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Solvency-II-Befragung: Datenstrom für Versicherungsunternehmen strategisch bedeutend

Vermutlich ab dem Jahr 2016 wird das neue europäische Versicherungsaufsichtsrecht Solvency II starten, über das die Branche seit Jahren diskutiert. Trotz aller Unsicherheiten, zuletzt um die Schätzung langfristiger Zinsen, sind die deutschen Versicherer mit ihren Vorbereitungen weit vorangeschritten, wie eine Umfrage der Frankfurter Kapitalverwaltungsgesellschaft Universal-Investment und der Unternehmensberatung d-fine ergeben hat. Von strategischer Bedeutung für Kapitalanlage und Risikomanagement der Versicherer sind laut dieser Untersuchung die Bereitstellung und Aufbereitung aller für die Ermittlung der Solvenz relevanten Daten.

Solvency II besteht aus drei Säulen: Die erste Säule zielt auf die risikoadäquate Eigenkapitalausstattung von Versicherungen (Solvenz-Bilanz). Die zweite Säule beinhaltet Einführung und Betrieb eines modernen Risikomanagements, das sich aus den tatsächlichen Risiken der Versicherungstätigkeit und der Kapitalanlage ergibt sowie den entsprechenden Anforderungen an Organisation, Prozesse und Methoden der Versicherer. Die dritte Säule berücksichtigt die umfangreichen Reporting- und Offenlegungsanforderungen bezüglich der Risiken. Wie die Befragung zeigt, wird Solvency II gravierende Auswirkungen auf die Kapitalanlage und das Risikomanagement sowie die Zusammenarbeit zwischen Versicherungsunternehmen (VU) und Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) als wichtigen Produkt- und Dienstleistungslieferanten haben.

Für ihre Untersuchung hatten die beiden Unternehmen 23 VU befragt, die in der Summe ein Anlagevolumen von über 200 Milliarden Euro verwalten. Unter den Teilnehmern waren sowohl kleine, spezialisierte Unternehmen als auch große internationale Konzerne, die mehrere Versicherungssparten betreiben. Ziel der Befragung war es festzustellen, an welchem Punkt der Vorbereitung auf Solvency II die Versicherer stehen und wo sie noch Unterstützung benötigen, speziell in Bezug auf das Reporting.

Dabei ergab sich, dass mehr als drei Viertel (78 Prozent) der befragten VU bereits ein Solvency-II-Reporting-Projekt gestartet und sich vier von fünf (83 Prozent) mit den Auswirkungen auf ihre Kapitalanlage beschäftigt haben. Die übrigen 17 Prozent wollten abwarten, bis die Solvency-II-Anforderungen finalisiert sind.

Umfangreiche Daten für die Eigenkapitalberechnung

Die Solvenz-Bilanz dient der Ermittlung des verfügbaren Eigenkapitals der VU, welches die Kapitalanforderungen decken muss. Das gemäß Solvency II relevante Eigenkapital wird damit nicht unmittelbar aus der Bilanz ermittelt, sondern folgt eigenen, Solvency II spezifischen Regeln. Dabei müssen sämtliche Regelwerke zwei Fragen beantworten: Wie werden Kapitalanforderungen für einzelne Risiken und das Gesamtrisiko berechnet? Wie werden die Eigenmittel ermittelt, die den Kapitalanforderungen gegenüber zu stellen sind?

Als Vergleichsmaßstab mögen die Eigenkapitalrichtlinien für Banken, Basel III, dienen. Bei diesen werden zunächst getrennt für Markt-, Kredit- und operationelle Risiken Kapitalanforderungen ermittelt und dann zu einer Gesamtkapitalanforderung zusammengeführt. Diversifikationseffekte zwischen diesen Risikokategorien bleiben damit außen vor; die Eigenmittel ergeben sich aus den bilanziellen Eigenmitteln, so dass hier ein Gleichlauf mit dem Rechnungswesen erreicht wird.

Bei beiden zuvor gestellten Fragen zu den Kapitalanforderungen geht Solvency II im Vergleich zu Basel III andere Wege, da als Ausgangspunkt eine volle ökonomische Sicht auf die Bilanz (Economic Balance Sheet) gewählt wurde. Zudem ergeben sich die Kapitalanforderungen im Wesentlichen durch das "Schocken" einzelner Bewertungsparameter. Diese einzelnen Risiken werden dann unter Berücksichtigung von Diversifikationseffekten zu einem Gesamtrisiko zusammengefasst. Der ökonomische Wertansatz führt dazu, dass die einzelnen Posten der Solvency-II-Bilanz in den meisten Fällen nicht mit denen der HGB-Bilanz vergleichbar sind.

Abhängigkeit der Vermögenswerte in der Überschussbeteiligung

Eine weitere komplexe Abhängigkeit der Vermögenswerte (Assets) und Verbindlichkeiten (Liabilities) zeigt sich in der Überschussbeteiligung, welche von der Performance der Kapitalanlagen abhängt. Da das VU diese bei Bedarf reduzieren kann, puffert die Überschussbeteiligung auf der Liability-Seite Schocks bei den Assets bis zu einem gewissen Grad ab. Hinsichtlich dieses risikomindernden Effekts der Überschussbeteiligung wurden in der Vergangenheit zwei Modelle diskutiert, wobei sich abzeichnet, dass das folgende Vorgehen Anwendung finden wird:

- In der Solvency-II-Bilanz müssen bei den Passiva die unterstellten diskretionären Gewinnzuweisungen (das heißt Gewinnzuweisungen, die den Garantiezins übersteigen) separat ausgewiesen werden (Future Discretionary Benefits, FDB).

- Die einzelnen Risikomodule werden mit und ohne Berücksichtigung der risikomindernden Wirkung der Überschussbeteiligung ermittelt und bis auf Ebene der Basissolvenz-Kapitalanforderung aggregiert.

