Grundpfandrechte in der Verwertung

Solide Datenbasis für bestmöglichen Mittelrückfluss

2012 hat mit einer guten Nachricht auf dem Immobilienmarkt begonnen: Laut der im Februar vom Berufsverband der Immobilienfachleute RICS veröffentlichten Global Commercial Property Survey trotzt Deutschland momentan der Schuldenkrise im Euroraum und der einhergehenden Konjunkturabschwächung. Die Umfrageteilnehmer konstatierten entgegen dem allgemeinen europäischen Trend eine positive Flächennachfrage, steigende Mieten und eine Zunahme der Investmentaktivität.

Die gestiegene Flächennachfrage spiegelte sich im letzten Quartal 2011 auch in einer Zunahme des Investoreninteresses an notleidenden Immobilien wider, die der Verband bereits im November vergangenen Jahres vermeldet hatte. Man denke etwa an Investoren aus Griechenland oder Spanien, die aufgrund der eigenen wirtschaftlich schwierigen Lage ihr Geld hierzulande in einer vergleichsweise sicheren Form anlegen möchten. Immobilien gelten nach wie vor als krisenfest und inflationsgeschützt.

Wann immer ein Immobiliendarlehen notleidend wird, interessiert den Kreditgeber vor allem eines: Wie hoch ist das Ertragspotenzial der Immobilie? Privatpersonen möchten dies beim Verkauf ihres Objektes durch einen Makler gern im Vorwege wissen - genauso wie Finanzinvestoren bei einem Forderungskauf. Auch Wohnungsbaugesellschaften möchten den Wert ihrer Immobilienbestände kennen - genauso wie Banken bei Akquisitionen die Sicherheiten-Qualität der neu erworbenen Kredite - um nur einige Beispiele zu nennen. Der Bedarf an Verkehrswert- respektive Marktwertgutachten in Deutschland ist damit anhaltend hoch.

Spezielle Rechtslage

So unterschiedlich wie diese Zielgruppen und Belange sind die Unternehmen, die eine Bewertung der Immobilien anbieten. Mittlerweile teilen sich Beratungsgesellschaften, Makler, Gutachter und andere den sehr heterogenen Markt. Gemeinsam sollte ihnen das Ziel einer möglichst realistischen aktuellen Wertbestimmung sein - über die Motive von Immobilienbewertern herrscht allerdings mitunter bei den Marktteilnehmern genauso viel Unsicherheit wie über deren Qualität. Das hängt nicht zuletzt mit der Rechtslage im Bereich Forderungskauf zusammen.

Beim Verkauf gekündigter Kreditarrangements wird nämlich das ursprüngliche Geschäft nicht fortgeführt. Selbst der Bundesgerichtshof billigt Banken und Sparkassen zu, notleidende Kredite durch Forderungsverkäufe zu realisieren. Allerdings: Darlehensnehmer genießen den gleichen Schutz vor unrechtmäßigem Handeln eines Kreditkäufers wie gegenüber dem ursprünglichen Darlehensgeber. Geschützt sind sie hierzulande unter anderem durch das Risikobegrenzungsgesetz. Es schließt den einredefreien Erwerb einer Sicherungsgrundschuld, dem Bindeglied zwischen Forderung und Grundschuld, aus. Fälle, in denen Kreditinstitute Forderungen veräußert haben, ohne gleichzeitig den Forderungskäufer zu verpflichten, die Grundschuld einschließlich marktüblicher Zinsen lediglich in Höhe der gesicherten Forderung geltend zu machen, sind hierzulande nicht bekannt.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage wird deutlich: Beim Verkauf einer Immobilie, noch dazu einer notleidenden, geht es nicht allein um die Bestimmung ihres aktuellen Werts und der möglichen Dauer ihrer Vermarktung. Mindestens genauso entscheidend ist das Expertenwissen rund um den Markt der sogenannten Non-Performing Loans (NPL). Sein Volumen kann wegen wachsender Verschwiegenheit über die Transaktionen laut der Frankfurt School of Business nur geschätzt werden und liegt bei etwa 300 Milliarden Euro.

