Leserbriefe

"Oberflächlich und kurzsichtig"

Dem Leitartikel zum Deutschen Pfandbrief und dessen "Rating" durch die angelsächsischen Agenturen beziehungsweise den Fragen von Herrn Philipp Otto zum Vorgehen der Agenturen (Heft 14-2009, Seite 444) ist grundsätzlich beizupflichten. Jedoch werden, nach meiner Erfahrung aus der Vorstandsarbeit der GEFIU zu Diskussionen mit einer Ratingagentur beim Problembereich "Pensionsrückstellungen", diese den nationalen Besonderheiten nicht gerecht werden können, weil sie versuchen, völlig unterschiedliche Sachverhalte mit Hilfe theoretischer Modelle "gleich" zu bewerten.

Schon die Annahme, "Covered Bonds" völlig unterschiedlicher Art und Qualität mit einem einheitlichen Ratingsystem zu erfassen, muss scheitern.

(Stichwort: Die für den immobilienbasierten Pfandbrief in Deutschland seit vielen Jahrzehnten gesetzlich vorgegebenen Bewertungsverfahren mit der Begrenzung auf "60 Prozent des Beleihungswertes" gibt es so nirgendwo anders.) Dann ist man halt gezwungen, wie im nachfolgenden Redaktionsgespräch in "Immobilien & Finanzierung" mit dem Repräsentanten von Fitch festgehalten, dass man "sowohl die Liquiditätsrisiken als auch die quantitativen Refinanzierungskosten stärker berücksichtigt, denn um die Laufzeiteninkongruenz modellieren zu können, müssen Finanzierungskosten angesetzt werden".

Liebe Redaktion von "Immobilien & Finanzierung", ein solches als Notwendigkeit angesehenes Verfahren kann doch gar nicht auf ordnungsgemäß begebene deutsche Pfandbriefe gemünzt sein, denn hiermit können meines Erachtens doch nur spekulative Kredit- und Finanzierungsgeschäfte gemeint sein. Beim Rating eines deutschen Pfandbriefes kann es doch primär nur um das qualitative Risiko gehen, nämlich um die nachhaltige Werthaltigkeit der Immobilien beim Hypothekenpfandbrief und um die Bonität der Länder, Städte und Gemeinden beim Öffentlichen Pfandbrief.

Hier sollten sich die Herren "Rater" schon die Mühe machen, sich mit dem Treuhänder zusammen das dem Pfandbrief zugeordnete Portfolio anhand der Kreditverträge und der unterlegten Grundpfandrechte zu den beliehenen Objekten einmal exakt anzuschauen. Oder die "Verbundhaftung" der öffentlichen Hand, im deutschen Grundgesetz verankert, dass nämlich in Deutschland zum Beispiel im Unterschied zu den USA eine Stadt, eine Gemeinde oder gar ein Bundesland gar nicht insolvent werden kann und faktisch die gleiche Bonität vorliegt wie beim unmittelbaren Schuldner "Bundesrepublik Deutschland". Hier werden aber leider teilweise abstruse und völlig unterschiedliche Ratingqualitäten von den nicht richtig informierten Agenturen festgemacht.

Auch wüsste ich gerne, wie Fitch sich bei den deutschen Pfandbriefbanken "im zweiten Schritt die Zahlungsströme und die Risiken im Deckungsstock der 'Covered Bonds' faktisch ansieht, um die Höhe des Kreditrisikos der Deckungswerte, das Zins- und das Währungsrisiko sowie die Laufzeitinkongruenzen" zu ermitteln. Ich halte das "Rating" der deutschen Pfandbriefe durch die angelsächsischen Agenturen nach kritischer Auseinandersetzung mit den Ausführungen des interviewten Standardsetters für oberflächlich und kurzsichtig, übrigens wie grundsätzlich auch deren Rating von Unternehmen. Dafür spricht ja auch, dass sich die Rater von den Auftraggebern, die sie bewerten sollen, ihre Arbeit vergüten lassen. Dieser Interessenkonflikt ist unlösbar.

Dass letztendlich die Ratingagenturen auch große Schuld an der immer noch aktuellen Finanzkrise haben, ist dann auch leicht nachvollziehbar. Wenn die Immobilien - obwohl sie Unikate sind und ihr "aktueller Wert" erst bei Vorliegen eines verbindlich unterschriebenen Verkaufs-/Kaufvertrages vorliegt - nach theoretischen Fair-Value-Ansätzen und völlig losgelöst von ihren Herstellungskosten bewertet werden, nehmen die Rater auch diese Werte als "heutige dauerhafte Werte" und setzen leichtsinnigerweise ein "AAA" an, obwohl morgen der Markt sich schon gedreht haben kann.

Hier wird völlig außer Acht gelassen, dass es sich bei Immobilien um langfristig nutzbare Wirtschaftsgüter handelt, deren Amortisation meist nur über Jahrzehnte durch den Ertrag aus der Immobilie möglich ist. Wie kann ich hier bei Papieren, die solche langfristigen Vermögensgegenstände finanzieren, von kurzfristiger Liquiditätsrechnung ausgehen? Dies kann nur spekulativ sein oder die Schuldverschreibungen, über die die Immobilien finanziert werden, dürfen den Begriff "Pfandbrief" nicht führen.

Oder noch deutlicher: Warum haben die Ratingagenturen die irrsinnigen "Marktpreissteigerungen" bei Einfamilienhäusern in den USA in den Jahren 2000 bis 2006 von unglaublichen 300 Prozent nicht einmal real hinterfragt. Das wäre sehr einfach gewesen, wenn man sich Gedanken über den "Neubauvergleichswert" solcher Objekte gemacht hätte, also die Marktpreise für Baumaterialien und Baulöhne über die sechs Jahre einmal verglichen hätte. Dann hätte man die "Luftnummer" dieses ganzen "Marktgeschehens" leicht erkannt, denn eine Jahresinflation von 40 bis 50 Prozent hat es in den USA nie gegeben - wie sollte das auch gehen, wenn die Löhne in den USA von 2001 bis 2006 insgesamt nur um zehn Prozent gestiegen sind - und warum soll sich ein "Preissteigerungswahn" nur im Teilmarkt von Wohnhäusern real widerspiegeln? Für mein 40-jähriges Berufsleben mit und um die Immobilie war der "Neubauvergleichswert" das einfachste Instrument, um nicht auf "Wertbetrügereien" hereinzufallen.

Standardsetter wie IASB und FASB für die Bilanzierung und die Ratingagenturen, die die hieraus resultierenden "Fair Values" als Realität bewertet haben, sind die wahren Verursacher der heutigen Finanzkrise. Bedauerlich ist nur, dass viele deutsche Banker diese "Scheinsystematik" offensichtlich nicht kritisch hinterfragt haben und sich die Bücher mit den Subprime-Papieren voll gepumpt haben? Für mich ist dies in meinem "53. Bankerjahr" überhaupt nicht nachvollziehbar und ich kann über diese Art, "Bankgeschäfte" zu betreiben, nur den Kopf schütteln. Ich plädiere dringlich für die - bereits vor 20 Jahren versuchte, aber leider nicht realisierte - Etablierung einer deutschen Ratingagentur. Klaus Feinen

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