- Die Differenz der beiden so berechneten Basissolvenz-Kapitalanforderungen ist in der Höhe auf den im ersten Punkt ermittelten Betrag begrenzt.

Die Versicherer müssen all diese Angaben berücksichtigen, wenn sie ihr "Solvency Capital Requirement (SCR)" errechnen. Dabei handelt es sich um eine Soll-Größe für das Eigenkapital der Versicherer, die mit Hilfe der Standardformel oder eines internen Modells berechnet wird. Wegen der hohen Komplexität, so ergab die Untersuchung, werden 21 der 23 befragten VU hierfür die Standardformel anwenden.

KVG als Datenlieferant noch wichtiger

Eine besondere Bedeutung kommt, so zeigt die Befragung, der Lieferung der relevanten Daten zu, denn Solvency II erfordert in der dritten Säule ein umfangreiches und regelmäßiges Reporting an Aufsicht und Öffentlichkeit.

Solvency II unterscheidet drei Arten von Reports: So werden zum einen umfangreiche Daten für die Solvenzbilanz der Fonds, die Ermittlung der "Solvency Capital Requirement (SCR)" und den gesamten "Solvency and Financial Condition Report (SCFR)" benötigt, der einmal jährlich erstellt und auf der Website des VU veröffentlicht werden muss. Der "Report to Supervisors (RTS)" ist die primäre Dokumentation des qualitativen Risikomanagements, insbesondere des Governance-Systems. Die sogenannten "Quantitative Reporting Templates (QRT)" schließlich stellen einen standardisierten Bericht von Solvenz-Kennzahlen dar - sie bestehen aus mehr als 60 einzelnen Reports.

Angesichts dieser Fülle von regelmäßig abzugebenden Berichten erstaunt es nicht, dass ein sehr hoher Anteil der befragten VU handfeste Unterstützung von Seiten der KVGs erwartet:

- 87 Prozent der VU verlangen von ihrer KVG die Lieferung sogenannter "granularer", also Basis-Daten.

- 83 Prozent erwarten von der KVG aufbereitete Daten zur Befüllung der sogenannten "Asset sheets".

- 78 Prozent melden Interesse an bereits aufbereiteten Daten an, um diese direkt in die vorgefertigten QRTs einzusetzen.

- 70 Prozent möchten Details zur Ermittlung des Markt- und Kontrahentenrisikos (SCR-B3A und -B3B).

- Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Teilnehmer interessiert sich für eine Berechnung einzelner SCR-Untermodule oder anderer SCR-Werte.

Hilfe beim SCR-Management

Auch das Management der Kapitalanforderungen eines VU wird mit Solvency II an Bedeutung gewinnen, ergab die Untersuchung: Rund zwei Drittel (65 Prozent) der VU brauchen demnach Unterstützung beim Management der SCR über die Kapitalanlagen. Das gilt besonders für kleine und mittlere Unternehmen. Eine besondere Herausforderung wird hierbei eine verbesserte Allokation unter SCR-Rendite-Gesichtspunkten sein. Bei Absicherungsstrategien (Hedges) zeichnet sich zudem ab, dass lediglich statische oder rollierende Hedges bei der Ermittlung der Eigenmittelanforderungen berücksichtigt werden dürfen. Dynamisches Hedging, das beispielsweise die meisten Wertsicherungsstrategien benutzen, wird damit nicht voll risikomindernd anerkannt.

Von besonderer Bedeutung war in diesem Zusammenhang die Frage nach den gewünschten Dienstleistungen: 48 Prozent interessieren sich für eine Optimierung des SCR, während das Thema "Hedging des SCR" derzeit auf kein hohes Interesse (26 Prozent) stößt, stellt die Untersuchung fest. Das könnte darin begründet sein, dass das Hauptaugenmerk der Versicherer derzeit mehr auf die Säulen zwei und drei von Solvency II gerichtet ist. Die Erfahrung zeigt, dass sich bisher sehr wenige Unternehmen detailliert damit auseinandergesetzt haben, nach welchen Anforderungen Hedges im Rahmen der SCR-Ermittlung anerkannt werden. Dabei erschweren bereits die Anforderungen an Basisrisiken den Einsatz einfacher Aktienoptionen und erfordern entsprechende Konzepte und Datenanalysen, die aber letztlich zu den Kernkompetenzen einer KAG gehören.

SCR-Kennzahl ähnlich wichtig wie Value-at-Risk

Durch Solvency II, das zeigt die Umfrage, wandeln sich die Reporting-Anforderungen der VU an die KVGs in folgenden Punkten: (1) Die VU erwarten die Lieferung granularer Bestandsdaten als Basis für die SCR-Ermittlung beziehungsweise für die QRTs. Dies stellt quasi die Mindestanforderung dar. (2) KVGSs werden in Zukunft auch Kennzahlen für einzelne SCR-Untermodule ermitteln - entweder, um diese den Kunden für das eigene Reporting zu liefern, oder um sie bei der Steuerung der SCR zu unterstützen. (3) Die einzelnen SCR-Kennzahlen werden mittelfristig zu gängigen Steuerungsgrößen für Kapitalanlageportfolios von Versicherungen, ähnlich wie heute schon der Value-at-Risk.

Solvency II wird hohe Anforderungen an die Kapitalanlage stellen. Diese müssen zukünftig berücksichtigt werden, wenn es etwa darum geht, Absicherungsstrategien zu gestalten. Dabei zeichnet sich ab, dass Solvency II die Zusammenarbeit zwischen Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften - als wichtige Produkt- und Dienstleistungslieferanten - verändern wird. Die KVGs werden entsprechende Solvency II konforme Produkte und Dienstleistungen anbieten und entwickeln.

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