Kreditverkauf und Forderungsmanagement

Der Markt für Non-performing Loans - Rückblick und Ausblick

Der Markt für Non-performing Loans hat in den vergangenen Jahren eine hohe wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Zugleich stieg die Beachtung in der Öffentlichkeit, was sich nicht zuletzt in der hohen Zahl und Frequenz an Berichten in den Medien sowie im derzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren für das Risikobegrenzungsgesetz zeigt. Nachfolgend soll ein kurzer Rückblick auf die bisherige Marktentwicklung erfolgen sowie ein Ausblick gegeben werden, wie sich der Markt in den nächsten ein bis zwei Jahren entwickeln könnte.

Schwankende Marktvolumina

Die Angaben über mögliche Marktvolumina wiesen bisher starke Schwankungen auf. Zum Anfang des sich noch entwickelnden Marktes in den Jahren

2003 und 2004 waren von verschiedenen Marktbeobachtern Volumina von 160 bis 300 Milliarden Euro angegeben worden. Eine aktuelle Studie von Ernst & Young spricht nach immerhin fast fünf Jahren NPL-Business immer noch von einem potenziellen Nominalwert an notleidenden Krediten von 200 Milliarden Euro. Zu beachten ist, dass diese Angaben stets nur das potenziell für Verkäufe zur Verfügung stehende Volumen aufzeigen. Welche Werte dann tatsächlich transferiert werden, steht auf einem anderen Blatt.

Objektiv am besten nachvollziehbar ist die Annäherung über die statistischen Angaben der BaFin. Der aktuell zur Verfügung stehende Jahresbericht für das Jahr 20071) führt an Krediten mit Einzelwertberichtigungsbedarf in den Bilanzen deutscher Banken (S. 137, Bezugsgröße 2006) einen Wert von 157,7 Milliarden Euro auf. Im Vorjahr (Bezugsgröße 2005) betrug dieser Wert noch 190,3 Milliarden Euro. Der Rückgang dürfte auf die erfolgten Verkäufe notleidender Kredite sowie die konjunkturelle Erholung zurückzuführen sein.2) Unter der Annahme, dass bei Non-performing Loans in der Regel eine Einzelwertberichtigung vorgenommen werden muss, dient die Ba-Fin-Auswertung als Indikator. Der Markt lässt sich somit zumindest eingrenzen.

Seit der ersten Transaktion im Jahre 2003 sind insgesamt 62 Portfolioverkäufe öffentlich bekannt geworden. Das gesamte, dabei übertragene Nominalvolumen an Krediten liegt bei über 40 Milliarden Euro. Nicht alle Kredite davon sind jedoch eindeutig als "notleidend" einzustufen, da in manchen Portfolios auch vereinzelt nicht-notleidende, das heißt noch nicht gekündigte Kredite, enthalten waren, die die Banken aus strategischen Gründen (überwiegend waren dies bereits Watch-List-Fälle) mit veräußert haben. Darüber hinaus gibt es auch noch Transaktionen, die direkt von einem Verkäufer auf einen Käufer übertragen worden sind und demnach keine Berücksichtigung in dieser Statistik finden.

Der Höhepunkt des Marktes war im Jahr 2006 mit einem Transaktionsvolumen von 14,4 Milliarden Euro erreicht. Im Jahr 2007 ging das Volumen stark zurück und lag nur noch bei 6,5 Milliarden Euro.

Die Immobilienkrise in den USA sowie auch die sich daraus entwickelnde Finanzmarktkrise hatten jedoch allenfalls einen indirekten Einfluss auf den Markt, lenkten den Blick auf andere, neue Problembereiche und sorgten für Zurückhaltung auf Seiten der Verkäufer.

