Schwerpunkt Bausparen und Bausparkassen

Das Produktportfolio einer Bausparkasse im Spannungsfeld zwischen Markt und Regulatorik

Als Spezialkreditinstitute sind Bausparkassen durch das Bausparkassengesetz und aufsichtsrechtliche Regularien einerseits in ihrer unternehmerischen Freiheit mehr als andere vergleichbare Finanzdienstleister eingeschränkt. Andererseits können nur die Bausparkassen als Produktgeber von Bausparverträgen fungieren. Damit können nur sie spezielle Konten anbieten, die einen Ansparprozess des Kunden mit der Option auf ein zinssicheres Darlehen für die Finanzierung wohnwirtschaftlicher Zwecke verbindet. Was sollte also eine Bausparkasse allein oder im Kontext der Einbindung in einen Unternehmensverbund oder über Kooperationspartner im Markt anbieten? Und warum?

Kundenbedürfnisse

Die Realität ist immer noch so, wie von Nationalökonomen schon vor 200 Jahren beschrieben: Die menschlichen Bedürfnisse sind prinzipiell unbegrenzt. Aber niemand kann alles anbieten. Setzen wir also auf in dem für Bausparkassen relevanten Bedarfsfeld: In den eigenen vier Wänden zu wohnen, und dies grundsätzlich auf einem vom Kunden präferierten Level. Dies schließt den Erwerb/Bau ebenso ein wie Maßnahmen zur Renovierung/Erweiterung/Energieoptimierung. Der Weg in die eigenen vier Wände hat zwei Dimensionen: die bauliche Realisierung (das "Sichtbare") und der Weg dahin über die Mobilisierung von finanziellen Mitteln (das "Unsichtbare"). Um Letzteres geht es.

Sehr zu Recht fordern Politiker und Verbraucherschützer heute eine saubere Ermittlung der Möglichkeiten, Wünsche und Ziele des Kunden und die Beschreibung des geeigneten Weges, um diese Wünsche und Ziele zu erreichen. Bei den eigenen vier Wänden geht es dabei unter anderem um folgende Bedarfsfelder:

- das Ansparen von Eigenmitteln, um eine Finanzierung gegebenenfalls mit dem ergänzenden Einsatz von Fremdmitteln überhaupt erst möglich zu machen,

- die sofortige Finanzierung in den Fällen, wo der Kunde jetzt und nicht später realisieren will und dies auch kann,

- die Sicherheit, dass man selbst mit einem vorgeschalteten Ansparprozess auch später noch an ergänzende Fremdmittel zu feststehenden und damit kalkulierbaren Bedingungen kommt,

- die Entlastung der Angehörigen für den Fall, dass der zur Rückzahlung verpflichtete Kreditnehmer dies nicht mehr leisten kann (Tod, Unfall, Krankheit/Arbeitsunfähigkeit et cetera), - die Absicherung des (finanzierten) Objektes gegen teilweisen oder vollständigen Untergang (Feuer, Naturkatastrophen und so weiter),

- die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen und Fördergelder zur besseren Realisierung des Wohnungserwerbs.

Das bedeutet: Eine Bausparkasse, die sich selbst - über Vertrieb - im Markt als kundenorientierter Anbieter positioniert, muss in der Lage sein, die genannten Lösungen zu bieten. Allerdings muss sie es nicht dadurch tun, dass sie alle Leistungen aus dem eigenen Haus heraus anbietet. Das geht bekanntlich nicht. Aber sie muss in der Lage sein, im Verbund oder über Kooperationen Lösungen darzustellen.

Vertriebliche Erfordernisse

Keine Bausparkasse mit eigenem Marktzugang kann Interesse daran haben, dass "ihr" Vertrieb zum Beispiel nur ein kombiniertes Anspar- und Finanzierungsprodukt anbietet, sonst aber nichts. Die Folge wäre nämlich, dass die Qualität der Beratung über eine nur eingeschränkte Bedarfsanalyse und nur eingleisige Lösungen zur Bedarfsdeckung an den eigentlichen Bedürfnissen des Kunden vorbeigeht. Die Folge wäre, dass das Image der Bausparkasse Schaden nimmt, der Vertrieb zu wenig Erfolgschancen hat und qualitativ gute Vertriebspartner nicht gewonnen und gehalten werden können. Die Bausparkasse muss also dafür sorgen, dass die wesentlichen relevanten Bedürfnisse rund um die Mobilisierung finanzieller Mittel auch erkannt und befriedigt werden können.

