der geänderten Anlageverordnung zu § 54 VAG, die zum 1. Juli 2010 in Kraft getreten ist, orientieren. Die AnlV bestimmt im Gegensatz zu den Solvency II-Regeln, die ab dem Jahr 2013 geltendes Recht sein sollen, keine Eigenkapitalhinterlegung von Investitionen, sondern orientiert sich an einer gewissen Diversifikation der Kapitalanlagen unter Berücksichtigung der Gesetze, denen diese Kapitalanlagen unterworfen sind. Dabei ist es grundsätzlich immer vorteilhaft, die direkten wie auch die indirekten Immobilieninvestitionen der sogenannten Immobilienquote der Versicherung nach der Anlageverordnung zuordnen zu können. Direktinvestments werden nach Solvency II einheitlich mit Eigenmitteln in Höhe von 25 Prozent des Marktwerts der Immobilie belegt. Die Belegenheit (EWR-/OECD-Land) als Voraussetzung für die Zuordnung zur Immobilienquote nach AnlV ist dabei nicht mehr maßgeblich. Für indirekte Immobilieninvestitionen soll der in Abbildung 2 dargestellte Entscheidungsbaum die Anforderungen der Anlageverordnung mit den Regeln von Solvency II verbinden: Grundsätzlich kommt bei "Collective Investment Vehicle" der Look-through-Ansatz zum Tragen. Dieser Begriff wurde mit Fondsstrukturen gleichgesetzt, an denen sich das Versicherungsunternehmen passiv beteiligt und eine dritte Person (Fondsmanager, KAG, Managementgesellschaft) die Geschicke des Fonds leitet. Ohne dass dies bereits eine gesicherte Erkenntnis wäre, erscheint es plausibel, dass ein "Collective Investment Vehicle" in diesem Sinne nicht mehr vorliegt, wenn das Versicherungsunternehmen im Sinne von § 12 Abs. 1 Siebente Richtlinie 83/349/EWG an dem Investitionsvehikel beteiligt ist (related undertakings) und einen wesentlichen Einfluss auf die Leitung des Unternehmens hat. Bei Beteiligungen zwischen null und 20 Prozent kann es sich um Fondsvehikel handeln, bei denen die SolvencyII-Regeln dem Look-through-Approach folgen oder um Vehikel, die nach den Solven-cyII-Regeln der Risikoklasse Equity/Beteiligung zugeordnet werden, insbesondere dann, wenn die Informationslage für die Anwendung des Look-through-Ansatzes nicht ausreichend ist. Insoweit besteht ein Gestaltungs- und Auslegungsspielraum in der Abgrenzung der Investitionsvehikel. Grundsätzlich hat das Investitionsvehikel somit dann einen Beteiligungscharakter, wenn die Beteiligung in irgendeiner Form zu konsolidieren wäre. Will man jedoch die SCR-Unterlegung für eine Beteiligung (Equity) erreichen, muss eine Vollkonsolidierung vermieden werden, da in diesem Fall bei der Berechnung der Kapitalanforderung auf Ebene der Versicherungsgruppe sowohl die Wirtschaftsgüter der Aktiv- als auch die der Passivseite des Investitionsvehikels in die Ermittlung des SCR einbezogen würden. Eine weitere Neuerung der Anlageverordnung ist, dass Gesellschafterdarlehen, die an Immobilienunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14 a AnlV gegeben werden, auch der Immobilienquote zugeordnet werden, wenn sie die Voraussetzungen von § 69 InvG erfüllen (nicht höher als 50 Prozent des Immobilienverkehrswertes, grundpfandrechtlich gesichert). Die Anlageverordnung lässt somit zwei Formen der "indirekten" Immobilienanlage zu, die unterschiedliche SCR-Unterlegungsanforderungen nach den SolvencyII-Regeln haben und folglich Raum für Optimierung lassen. Dabei ist interessant, dass der dort dargestellte Geschlossene Fonds, dessen Anteile der Immobilienquote zugeordnet werden können, in Deutschland nach gegenwärtigem Recht wegen fehlender Finanzaufsicht durch die BaFin gar nicht möglich ist. Insoweit bietet sich ein FCP nach Luxemburger Recht an. Möglicherweise wird die Umsetzung der AIFM-Richtlinie in deutsches Recht ein solches Vehikel auch nach deutschem Recht ermöglichen. Die Handlungsalternativen Die SolvencyII-Regeln (Standardansatz) scheinen die Investition in Beteiligungen gegenüber Fonds und der Direktanlage in Immobilien zu bevorzugen. Dies hängt jedoch stark davon ab, wie viel Fremdkapital das Investitionsvehikel nutzt und wie hoch die SCR-Anforderung bei der Beteiligung tatsächlich ist. Will man bei Fonds hin zum Beteiligungsansatz und weg vom Look-through-Ansatz, gibt es Strategien, wie zum Beispiel die Veränderung des eigenen Einflusses auf das Investitionsvehikel oder die Zwischenschaltung einer Holding. Auch sehen sich Versicherungen und Fondsinitiatoren derzeit der Schwierigkeit ausgesetzt, für aktuell aufzusetzende Strukturen die derzeit gültigen Vorschriften der Anlageverordnung mit den künftigen Regeln von Solvency II in Einklang zu bringen. Sobald dies zu einer nachgelagerten Veränderung der Gesellschaftsstruktur führt, müssen auch Folgeänderungen wie beispielsweise die steuerlichen Folgen insbesondere hinsichtlich der Grunderwerbsteuer genau betrachtet werden. Der Vorwurf, dass der für die meisten Versicherungen maßgebende Standardansatz nach Solvency II das tatsächliche Risiko in der Immobilie zu wenig differenziert und in der Regel zu hoch einschätzt, scheint berechtigt. Gleichzeitig fordert die Versicherungsbranche verstärkt eine Verschlankung der Berechnungsregeln, da die hohe methodische Komplexität der Standardformel viele Versicherungsunternehmen bereits jetzt schon vor große prozessuale, personelle und datentechnische Schwierigkeiten stellt. Eine differenzierte und eventuell stärker individualisierte Bestimmung der Kapitalanforderung für Immobilien würde solche Bemühungen konterkarieren und ist in der verabschiedeten Rahmenrichtlinie Solvency II auch nicht vorgesehen. Bei einer knappen Kapitalausstattung bleibt damit nur der Weg in ein internes Partialmodell, der allerdings mit erheblichen Hürden versehen ist.

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