Tatsache ist: Viele Marktteilnehmer verfügen inzwischen über langjähriges Knowhow im Forderungskauf. Fakt ist aber auch, dass Workout-Abteilungen vielerorts stark ausgelastet sind, spezialisierte Ressorts für die Abwicklung oftmals fehlen. Überzeugen können in dieser Situation Firmen, die beide Kernkompetenzen Forderungskauf und Immobilienbewertung auf sich vereinen. Neben Fallzahlen und Referenzen geben Mitgliedschaften in einschlägigen Verbänden sowie Zertifikate, die Prozesse plausibel belegen, Auskunft über die Güte der Anbieter.

Selbst wenn Forderungskäufer nicht bei jedem Portfolio den Zuschlag erhalten, so haben sie doch im besten Fall jede Immobilie vor Ort angeschaut und detailgetreu dokumentiert. Auf diese Weise verfügen diese Experten über eine wertvolle und bundesweite Datenbasis sowie ein realistisches Gefühl für den effektiven Marktwert einer Immobilie - beides ist ausschlaggebend für den Erfolg einer Immobilienbe- und -verwertung.

Wie hoch das Ertragspotenzial von Immobilien letztlich ist, hängt maßgeblich davon ab, wie sie rechtlich, steuerlich und bautechnisch genutzt werden sollen. Je nach Lage, Ausstattung und Vermietbarkeit erzielen sie Sofortrenditen bis zu fünf Prozent jährlich; ihr Wert steigert sich durchschnittlich bis zu zwei Prozent pro Jahr. Hinzu kommen steuerliche Vorteile, da etwa Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten direkt als Werbungskosten geltend gemacht werden können. Bei denkmalgeschützten Objekten können zudem Sanierungskosten anerkannt werden.

Allerdings: Der Staat setzt eine Frist für Veräußerungsgewinne, sodass der Zeitpunkt eines Verkaufs genau abgewogen werden muss. Besitzt ein Verkäufer die Immobilie nicht mindestens zehn Jahre, muss er unter Umständen Veräußerungsgewinne versteuern, sodass am Ende ein frühzeitiger Verkauf bereits erhaltene Vorteile wettmachen könnte. Verschiedene Konzepte müssen in diesem Zusammenhang durchgerechnet und durch Marktanalysen und -prognosen untermauert werden. Wo liegt die Immobilie? Wie groß ist sie? Wie ist sie beschaffen? Wie wurde sie ursprünglich finanziert? Was sagen sozial-ökonomische Faktoren über die Region aus? Daten wie diese fließen in Gutachten und Verfahren zur Wertermittlung ein.

Unterschiedliche Bewertungsverfahren

In Deutschland genießt das Verkehrswertgutachten eine besondere Stellung, da es von vielen Institutionen allein anerkannt wird. § 194 BauGB definiert den Verkehrswert. Mindestanforderungen sind in der Mustersachverständigenordnung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) festgeschrieben. Sie sieht vor, dass Gutachter Verfahrenswege und mathematische Modelle sowie Bewertungsverfahren beschreiben - damit das Gutachten sowohl für Laien als auch für Fachleute nachvollziehbar ist.

Grundstücke mit überwiegend typisierten Gebäuden - zum Beispiel Reihenhäuser oder Eigentumswohnungen - kommen für ein Vergleichswertverfahren in Frage. Dabei sind Kaufpreise von Objekten heranzuziehen, die in möglichst vielen Merkmalen mit der zu bewertenden Immobilie übereinstimmen (Vorteile siehe auch Schaubild) - vorausgesetzt, es ist eine genügend große Anzahl von Vergleichsobjekten vorhanden.

Steht im Zuge einer Investition bei einer Bewertung der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Werteinschätzung im Vordergrund, empfiehlt sich das ebenfalls vergleichende Ertragswertverfahren. Zugrunde gelegt werden hierbei der Liegenschaftszinssatz, die Bewirtschaftungskosten, sonstige wertbeeinflussende Umstände und die Restnutzungsdauer.

