Schwerpunkt Bewertung

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz stärker im Fokus der Immobilienbewertung

Die Begriffe "nachhaltig" und "Nachhaltigkeit" haben in den letzten 20 Jahren einen Bedeutungswandel erfahren. Wurde in der Vergangenheit unter "nachhaltig" umgangssprachlich "dauerhaft" oder "langfristig" schlechthin verstanden, so ist der Begriff heute wesentlich inhaltsträchtiger und einer der wichtigsten und am meisten gebrauchten Begriffe überhaupt. Die heutige Verwendung des Begriffs "Nachhaltigkeit" geht auf die Definition der Brundt-land-Kommission der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1987 zurück, nach der eine Entwicklung als nachhaltig gilt, wenn sie "den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre Bedürfnisse zu befriedigen". Kurz gefasst bedeutet nachhaltiges Handeln, die Wirkungen auf die Umwelt mindestens gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Wirkungen, und zwar dauerhaft, den Entscheidungen zugrunde zu legen, um nachfolgenden Generationen intakte ökologische, soziale und ökonomische Strukturen zu hinterlassen. Das erfordert einerseits den Ausgleich zwischen den Bedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen und andererseits die Bewertung aktuellen Handelns und Wirtschaftens unter eben diesem Aspekt. Um Nachhaltigkeit in der erforderlichen gesellschaftlichen Breite durchzusetzen, ist nachhaltiges Handeln und dessen Bewertung in allen Bereichen, in allen Unternehmen, in allen Prozessen, für alle Produkte, das Bauwesen und die Gebäude als seine Erzeugnisse eingeschlossen, unerlässlich. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts gewann das Thema Nachhaltigkeit im Immobiliensektor weltweit wesentlich an Bedeutung. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Ressourcenverknappung und dem stetig wachsendem Wissen um die globale Klimaveränderung rückte der große Anteil der Immobilien am Primärenergieverbrauch und der Treibhausgasemission stärker ins Bewusstsein. Nachhaltiges Bauen bedeutet, dass beim Prozess des Bauens und vor allem bei der Nutzung der Gebäude jene Ziele Berücksichtigung finden, eine werterhaltende Gebäudequalität erstellt wird und Herstellungs- wie Nutzungskosten gesenkt werden sowie der Verbrauch von Ressourcen mit negativen Umweltwirkungen in Herstellung beziehungsweise Betrieb minimiert und Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen auf Dauer gesichert werden. Zur Kennzeichnung von Immobilien, die sich durch hohe Nachhaltigkeit auszeichnen, wurde der Begriff Green Buildings eingeführt, der inzwischen weltweit verwendet wird. Um die Nachhaltigkeit von Immobilien zu bewerten, sind spezifische Messsysteme erforderlich. Zu diesem Zweck wurden zunächst auf nationaler Ebene Zertifizierungsverfahren entwickelt, die durch die Globalisierung des Immobilienmarktes auch zum Teil internationale Anwendung fanden. In Deutschland zum Beispiel werden einschlägige Neubauten heute mit dem in Großbritannien entwickelten BREEAM- (gegründet 1990), mit dem in den USA beheimateten LEED- (gegründet 1993) oder dem hier entwickeltem DGNB-System (gegründet 2007) zertifiziert. Ökologische Gebäudequalitäten in der Wertermittlung Die Studie "Nachhaltigkeit von Immobilien und die Berücksichtigung in der Wertermittlung" sieht eine Aufgabe darin, die Gutachter mit den Charakteristika dieser Zertifizierungssysteme vertraut zu machen. Weiter werden die bisher auf dem internationalen Immobilienmarkt gewonnenen Erkenntnisse, welche Wirkungen von zertifizierten Immobilien ausgehen, ausgewertet. Die bisherigen Erkenntnisse lassen bereits folgende Schlüsse zu: - Green Buildings sind besser zu vermieten und rentierlicher. - Green Buildings werden in Zukunft Standard sein. Man kann davon ausgehen, dass in zehn Jahren Green Buildings der De-Facto-Standard für neue und renovierte Gebäude sein werden. Neben Mieter- beziehungsweise Nutzerforderungen und der besseren ökologischen Performance gelten auch strikte staatliche Regulierungsmaßnahmen in der EU als Treiber. - Die zertifizierten Neubauten entwickeln einen immensen Druck auf den nichtzertifizierten Bestand. Es ist also dringend geboten, dass sich auch die Wertermittlungs-Gutachter mit dieser Entwicklung auseinandersetzen. Die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) hat 2009 die Bewertungsstandards des Red Books um die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten erweitert. 