Schwerpunkt Genossenschaften

Seit Jahren erfolgreich auf dem Holzweg

Anfang 2002 wurde die neue Energieeinsparverordnung (EnEV) in Deutschland eingeführt, um die erheblichen CO2-Minderungspotenziale bei Wohngebäuden umzusetzen. Für die Baugenossenschaft Hegau war das der Anstoß für die Technikumstellung ihrer Heizanlagen. Während nach der alten Wärmeschutzverordnung von 1995 der Heizwärmebedarf begrenzt wurde, wurde mit der EnEV der Primärenergiebedarf die neue Messlatte.

Folgen der Energiesparordnung

Bis 2002 musste der Verlust der bereitgestellten Heizwärme vor allem durch die Außenbauteile mit ausreichender Dämmung verringert werden. Mit der Einführung der Energiesparverordnung lautet das umfassendere Ziel, die Menge der eingesetzten Primärenergie (Erdöl, Erdgas, Strom und Ähnliches) zu mindern.

Das Ergebnis der damaligen Bestandsaufnahme lautete: Die genossenschaftlichen Heizanlagen waren zum Teil über 30 Jahre alt. Die erste Überlegung war, alte Heizanlagen gegen neue Öl- oder Gasbrennwerttechnik austauschen. Dann wurde schnell klar, dass jetzt der Zeitpunkt für eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft der Wärmeversorgung in den Häusern war.

Allerdings warf diese Entscheidung zunächst viele Fragen auf. Welche Wärmeversorgungstechniken gibt es? Sind innovative Techniken wirtschaftlich einsetzbar? Zur besseren Übersicht wurde eine Energiestudie in Auftrag gegeben. Dabei wurden gängige und neuartige Heiztechniken untersucht, wobei der Nachweis der Wirtschaftlichkeit der Wärmeversorgungstechnik wesentlich war. In die engere Wahl kamen sind Gasbrennwerttechnik, Holzhackschnitzel-Wärmeversorgungsanlagen, Holzpellet- und Geothermieheizungen.

Das Ergebnis der Energiestudie war überraschend: Die wirtschaftlichste Lösung für Wärmeversorgungsanlagen bis 120 kW laut Studie sind Geothermieheizungen und für Anlagen über 120 kW Holzhackschnitzelheizanlagen. Daher entschied sich die Genossenschaft für ihre 27 Wohnhäuser mit 420 Wohnungen in Singen zum Bau ihrer ersten Holzhackschnitzelheizanlage mit 1000 kW.

Das Investor-Nutzer-Dilemma

Der überwiegende Wohnungsbestand war schon mit Zentralheizanlagen ausgestattet, sodass die Hegau vor dem klassischen Investor-Nutzer-Dilemma stand: Das heißt, der Aufwand beziehungsweise die Investition lag bei der Baugenossenschaft als Gebäudeeigentümer und der Vorteil durch künftig geringere Brennstoffkosten beim Nutzer.

Hinzu kommt, dass bei innovativen Techniken, wie zum Beispiel der Holzhackschnitzeltechnik, das sogenannte Inves-tor-Nutzer-Dilemma noch größer wird, weil die Investitionskosten für diese Technik weitaus höher sind als für die Gas- oder Ölbrennwerttechnik, aber die Brennstoffkosten für Holzhackschnitzel weitaus geringer sind als für Heizöl oder Gas.

Die Schere zwischen demjenigen, der investiert und demjenigen, der profitiert, geht immer weiter auf und der Einsatz innovativer, klimaschonender Techniken wird wirtschaftlich unmöglich. Damit war klar: So rechnet sich die innovative Modernisierung der Wärmeversorgungsanlagen nicht. Der Grundgedanke, der Effizienzgewinn und die Brennstoffkostenersparnis müssen die Investition finanzieren, stand außer Frage.

Nach der Heizkostenverordnung (HKVO) sind nur die Brennstoffkosten - also betriebswirtschaftlich nur Teilkosten - abrechenbar. Beim Contracting dagegen ist der Wärmepreis - also betriebswirtschaftlich Vollkosten - abrechenbar und damit das Ziel erreicht, dass der Effizienzgewinn und die Brennstoffkostenersparnis die Investition finanzieren. Durch die Ausgliederung der Heizanlagen in eine Tochtergesellschaft verändert sich auch die Bilanzierung der Heizungsmodernisierung.

Tochtergesellschaft als Lösung

Würde die Modernisierung im Mutterunternehmen die Gewinn- und Verlustrechnung als Instandhaltungsaufwand belasten, ist sie in der Tochter-GmbH aktivierungsfähiger Herstellungsaufwand. Die Hegau Immobilien Service & Management GmbH hat Anfang 2002 den Betrieb aller 80 baugenossenschaftlichen Heizanlagen und die Wärmeversorgung für alle Wohnungen übernommen.

Die einfachste Lösung, nämlich das Contracting einfach an einen Dritten zu übertragen, wurde nicht gewählt, da man im Interesse der Mitglieder "Herr im Hause" bleiben wollte, um so den Einfluss auf die Höhe des Wärmepreises zu erhalten. Die erste Holzhackschnitzelheizanlage mit Nahwärmenetz für inzwischen 420 Wohnungen und eine Kirchengemeinde wurde im Jahr 2003 gebaut. Mittlerweile sind 15 Holzwärmeversorgungsanlagen in Betrieb und versorgen 1251 Wohnungen, davon 147 in Eigentümergemeinschaften.

Grundsätzlich wird neben dem Einbau einer Holzheizung auch energetisch modernisiert durch Wärmedämmung der Gebäude sowie den Einbau wärmeschutzverglaster Fenster, wodurch der Wärmebedarf sich weiter reduziert wird. Den Einsatz des klimaschonenden heimischen Brennstoffs Holz wurde seit 2003 kontinuierlich gesteigert. Erzeugte die Genossenschaft 2005 noch ein Fünftel ihrer Wärmemenge mit Holz, waren es 2006 bereits ein Viertel und 2007 bereits ein Drittel. Heute wird mehr als die Hälfte der gesamten Wärmemenge durch Holzheizanlagen erzeugt.

Stärkung der regionalen Wirtschaft

Bleibt die Frage, was hat beim Einsatz des klimaschonenden heimischen Brennstoffes Holz überzeugt? Heizöl und Gas werden im Ausland eingekauft, Holz dagegen wächst praktisch "vor der Tür". Holzhackschnitzel und Holzpellets werden von heimischen Arbeitskräften vor Ort hergestellt. Dadurch wird die regionale Wirtschaft gestärkt. Der Verzicht auf fossile Brennstoffe bedeutet Unabhängigkeit von der Preistreiberei der Öl- und Gasexportierenden Staaten und weltweiten Krisen.

Der in jüngster Zeit vielgenutzte Begriff "Nachhaltigkeit" stammt übrigens ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Gemeint ist damit die Bewirtschaftungsweise des Waldes, bei welcher immer nur so viel Holz entnommen wird, wie nachwachsen kann - was liegt also näher als sein Einsatz als Brennstoff? Neben der Wirtschaftlichkeit ist auch ein Imagegewinn durch den Einsatz innovativer klimaschonender Techniken zu beobachten.

Gewünschter "Nebeneffekt" ist zudem die positive Umweltbilanz, weil Holz kohlendioxidneutral verbrennt und beständig nachwächst. Damit wird aktiv ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Bis einschließlich 2009 sparte die Baugenossenschaft rund 3,4 Millionen Liter Heizöl und rund 11000 Tonnen an Co2-Ausstoß ein.

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