MIPIM Special

Märkte 2012: Vorsichtiger Optimismus trotz Ungewissheit

Deutschland ist und bleibt ein Core-Land und insofern auch im Fokus der nationalen und internationalen Investoren. Entgegen den ursprünglichen Erwartung vom Jahresbeginn 2011 blieben in der zweiten Jahreshälfte Investitionen in Nicht-Core-Standorte und -Produkte aufgrund der Verschärfung der EU-Schuldenkrise aus. So konzentrierte sich die Investoren-Nachfrage weiterhin auf London, Deutschland, Frankreich und die nordischen Länder.

Mit Ausnahme von Großbritannien hatten alle genannten Länder starke Zuwächse des Investitionsvolumens von jeweils über 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen können. Großbritannien freilich bleibt mit Abstand der liquideste europäische Markt, macht aber "nur" ein Drittel des Gesamtvolumens aus - 36 von 118 Milliarden Euro. Zwar gab es in Russland, Polen und Tschechien sehr starke Zuwächse der Investment-Aktivitäten im vergangenen Jahr, dennoch blieb der Anteil mit rund zehn Prozent des Gesamtvolumens weiterhin gering.

Aufgrund der sich wieder verschärfenden Finanzierungskrise muss zumindest in der ersten Jahreshälfte 2012 von einem vorsichtigen Agieren der Immobilien-Investoren ausgegangen werden. Core-Standorte und Core-Produkte werden weiterhin präferiert. Dabei steht zu erwarten, dass sich die Investoren auf Core-Städte in den Core-Ländern konzentrieren werden. Und Deutschland hat dabei nicht zuletzt dank seiner föderalen Struktur beste Karten. Denn Deutschland gilt als das Core-Land schlechthin - und dies für Investoren aus aller Welt.

"Core" bleibt Investors Liebling

Aktuelle Ungewissheiten, ausgelöst durch die Staatsschuldenkrise in Europa, aber auch durch vorausgegangene Ereignisse in anderen Teilen der Erde - arabisches Frühlingserwachen, Erdbeben, Tsunami und Reaktor-Gau in Japan, konjunkturelle Abschwächungen in den USA und in China - haben die wirtschaftlichen Aussichten insgesamt eingetrübt. Trotz hoher Anstrengungen von Regierungen, IWF und Zentralbanken bleibt die Lage auf den Kreditmärkten angespannt. Auch die Herabstufung der Kre-dit-Ratings großer europäischer Volkswirtschaften, sowie die Endlosdiskussion um den europäischen Rettungsschirm werden einer schnellen Lösung wohl eher im Wege stehen.

Trotz dieser problematischen Rahmenbedingungen haben sich die wichtigsten Büromarkt-Indikatoren im letzten Quartal 2011 in Europa insgesamt leicht verbessert. Die Umsatzvolumina blieben nahezu unverändert, die Nettoabsorption stieg leicht - mit sinkenden Leerstandsraten im Gefolge. Nach wie vor ist die Performance in den deutschen und skandinavischen Städten erfreulich gut, während die Märkte im Zentrum der Krise weiter unter großem Druck stehen. Deutschland hat insgesamt eine deutlich positivere Entwicklung im Zuge der Erholung nach 2009 erlebt als viele andere europäische Märkte. Die Umsatzvolumina erreichten teils Rekordniveau, die Spitzenmietpreise stiegen, Leerstände sanken. Die Stimmung bei den Unternehmen und den Investoren bleibt aber anfällig, und das Vertrauen der Wirtschaft verschlechtert sich. Zwar gibt es einzelne Büromarktindikatoren, die 2012 sogar zulegen könnten, insgesamt ist das Einmünden in eine gesamteuropäische Stagnation aber wahrscheinlich. Zumal sich eine Abschwächung in der Realwirtschaft auch erst zeitversetzt auf die Immobilienmärkte auswirken wird.

Beim Thema Finanzierung ist vermutlich 2012 zunächst mit einem Rückgang zu rechnen. Die meisten Finanzinstitute sind weiter damit beschäftigt, ihre Bilanzen zu klären und sich von Immobilien zu trennen. Außerdem werden viele Banken gezwungen sein, ihre Eigenkapitalpuffer zu verstärken, um sich gegen die Abwertung und Ausfallrisiken bei ihrem bestehenden Engagement in Staatsanleihen abzusichern. Hinzu kommen Regulierungen wie Basel III.

