Leitartikel

Pfandbriefe und Rating - ein gestörtes Verhältnis?

Die Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden (AHBR) versetzt die Märkte wiedermal in Aufregung - diesmal mit dem Pfandbriefrating - und bleibt sich damit treu. Denn zumindest in ihrer jüngeren Geschichte stellte sie so ziemlich alles im Banken- und Pfandbriefuniversum in Frage, was bisher als solide und sicher galt. Erste Erkenntnis: Fusionen können scheitern. Einst fanden sich zwei, dem Pfandbrief verpflichtete Banken zusammen, um endlich auch in der Oberliga eine tragende, doch letztlich tragische Rolle zu spielen. Zwar wurde durch die Vereinigung Masse gewonnen, doch ging offenkundig Einsichtsvermögen verloren.

Zweite Erkenntnis: Das Risikocontrolling kann umgangen werden. Denn in bester Spielermanier, doch unglücklich spekulierte seinerzeit der Vorstand ungebremst auf eine Zinsentwicklung, die so nicht eintrat. Dritte Erkenntnis: Die Konzernsteuerung kann versagen. Zu lange hatten die Eigentümer BGAG und BHW das Treiben ihrer Tochter geduldet und bei vergeblichen Stützungs- und Rettungsversuchen Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Zum Schluss blieb nur der Verkauf von BHW und AHBR sowie die vierte Erkenntnis: Kaufpreise können negativ sein.

Kurze Zeit später sorgte die Bank für die fünfte Erkenntnis: Auch Stille Gesellschafter und Genussrechtsinhaber können zur Sanierung herangezogen werden. Als die DZ Bank daraufhin die "Rettungsaktion" für die Bank blockierte, drohte der neue AHBR-Mehrheitsaktionär Lone Star unverhohlen mit dem Untergang der maroden Bank. Dies führte zur sechsten Erkenntnis: Das Market Making für Pfandbriefe kann unangekündigt eingestellt werden. Weder AHBR noch die Market Maker hielten eine Erklärung oder Kommentierung für nötig. Und schließlich verhalf die Bank jetzt zu einer weiteren Erkenntnis: Die Ratingansätze für Pfandbriefe sind unvollkommen.

Offenbar wurde dies, nachdem die Transaktion des Staatskreditgeschäfts der AHBR an die Depfa geplatzt ist. Dass die BaFin die Übertragung untersagte, ist schon besorgniserregend genug. Denn weder Käufer noch Verkäufer vermochten die Aufsicht von der Struktur des Deals zu überzeugen. Da unterstellt werden darf, dass beide Seiten reichlich - und reichlich vergütete - Experten mit der Strukturierung beauftragt hatten, bleibt nur die zur Gewissheit tendierende Vermutung, dass das AHBR-Staatskreditportfolio von 20 Milliarden Euro aufgrund seiner Komplexität kaum als Ganzes und nur schwer in einzelnen Brocken abzustoßen ist. Für die Sanierungspläne der Bank sind das denkbar schlechte Aussichten.

Als erste Ratingagentur sah sich Fitch veranlasst, eine Herabstufung des AAA-Ratings für Öffentliche Pfandbriefe der AHBR zu prüfen. Wenig später folgte Moody's mit der Absenkung des Ratings für Hypotheken- und Öffentliche Pfandbriefe um drei Notches auf A3 beziehungsweise A1. Standard & Poor's behielt dagegen das AAA-Rating bei. Diese unterschiedlichen Reaktionen auf ein Ereignis sind erklärungsbedürftig.

Besonders klar und nachvollziehbar ist die Trennung von Emittenten- und Pfandbriefrating bei Standard & Poor's. Denn das Pfandbriefgesetz sieht bei Insolvenz des Emittenten die Separierung der Deckungsmassen für Pfandbriefe vor, um die Forderungen der Pfandbriefgläubiger bedienen zu können. Da es einen solchen Fall bisher zum Glück noch nicht gab, fehlen allerdings Erfahrungswerte. Zudem bestehen rechtliche Unsicherheiten hinsichtlich der Verfügungsgewalten des Insolvenzverwalters der Bank und dem Ersatzverwalter für die separierten Deckungsstöcke - denn die Qualität der Deckung reicht möglicherweise nicht für die Bedienung der Pfandbriefgläubiger. Deshalb fordert Standard & Poor's eine über die gesetzlichen Vorschriften von zwei Prozent hinausgehende Überdeckung, deren Höhe jedoch von dem (gewünschten) Zielrating abhängt. Folglich haben bis auf eine Ausnahme sämtliche von der Agentur gerateten Pfandbriefe ein Triple-A (siehe Tabelle).

