Recht und Steuern

Spekulationsfrist teils verfassungswidrig

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem die nachträgliche Verlängerung der Spekulationsfrist ohne Übergangsregelung für teilweise verfassungswidrig erklärt wurde, ermöglicht Betroffenen bereits gezahlte Steuern zurückzufordern. Über das Urteil dürften sich alle Immobilienbesitzer freuen, die ab 1999 Veräußerungsgewinne versteuern mussten, obwohl ihre Immobilien bereits zuvor aus der bis dahin geltenden zweijährigen Spekulationsfrist herausgefallen waren. Für diese Verkäufer von Immobilien ist es wichtig, die Möglichkeit des Einspruchs gegen den Einkommenssteuerbescheid zu prüfen. In vielen Fällen wird eine Neuberechnung des Veräußerungsgewinns und der daraus resultierenden Steuerlast für die Betroffenen erforderlich werden.

Bis 1998 unterlagen die Gewinne aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften der Einkommensteuer, wenn zwischen Anschaffung und Verkauf weniger als zwei Jahre lagen. Diese Spekulationsfrist verlängerte die damals neu angetretene Rot-Grüne Bundesregierung auf zehn Jahre: Mit dem Steuerentlastungsgesetz galt die neue Frist erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 1999. Das Gesetz bezog aber auch solche Immobilien mit ein, bei denen die zweijährige Spekulationsfrist bereits ausgelaufen war.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte nun diesen Teil des Gesetzes für verfassungswidrig und nichtig. Der Gesetzgeber, so die Karlsruher Richter, hätte entweder alle Immobilien, bei denen die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, von der Neuregelung ausnehmen müssen. Oder aber er hätte bei solchen Immobilien nur Wertzuwächse besteuern dürfen, welche nach Inkrafttreten des Gesetzes am 31. März 1999 eingetreten waren.

Von der Entscheidung betroffen sind alle Verkäufe von Immobilien, in denen das Grundstück nach dem 31. Dezember 1988 und vor dem 31. März 1997 angeschafft worden ist. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Frist für die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen von Immobilien war dann zwar die alte zweijährige Frist abgelaufen, nicht aber die neue 10-Jahres-Frist. In all diesen Fällen sollte die Möglichkeit eines Einspruchs gegen den Einkommenssteuerbescheid geprüft werden. Im Erfolgsfall kann sich eine Herabsetzung von bereits gezahlter Einkommenssteuer ergeben.

Der Veräußerungsgewinn ist dann nämlich grundsätzlich nicht nach § 23 EStG steuerpflichtig. Denn am 31. März 1999 war die zweijährige Spekulationsfrist bereits abgelaufen. Obwohl der Verkauf nach dem 1. Januar 1999 stattfand, gilt daher für diese Veräußerung nicht die durch die Neuregelung des § 23 EStG verlängerte Spekulationsfrist, sondern die alte Frist von zwei Jahren. Nach Ansicht des BVerfG kann allerdings die Wertsteigerung besteuert werden, die das Grundstück nach dem 31. März 1999 erfahren hat. Falls das Grundstück innerhalb der neuen Spekulationsfrist von zehn Jahren veräußert wurde, muss nach § 23 EStG die Differenz zwischen Veräußerungserlös und Verkehrswert zum 31. März 1999 versteuert werden.

Es ist damit zu rechnen, dass zur praktischen Umsetzung eine Typisierung des Wertzuwachses ab dem 31. März 1999 vorgenommen wird. So könnte der Gesetzgeber festlegen, dass alle Grundstücke ab dem 31. März 1999 jährlich um einen bestimmten Prozentsatz im Wert gestiegen sind. Der Steuerpflichtige hat dann die Möglichkeit, nachzuweisen, dass der Wertzuwachs geringer war.

Nicht betroffen von dem Urteil sind all die Fälle, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 31. März 1999 die damals geltende zweijährige Frist noch nicht abgelaufen war. Ebenfalls nicht betroffen von dem Urteil sind alle Immobilienkäufe, die nach dem 31. März 1999 beurkundet worden sind. Für diese Fälle gilt nach wie vor, dass Veräußerungsgewinne beim Verkauf einer Immobilie nach mehr als zehn Jahren steuerfrei sind.

Dass das Bundesverfassungsgericht die 1999 beschlossene Regelung nicht nur für unvereinbar mit der Verfassung erklärte, sondern sogar für "nichtig", ist eine deutliche Kritik an dem damaligen Gesetzgeber. Bemerkenswert ist auch für künftige Fälle, dass das Bundesverfassungsgericht der von der Politik vertretenen Meinung eine klare Absage erteilt, wonach eine sogenannte "unechte Rückwirkung" unproblematisch sei. Auch in solchen Fällen bedürfe es einer ganz besonderen Begründung, so die Karlsruher Richter. "Die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, ist für sich genommen grundsätzlich kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger überwindendes Gemeinwohlinteresse. Denn dies würde bedeuten, dass der Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden Verschärfungen des Steuerrechts praktisch leerliefe", erklärten die Karlsruher Richter. (IVD)

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