Es ist daher zu erwarten, dass eigenkapitalstarke Investoren die europäischen Märkte dominieren werden - nach dem Motto: Wer keine beziehungsweise wenig Fremdfinanzierung braucht, gewinnt den Wettbewerb um die begehrten Core-Produkte. Insofern steht auch zu erwarten, dass die Schere zwischen den stark nachgefragten Core-Produkten und Produkten mit höherem Risikoprofil weiter bestehen bleiben wird. Renditen für die oft als "secondary" bezeichneten Objekte sind bereits in vielen Fällen wieder nach oben gewandert.

Ohne Zweifel ist es sehr unwahrscheinlich, dass zum Beispiel europäische Banken zu den ganz großen Finanzierern von Büroentwicklungen gehören werden. Das darf als gesichert gelten. Freilich heißt dies nur, dass sich neben den Banken neue Kapitalquellen auftun werden, innovative Finanzierungsmodelle, Joint Ventures, Partnerschaften auf den Plan gerufen werden, wie sie etwa der Bereich Corporate Finance bei Jones Lang Lasalle schon heute ins Visier genommen hat. Eigenkapitalstarke Investoren wie Pensions- oder Versicherungsfonds, kapitalstarke REITs aber auch wohlhabende Privatpersonen werden die Märkte vermehrt mitgestalten. Und - auch da gilt es kühlen Kopf zu bewahren - im Wettbewerb mit anderen Regionen dieser Welt hat Europa nicht zuletzt dank seiner fortschrittlichen politischen und gesellschaftlichen Verfassungen gute Chancen, sich behaupten zu können.

Weitere Determinanten

Dabei beeinflussen freilich nicht nur wirtschaftliche Faktoren die Entwicklung der Büromärkte. Speziell an der Frage festgemacht, welche Einflüsse im Markt oder Marktumfeld Auswirkungen auf Büroimmobilien haben, hat Jones Lang Lasalle deswegen im zurückliegenden Jahr "Office 2020" ins Leben gerufen, ein Research-Programm, das wesentliche Aspekte im Blick auf die Zukunft der Institution "Büro" einer detaillierten Prüfung unterzieht. Denn bereits der

Blick zurück auf die vergangenen beiden Dekaden macht deutlich, welche Umwandlungsprozesse der Bürosektor zum Beispiel durch die Einführung von Personalcomputern, das Internet oder das Rauchverbot erfahren hat. Vergleichbares lässt sich auch anhand konkreter Tendenzen und Trends auch für die Zukunft prognostizieren.

Ganz wesentlich in seiner Entwicklung bestimmt wird der Bürosektor dabei ganz zweifellos von technologischen Entwicklungen, die sich quasi mit einem inneren Automatismus aus dem Fortschritt der Forschungen ergeben oder aber als Herausforderung auf die Tagesordnung gehievt werden - wie etwa alle Themen im Zusammenhang mit der Energiewende in Deutschland.

Flexibilität bestimmt die Zukunft

In der Tat wird der Bereich Technologie einen großen Einfluss auf die Art und Weise unseres Arbeitens haben, auf die Nutzung etwa von Büroflächen, auf deren Ausstattung und den dafür benötigten Platz. Der Bereich Technologie schließt dabei neben Informationstechnologie auch "grüne Technologie" und solche im Bereich der Regel- und Messtechnik ein.

Die Nutzung etwa von tragbaren Computern, Tablets und leistungsstarken Handhelds sowie Wireless erlaubt es uns, sehr flexibel zu arbeiten. Innerhalb des Büros wie auch außerhalb bei vollem Zugriff auf das jeweilige Firmen-IT-System.

Technologien dieser Art werden es Unternehmen erlauben, die vorhandenen Flächen intensiver zu nutzen, etwa durch die Einführung von Hot-Desking, insbesondere in Zeiten, in denen Kostenkontrolle bei den meisten Unternehmen hoch im Kurs steht.