Einige größere Geldhäuser hatten bereits signifikante Volumina übertragen, während andere die Abarbeitung ihrer notleidenden Kredite lieber im eigenen Haus ansiedeln. Insbesondere Sparkassen haben sich - vielfach aufgrund einer zum Teil sehr tendenziösen Medienberichterstattung sowie einer rechtlichen Unsicherheit zur Strafbarkeit von Sparkassenvorständen beim Verkauf dieser Kredite3) - von NPL-Verkäufen distanziert.4) Das erste Halbjahr 2008 lässt derzeit noch keinen Aufwärtstrend vermuten. Es sind nur vereinzelt Transaktionen im Markt zu beobachten. Dabei bewegen sich die einzelnen Portfoliogrößen etwa in einer Spannbreite von 25 bis 200 Millionen Euro.

Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt

Auf Seiten der Käufer ist eine zunehmende Konsolidierung des Marktes zu beobachten, das heißt einige Akteure verlassen dieses Geschäftsfeld bereits wieder.5) Damit wird auf das geringere Marktvolumen reagiert. Es sind jedoch auch noch andere Gründe dafür ausschlaggebend, dass sich die Zahl der Nachfrager verringert:

- Die Renditeerwartungen der Investoren haben sich nicht erfüllt.

- Die Planungshorizonte zur Lösung der Kreditengagements (mittels Verhandlungslösung oder Sicherheitenverwertung) erwiesen sich als zu kurz.

- Die "kritische Masse" zur effizienten und effektiven Bearbeitung der Kreditengagements mit sämtlichen bankähnlichen Funktionen wurde nicht erreicht.

- Für einige Investoren stellte der Kauf notleidender Kredite nur ein Geschäftsfeld von vielen dar, sodass nach kurzfristigem Interesse der Fokus bereits wieder auf andere Investments gelegt wurde.

Vor allem größere, international tätige Investmentbanken ziehen sich zunehmend aus dem NPL-Markt zurück oder haben diesen Schritt bereits vollzogen. Die Tendenz geht von einem Verkäuferzu einem Käufermarkt.

Erfolgsfaktoren für NPL-Investments Nachdem sich einige Investoren bereits wieder aus dem Markt verabschiedet haben und neue Käufer nur vereinzelt in Erscheinung treten, stellt sich die

Frage, welche Erfolgsfaktoren ausschlaggebend sind, um in diesem Markt tätig sein zu können. Die Antwort auf diese Frage kann auf drei Punkte fokussiert werden - Konzentration auf Kernkompetenzen, Servicing-Plattform und Fremdfinanzierung.

Konzentration auf Kernkompetenzen: Käufer, die in diesem Markt tätig sind, vermeiden in der Regel, einen "Gemischtwarenladen" aufzukaufen, das heißt es werden bei den Investitionen und der anschließenden Bearbeitung Schwerpunkte gebildet. Es gibt Käufer, die nur großvolumige Portfolios kaufen, während andere auch in der Lage sind, Bestände mit geringen Volumina sowie Einzelkredite zu erwerben. Darüber hinaus wird auch bei der Größe der einzelnen Kreditengagements differenziert. Manche Investoren fokussieren sich auf größere gewerbliche Immobilienkredite, während es auf der anderen Seite auch einen Abnehmerkreis für eher kleinteiliges Geschäft und "Häuslebauerkredite" gibt. Und zu guter Letzt wird auch zwischen besicherten und unbesicherten Krediten unterschieden, da die Bearbeitung dieser Engagements unterschiedliche Strukturen beim Servicer erfordern.

Servicing-Plattform: Für einen Investor ist es nahezu unabdingbar, entweder eine eigene Servicing-Plattform aufzubauen oder eine Kooperation mit einem etablierten Anbieter einzugehen. Überspitzt gesagt, dürfte es nur schwer möglich sein, professionelles Asset Management für deutsche Kredite mit in Deutschland gelegenen Sicherheiten von London aus zu gestalten. Hilfreich ist es vor allem, die Servi-cing-Plattform bereits im Ankaufsprozess zu nutzen und Erfahrungen aus bisherigen Portfoliotransaktionen einfließen zu lassen. Darüber hinaus ist für viele Verkäufer entscheidend, dass der Servicer über ein gutes Rating verfügt und Prozesse installiert hat, die den bei Banken üblichen Bearbeitungsstandards entsprechen.