2009 wurde das RICS Valuation Paper Nr. 13, "Bewertung von Gewerbeimmobilien unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit", auch in deutscher Sprache vorgelegt. Eine konkrete Arbeitsanleitung ist dieses Papier allerdings nicht. Es dient vor allem dazu, die Sachverständigen für die Nachhaltigkeitsproblematik zu sensibilisieren. Dabei geht es nicht primär darum, wie mit zertifizierten Immobilien in der Wertermittlung zu verfahren ist, sondern darum, bei den überwiegend nichtzertifizierten zur Bewertung anstehenden Bestandsobjekten sich selbst ein Urteil über deren Nachhaltigkeit zu bilden. In der Studie wird auch ein Überblick darüber gegeben, welche Lösungsansätze für die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Wertermittlung bereits existieren. Noch liegt nicht genügend belastbares statistisches Material vor, um eine Aussage darüber machen zu können, was ein Investor im Durchschnitt bereit ist, für eine zertifizierte Immobilie mehr zu zahlen. Aber die Marktakzeptanz für Green Buildings entwickelt sich erstaunlich schnell. Für die Gutachter ist es von großer Bedeutung, ein Hilfsmittel in die Hand zu bekommen, mit dem sie in die Lage versetzt werden, den Grad der Nachhaltigkeit einer zu bewertenden Bestandsimmobilie selbst einzuschätzen. Und genau das ist ein wesentliches Ergebnis der Nachhaltigkeitsstudie. Es ging darum, einen Nachhaltigkeitscheck zu entwickeln, der von den Gutachtern ohne wesentlichen zusätzlichen Zeitaufwand auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen aus Ortsbesichtigung, Objektunterlagen, eigenen Erfahrungen und Basiswissen im Rahmen der Gutachtenerstellung bearbeitet werden kann. Der Check basiert auf einer reduzierten DGNB-Kriterienliste, der jedoch Indikatoren beigefügt sind, die die genannten Voraussetzungen erfüllen. Es geht nun darum, dass möglichst viele Gutachter diesen Nachhaltigkeitscheck anwenden, um Erfahrungen und Anregungen für dessen weitere Verbesserung durch die Fachgruppe zu bekommen. In diesem Rahmen kann nicht auf alle Themen eingegangen werden, die in der Nachhaltigkeitsstudie behandelt werden. Unter anderem wird eine Gegenüberstellung der Kriterien des Markt- und Objektrating mit denen der DGNB-Zertifizierung vorgenommen, um in der weiteren Arbeit daraus Ansatzpunkte für die Vervollkommnung des Ratings unter Nachhaltigkeitsaspekten zu erhalten. Hauptaspekt der Nachhaltigkeit Ein wesentliches Kriterium der Nachhaltigkeit von Immobilien ist die Gebäudeenergieeffizienz. Energieeinsparung bei der Gebäudenutzung ist ein entscheidender Aspekt des Umwelt- und Klimaschutzes, gleichzeitig angesichts steigender Energiepreise auch ein gewichtiger Aspekt der Wirtschaftlichkeit von Gebäuden und aus beiden Gründen das wahrscheinlich wichtigste Merkmal für die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Die Studie "Energieeffizienz - ein Hauptaspekt der Nachhaltigkeit" trägt dieser Tatsache Rechnung. Zugleich will sie durch eine Fülle von Informationen den Gutachtern helfen, ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet, dass in der Vergangenheit stark vernachlässigt wurde, den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Dazu dienen unter anderem Ausführungen zu - rechtlichen Regelungen auf dem Gebiet der Energieeinsparung, - der Nutzung