Ebenfalls werden Unternehmen vermutlich mittelfristig weniger IT-Ausstattung und Verkabelung benötigen, da vermehrt auf Cloud Computing gesetzt werden wird. Die freigewordenen Flächen der großen Serverräume können Unternehmen entweder einsparen oder aber für Sozialflächen nutzen. Gerade bei intensiverer Nutzung der vorhandenen Flächen gewinnen diese Aspekte vermehrt an Bedeutung. Ebenso ermöglicht dies Nutzern, Flächen schneller zu wechseln, da der Umzug etwa der IT-Ausstattung deutlich einfacher wird.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist mit einem leicht sinkenden Flächenbedarf in der Zukunft zu rechnen. Insofern wird sich die Flächenabsorption negativ verändern. Allerdings bedeutet dies bei weitem nicht das Ende des Büros - im Gegenteil. Das Büro wird als Ort der konkreten Kommunikation, der Begegnung, der Zusammenarbeit bestehen bleiben und sogar an Bedeutung gewinnen.

Verstehen künftiger Entwicklungen

Nutzer, Investoren, Manager und Projektentwickler müssen die voraussehbaren Entwicklungen verstehen lernen, damit sie in angemessener Art und Weise damit umgehen können. Denn wer heute Immobilienentscheidungen für ein Unternehmen trifft, muss sich im Klaren darüber sein, wie etwa die Technologie Arbeitsweisen verändern und welche Auswirkungen dies auf die Flächennutzung in der Zukunft haben wird. Von außerordentlicher Relevanz in diesem Zusammenhang ist auch die Entwicklung dessen, was heute unter "grüner Technologie" zusammengefasst wird - Wärmerückgewinnung etwa, Gewinnung von Solarenergie, Geothermie, Wasser- und Abfall-Recycling. Mit Technologien dieser Art werden nicht nur Nachhaltigkeitsziele erreicht und messbar gemacht, damit können konkret auch Kosten eingespart werden.

Letztlich gilt es festzuhalten, dass Büros für Menschen gemacht und eingerichtet werden - und nicht umgekehrt. Es geht immer um die Frage, welche Flächen werden wofür gebraucht - und was darf dies alles kosten? Bei Überlegungen dieser Art ist freilich auch zu berücksichtigen, dass ein Büro, seine Lage und Ausstattung immer auch eine Visitenkarte für ein Unternehmen darstellt. Und mithilfe einer solchen Visitenkarte werden nicht selten Mitarbeiter an eine bestimmte Firma gebunden. Denn im "war for talents" spielt eben auch der Arbeitsplatz eine nicht zu unterschätzende, häufig sogar ausschlaggebende Rolle beim Nachdenken von Mitarbeitern darüber, ob sie ein Unternehmen verlassen oder sich gar noch fester binden wollen.

Hinzu kommen Fragen der gesellschaftlichen Veränderung im Allgemeinen - alles zum Beispiel, was unter dem Stichwort "demografischer Wandel" subsummiert wird -, aber auch Fragen der Abhängigkeit des Krankenstands von Mitarbeitern im Besonderen. Fragen dieser Art beschäftigen nicht zuletzt auch die Personalabteilungen von Unternehmen, verbunden mit einem häufig größer werdenden Einfluss auch auf Immobilienentscheidungen.

Ein Büro ist immer eher ein "Ort" als ein einzelnes Gebäude. Die Nähe zu Institutionen, Kunden, aber auch zu Einkaufs- und Unterhaltungseinrichtungen macht die Attraktivität dieses Ortes aus. Und trotz aller Mobilität des Arbeitens ist doch immer auch der konkrete Ort der Begegnung gefragt, die Nähe zu anderen Menschen, die in Anbetracht der technologisch bedingten Anonymisierung unseres Arbeitens immer wichtiger wird.

Kein Grund zum Pessimismus

Unternehmen ohne Büroimmobilien wird es in absehbarer Zukunft nicht geben weder in Deutschland, in Europa noch sonst irgendwo auf der Welt. Deswegen wird es immer auch einen Markt für Büroimmobilien geben, und der ist abhängig von unterschiedlichsten Einflussfaktoren. Der wichtigste darunter? Der Mensch als Nutzer, Investor, Manager oder Developer.

Trotz aller Unwägbarkeiten und Ungewissheiten gilt es insofern festzuhalten, dass wir als Menschen das Heft des Handelns in der Hand behalten (können). Wir geben die Richtung vor, entscheiden über Ziele und legen die Geschwindigkeit zu deren Erreichung fest. Verzagtheit wirkt dabei eher als Verstärker der Ungewissheit. Optimismus ist deswegen das Gebot der Stunde.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X