Welche Rolle spielt die Immobilienvermittlung, also die Mitwirkung bei der Realisierung des "Sichtbaren"? Es ist eine mittelbare Rolle. Wenn eine Bausparkasse in ihrem Umfeld (das heißt über separate Rechtsträger in der Kooperation oder im Verbund) als "Nachweisgeber" das Angebot von Gebrauchtimmobilien und neuen Häusern kommuniziert, gewinnt sie Interessenten für die Mobilisierung von finanziellen Mitteln - also im Ergebnis nach entsprechender Kundenanalyse Menschen mit der Notwendigkeit, für einen späteren Immobilienerwerb erst einmal einen Sparprozess zu beginnen. Oder Menschen, die sofort eine Finanzierung schultern können und auch brauchen. Anders ausgedrückt: Das Werben mit Immobilien stärkt das zulässige Kerngeschäft einer Bausparkasse. Wenn eine angebotene Immobilie bis zum Verkauf zehn bis 20 konkrete Interessenten generiert, trifft man in fast allen Fällen auf potenzielle Anspar- und Finanzierungskunden.

Nebenbedingungen

Aus Vertriebssicht gibt es aber Nebenbedingungen. Wenn man 100 Vertriebler nach dem idealen Produkt mit den für sie wichtigen Details fragt, bekommt man mindestens 50 unterschiedliche Vorschläge. Wenn man daraus den größten gemeinsamen Nenner ableiten würde, also ein Produktsystem mit allen entsprechenden Varianten, kommt im Ergebnis heraus: Es ist viel zu komplex, und es wird nicht verkauft. Und obwohl jeder irgendwo das bekommen hat, was er wollte, sind alle unzufrieden.

Vertriebe wollen eine einfache Produktwelt, mit einfachen Prozesselementen, vom Marketingmaterial über die Produktrechner, Produktinformationen, den Antrag, den Antragsprozess und die Weiterverarbeitung beim Produktgeber bis zu den aus erfolgreichen Abschlüssen resultierenden Vergütungen. Allein im Bausparprodukt steckt eine Menge notwendiger Komplexität. Ist es also wirklich erforderlich, dass Bausparkassen bis zu vier Tarife mit bis zu zehn Tarifvarianten anbieten? Im Zweifel ist "keep it simple" besser.

Betriebswirtschaftliche Erfordernisse

Nicht überall, aber in diesem Punkt zeigen vertriebliche und ertragliche Interessen in die gleiche Richtung: Eine einfache, schlanke Produktwelt ist in aller Regel Voraussetzung für niedrigere IT-Investments, niedrigere Stückkosten in der Verarbeitung, geringere Informations- und Schulungskosten für Innendienste und Vertriebe, einfachere Gestaltung der Prozesse in der Abwicklung und damit höhere Servicegrade (Bearbeitungszeiten) sowie Kontrollprozesse.

Dabei ist es nicht nur wichtig, dass jedes Produkt für sich betrachtet hinreichend schlank ist. Vielmehr sollten auch zu häufige Produktänderungen über die Zeit vermieden werden. Das gilt insbesondere für Produkte der Baufinanzierung und des Bausparens, also "Langläufer" über bis zu 25 Jahre und mehr. Das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Generationen von Bauspartarifen ist teuer und eine Belastung für den Beratungsprozess.

Die optimale Produktportfoliostrategie ist naturgemäß von der Situation der einzelnen Bausparkasse abhängig. Ist sie in allererster Linie nur Spezialproduktanbieter für andere? Ist sie stark von eigenvertrieblichen Aktivitäten abhängig? Arbeitet sie im Verbund oder in Kooperationen? Die Beantwortung dieser Fragen beeinflusst naturgemäß den Grad der Diversifikation und Produktbreite, keine Frage. Generell kann aber festgehalten werden:

- Eine Bausparkasse sollte in der Lage sein, ganzheitliche Lösungen für die Mobilisierung von Finanzmitteln zu bieten, um in den eigenen vier Wänden zu wohnen.

- Die Zusammenarbeit mit Anbietern von Immobilien verbessert die Möglichkeiten, neue Kunden zu gewinnen und damit die Bausparkasse zu stärken.

- Die konkret angebotenen Produkte sollten sich auf möglichst wenige Varianten beschränken und über die Zeit möglichst selten wieder geändert werden.

Es wird nicht alles in Reinkultur gelingen, aber man kann es versuchen. Die Bausparkasse Mainz hat sich vorgenommen, diesen Grundsätzen zu folgen. Dies kommt unter anderem in ihrem neuen Slogan "BKM. Deine Bausparkasse. Mehr Service. Mehr Sicherheit." zum Ausdruck.

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