Fremdfinanzierung: Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Marktentwicklungen ist das Thema Fremdfinanzierung ein entscheidender Faktor für Investitionen in notleidende Kredite. Es gilt hierbei, die finanzierenden Banken von der Leistungsfähigkeit des Investors und vor allem von der Durchsetzbarkeit der aufgestellten Busi-ness-Pläne zu überzeugen. Ausschlaggebend ist oftmals, dass bereits ein erfolgreicher Track Record vorgewiesen werden kann, der auf Bankenseite Vertrauen schafft. Auch der langfristige Verbleib im deutschen Markt und eine tiefe Kenntnis der Rechtslage sind evidente Faktoren.

Haben sich die Erwartungen erfüllt?

Nicht für jeden Investor war der Einstieg in den Markt für notleidende Kredite eine Erfolgsgeschichte. Manche Marktteilnehmer haben sich nach anfänglicher Euphorie wieder zurückgezogen. Wie oben dargelegt, hat es sich für manche Investoren aufwendiger dargestellt als ursprünglich gedacht, diesen Geschäftszweig erfolgreich in Deutschland aufzubauen. Darüber hinaus führt auch die mediale Verunsicherung der Darlehensnehmer und ihrer Interessensvertreter zu einer merklichen Zurückhaltung beim Kreditverkauf, vor allem durch öffent-lich-rechtliche Kreditinstitute und Genossenschaftsbanken.

Dennoch werden die etablierten Investoren in einem sich wieder belebenden Markt auch weiterhin Transaktionen tätigen. Es sind jedoch geänderte Rahmenbedingungen zu beachten. Wurde der NPL-Markt in den vergangenen Jahren insbesondere von vorteilhaften Finanzierungskonditionen und steigenden Immobilienwerten begünstigt, so muss heute verstärkt Wert auf eine gesunde Eigenkapitalausstattung und aktives Immobilien-Asset-Management gelegt werden. Die derzeit starke Zurückhaltung vieler Banken zur Finanzierung von

Investitionen in notleidende Kredite wird sich in den nächsten sechs bis 18 Monaten voraussichtlich entspannen. Und auch für den deutschen Immobilienmarkt gibt es noch Potenziale, da dieser im internationalen Vergleich immer noch als unterbewertet gilt.

Es ist davon auszugehen, dass das 2. Halbjahr 2008 ein wieder steigendes Transaktionsvolumen verzeichnet. Hierfür sprechen verschiedene Faktoren. Zum einen haben die Banken durch die Zurückhaltung der vergangenen Monate wieder NPL-Bestände aufgebaut, die abgetragen werden müssen.

Zum anderen ist zu erwarten, dass auch durch Konsolidierungen im Bankensektor (sowohl bei Landesbanken als auch vereinzelt bei Geschäftsbanken) Potenziale freigesetzt werden. Darüber hinaus benötigen viele Institute Liquidität, die sich durch Verkäufe notleidender Kredite generieren lässt. Hinzu kommt, dass hierdurch Eigenkapital für Neukreditvergaben freigesetzt wird.

Annahmen zur Marktentwicklung

Vor dem Hintergrund der Ausführungen zum bisherigen Marktverlauf sollen abschließend einige Annahmen zur weiteren Marktentwicklung erlaubt sein. Die Subprime-Krise hat keine direkten Auswirkungen auf den deutschen NPL-Markt. Von einem zunehmenden Liquiditätsdruck auf Banken, insbesondere durch den Eigenkapitalverzehr durch Wertpapierabschreibungen, können Investoren aber profitieren, weil sich hierdurch zusätzliche Geschäftspotenziale ergeben.

Im Marktsegment "Corporate NPL" entstehen Potenziale für Distressed-Debt-Investoren mit Restrukturierungsansatz, da eine Vielzahl von Unternehmen durch die restriktive Haltung der Banken in Schwierigkeiten geraten könnte.6) Zu guter Letzt wird das derzeit in der Abstimmung befindliche Risikobegrenzungsgesetz für eine weitere Beruhigung des Marktes sorgen, da damit Rechtsklarheit geschaffen und die Unsicherheit beseitigt wird.

Marcel Köchling , Vizepräsident, Vorstandsmitglied , Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin
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