Allerdings basiert die zusätzliche Überdeckung auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung, die juristisch unverbindlich ist. Deshalb wird sie beispielsweise von Moody's zu Recht kaum berücksichtigt. Stattdessen stellt die Ratingagentur bei der Beurteilung der Pfandbriefqualität sehr stark auf den Emittenten ab. Daher war die Herabstufung der AHBR-Pfandbriefe durch Moody's keine Überraschung. Denn schon im Oktober 2006 war das Kreditinstitut im Langfristrating von Baa3 auf Ba3 gesenkt worden. Unerwartet war jedoch das Ausmaß des Downgrades um drei Stufen. Dass dies sogar die Öffentlichen Pfandbriefe betraf, sorgt für Irritationen im Markt. Vor allem, weil nach der neuen Methodologie schon relativ kleine Änderungen in der Qualität der Deckungsmassen große Ausschläge im Rating der Pfandbriefe bedingen können, ließen im Markt verständliche Zweifel an der Stabilität von Moody's Pfandbriefrating aufkommen.

Fitch versucht dagegen, mittels Discontinuity Factor den Einfluss eines Ausfalls des emittierenden Finanzinstituts auf dessen ausstehende Pfandbriefe zu messen. Dabei ist nicht nur die Überdeckung und das Insolvenzrecht von Bedeutung, sondern auch die Bereitschaft anderer Pfandbriefemittenten, bei der Rettung des insolventen Instituts beziehungsweise dessen Deckungsmassen zu helfen. Ob sich damit allerdings die "tatsächliche" Ausfallwahrscheinlichkeit für Pfandbriefe ermitteln lässt, ist solange fraglich, wie der Discontinuity Factor nicht in der Praxis validiert wurde. Doch seit über 100 Jahren musste keine Pfandbriefbank Insolvenz beantragen.

Angesichts der Schwierigkeiten, Pfandbriefe "richtig" zu raten, verdient die Initiierung eines Arbeitskreises Pfandbriefrating im Verband deutscher Pfandbriefbanken besondere Beachtung. Bedauerlich ist jedoch, dass die Konsultationen zwischen Emittenten und Ratingagenturen dem Anschein nach bislang weitgehend ergebnislos blieben. Wie schwierig und langwierig solche Gespräche sein können, hat sich schon bei der Überarbeitung der Mindeststandards für Jumbo-Pfandbriefe gezeigt. Trotz höchster Dringlichkeit kamen nach fast einem Jahr lediglich Empfehlungen an die Market Maker dabei heraus. Beim Rating scheinen die Verhandlungen noch schwieriger zu sein. Denn zunächst gilt es tiefer in die Methodologien einzudringen, um Vor- und Nachteile herauszuarbeiten. Am Ende, so hoffen die 19 Mitgliedsinstitute, können sie eine einheitliche, fachlich fundierte Position erarbeiten und gegenüber den Ratingagenturen vertreten. Dabei soll es unter anderem um die Beurteilung von Derivaten und die Frage gehen, ob die von den Agenturen gewünschte Datentiefe noch gerechtfertigt ist.

Dass die deutschen Pfandbriefbanken dabei gerne Maßstäbe setzen und Vorreiter sein wollen, ist zwar aller Ehren wert, doch es stellt sich die Frage, ob das Thema nicht besser auf europäischer Ebene und für alle Covered Bonds betrachtet werden sollte. Denn die Ratingagenturen wenden im Grundsatz für jeden Covered Bond die gleiche Methodologie an. Im European Covered Bond Council besteht zumindest schon eine Working Group, die sich des Themas Rating speziell angenommen hat. Es darf allerdings davon ausgegangen werden, dass in diesem Gremium die Abstimmungsprozesse wegen unterschiedlicher Interessen noch länger dauern.

Aber brauchen Pfandbriefe unbedingt ein Rating? M.M.Warburg Hypothekenbank, Karstadt Hypothekenbank und Deutsche Schiffsbank kommen ohne Ratingnote gut zurecht. Allerdings platzieren sie ihre Papiere nur in Deutschland. Wer seine Pfandbriefe bei internationalen Investoren unterbringen will, kann auf ein anerkanntes Rating nicht verzichten. Angesichts der unterschiedlichen Bewertung ihrer Pfandbriefe ist zu erwarten, dass die AHBR einerseits keine neuen Öffentlichen Pfandbriefe emittieren und andererseits umlaufende Pfandbriefe verstärkt zurückkaufen wird. Demnach wird es wohl auch über die bisherigen 14 Monate kein Market Making für AHBR-Papiere geben. Trotz ihrer Unvollkommenheit haben die Ratings doch eines gezeigt: Je länger das AHBR-Drama anhält, desto mehr Schaden nimmt das Produkt. Deshalb sollte die leidige Geschichte "AHBR" schnell und gründlich zu Ende gebracht werden, um vielleicht eine bessere Story "Corealcredit" schreiben zu können.L.H.

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