des Energieausweises als Informationsquelle, - Kenngrößen der Energieeffizienz von Gebäuden und ihrer Ermittlung, - Entwicklung energieeffizienter Gebäude (Niedrigenergiehaus, Passivhaus), - Verbesserung des Wärmeschutzes von Gebäuden, - energieeffizienter Anlagentechnik und Nutzung erneuerbarer Energien im/am Gebäude. Ein umfangreiches Kapitel ist der Berücksichtigung der Energieeffizienz in der Wertermittlung von Immobilien gewidmet. In der bisherigen Bewertungspraxis hatte die energetische Qualität von Gebäuden einen untergeordneten Stellenwert. In der Regel wurde keine eigenständige energetische Betrachtung im Rahmen einer Wertermittlung durchgeführt. Mit der Einführung der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (ImmoWertV) hat sich das Anforderungsprofil an den Inhalt einer Wertermittlung in dieser Hinsicht deutlich verändert. Im Gegensatz zur alten Wertermittlungsverordnung (WertV), in der die energetischen Eigenschaften nicht ausdrücklich erwähnt wurden, gelten diese Eigenschaften in der ImmoWertV als ein zu bewertendes Grundstücksmerkmal in gleicher Reihe wie Bauweise, Größe, Ausstattung, Baujahr, baulicher Zustand und Restnutzungsdauer. Für diese Merkmale sind in der Regel im Gutachten eigenständige Untersuchungen und Bewertungen anzustellen. Das bedeutet allerdings auch, dass das Anforderungsprofil der Gutachter in diese Richtung erweitert wurde. Ein Gutachten, in dem künftig eine Bestandsaufnahme und Beurteilung/Bewertung der energetischen Eigenschaften eines Gebäudes fehlen, weist nach neuer Rechtslage einen Mangel auf. Ebenso wie die anderen Grundstücksmerkmale müssen die energetischen Eigenschaften in die Wertermittlung eingehen. Ein Verweis auf fehlende diesbezügliche Unterlagen oder Nachweise ist anfechtbar. Auch wenn die Verordnung über die Ermittlung der Beleihungswerte von Grundstücken (BelWertV) die energetischen Eigenschaften noch nicht explizit benennt, gilt hier im Prinzip das Gleiche, denn eine fehlende Aussage zu diesem Grundstücksmerkmal stellt ein nicht berücksichtigtes Risiko bei der Ermittlung des Beleihungswertes dar. In der Studie werden Lösungsansätze für das Problem vorgestellt und an Beispielen erläutert, so zum Beispiel für die Ermittlung von Preiszu- aber auch von -abschlägen bei hoher oder unzureichender Energieeffizienz. Für die Ermittlung von Wertzuwächsen infolge der Verbesserung der Energieeffizienz werden unter anderem Excel-Modelle angeboten. Es wird aber auch deutlich, dass auf diesem Gebiet noch weitere Grundsatzarbeit zu leisten ist. Einflussfaktoren auf den Marktpreis Der Gutachter muss die Nachhaltigkeitsaspekte bei der Bewertung von Immobilien schon heute mit im Blick haben. Dies umso mehr bei der Beleihungswertermittlung, die vom Grundsatz her zukunftsorientiert ist. Es ist unabdingbar, dass künftig in Wertermittlungsgutachten zumindest qualitativ Stellung genommen wird, ob und in welchem Maß die zu bewertende Immobilie Nachhaltigkeitsmerkmale aufweist. Inwieweit sich das in Zu- oder Abschlägen quantifizieren lässt, wird die Marktentwicklung zeigen. Neben der Schaffung von mehr Markttransparenz beim Thema Nachhaltigkeit wird man sich zukünftig auch verstärkt mit der Frage zu beschäftigen haben, welchen Einfluss bestimmte Nachhaltigkeitskriterien auf den Marktpreis haben und welche Motive dem zugrunde liegen. In diesem Zusammenhang Standards zu setzen, wird ein längerer Prozess der qualitativen und quantitativen Analyse sein. Im Rahmen der Nachhaltigkeit spielt die Energieeffizienz der Gebäude eine herausragende Rolle. Deshalb ist die Beschäftigung mit damit in Zusammenhang stehenden Problemen für den Wertermittlungs-Gutachter eine Erweiterung der bisherigen Anforderungscharakteristik, was auch in den Schwerpunkten der künftigen Weiterbildung deutlich werden sollte.

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