Bei überwiegend individuell gestalteten und eigengenutzten Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken stehen nicht so sehr der Ertrag, als vielmehr die Herstellungskosten im Vordergrund. In diesem Fall bietet sich das Sachwertverfahren für eine Wertermittlung an. Es kann auch hilfreich dabei sein, im Zuge eines Ertragswertverfahrens den Wert gegenüber einem Investor zu untermauern oder bei älteren Immobilien mit hohem Instandsetzungsbedarf den Restwert zu ermitteln. In allen Fällen spielen wertmindernde Faktoren und damit die Einschätzung der vorhandenen Bausubstanz eine große Rolle.

Diese Methoden zur Ermittlung des Verkehrs- beziehungsweise Marktwerts von Gebäuden allgemeiner Art, Häusern oder Wohnungen werden in der Immobilienwertverordnung (WertV) zusammengefasst. Ausschlaggebend ist demnach der Preis, der zum festgelegten Zeitpunkt für die Immobilie aufgrund ihrer Beschaffenheit sowie rechtlicher und sonstiger Begebenheiten zu erzielen wäre - ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse.

Ergebnisse der Gutachten als Entscheidungsgrundlage

Neben dem Verkehrswert- respektive Marktwertgutachten haben Beleihungswertgutachten nach der Beleihungswertermittlungsverordnung für die Immobilienbewertung in der Finanzwirtschaft eine zunehmende Bedeutung. Umfang und Inhalt sind mit Verkehrswertgutachten vergleichbar - allerdings ergeben sich bei Beleihungswerten andere konservative Vorgaben der Beleihungswertverordnung.

Letztlich haben alle Gutachten und Verfahren ein Ziel gemeinsam: Sie liefern eine bestmögliche, weil fundierte Entscheidungsgrundlage für Treuhänder oder Geschäftsführer, die den Wert einer Immobilie schon vor einem etwaigen Kreditereignis taxieren möchten. Beispielsweise dann, wenn eine Bank ihr bisher auf Konsumentenkredite ausgerichtetes Portfolio um Immobilienkredite erweitern möchte oder ein Treuhandgeber seine Bestände überprüfen und Risiken seiner Finanzbuchhaltung korrekt abgrenzen möchte. Oder aber wenn Treuhänder oder Geschäftsführer sich für einen Weg der Verwertung entscheiden wollen.

Bestmögliche Lösung für Schuldner

Grundsätzlich möglich sind in diesem Zusammenhang ein freihändiger Verkauf der Immobilie oder ihre Zwangsversteigerung. Der größte Vorteil eines freihändigen Verkaufs gegenüber einer Zwangsversteigerung besteht in der Freiheit hinsichtlich des Verkaufstermins und der Verschwiegenheit über Daten zu Käufer und Preis. Ein Zwangsversteigerungsverfahren dauert in der Regel mindestens ein Jahr von der Antragstellung über die Erstellung eines Gutachtens durch einen bestellten Rechtspfleger bis hin zum ersten Termin der öffentlichen Versteigerung. Es kann sich verlängern, wenn der Schuldner seinerseits Schutzanträge stellt, weil er etwa bestimmte Punkte zu seiner Immobilie im Gutachten zu wenig beachtet sieht.

Ganz gleich, für welchen Verwertungsweg sich Beteiligte entscheiden, im Vordergrund sollte immer die bestmögliche Lösung für den Schuldner stehen. Gerade wenn eine Objektverwertung und gegebenenfalls eine Zwangsversteigerung nicht vermieden werden können, sollten Mittel und Wege vorhanden sein, den Kreditnehmer bei der Vermarktung zu unterstützen. Hierzu bedarf es verlässlicher Immobilienmakler und renommierter Rechtsanwälte, deren Schwerpunkt auf der Betreuung von Zwangsversteigerungen und Zwangsverwaltungsverfahren liegt. Dass diese Partner nicht mit Wettbewerbern kooperieren sollten, deren Geschäftspraktiken fragwürdig erscheinen, versteht sich von selbst. Die Erfahrung lehrt, dass kooperative Wege gegenüber Zwangsversteigerungen zu einem langfristigeren Erfolg führen - letztlich steigern sie nicht nur die Reputation des Immobilienbewerters, sondern auch den Mittelrückfluss.

Jochen Prinz , Geschäftsführer, CINTHIA Real Estate GmbH, Mohnheim am Rhein
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