Aufsätze

Die Abgeltungsteuer - eine Herausforderung für die deutsche Bankenlandschaft

Die nun auch vom Bundesrat verabschiedete Abgeltungsteuer führt zu einem grundlegenden Systemwandel, der durch drei Neuerungen gekennzeichnet ist: (1) Zunächst wird der Umfang der Kapitalerträge, die dem Steuerabzug an der Quelle unterliegen, erheblich erweitert.1) So fallen künftig auch Wertzuwächse aus der Veräußerung von Kapitalanlagen und Stillhalterprämien unter die Kapitalertragsteuer. (2) Die Unterscheidung zwischen Kapitalertragsteuer und Zinsabschlagsteuer wird aufgegeben. Der Steuersatz auf Kapitalerträge beträgt einheitlich 25 Prozent. (3) Schließlich wird bestimmt, dass die Einkommensteuer auf Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, mit dem Steuerabzug grundsätzlich abgegolten ist. Mit dem letzten Schritt wird die Kapitalertragsteuer in eine Abgeltungsteuer umqualifiziert.

Anpassungsbedarf bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten

Umfang des Steuerabzugs: Mit der Einführung der Abgeltungsteuer erweitert sich der Umfang der Kapitalerträge, bei denen die Institute einen Steuerabzug vornehmen müssen.2) Neu erfasst werden:

- Ausländische Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG-E.3)

- Stillhalterprämien und

- Wertzuwächse aus der Veräußerung bestimmter Kapitalanlagen, die nach dem 31. Dezember 2008 erworben wurden (unabhängig von der Haltedauer).4)

- Bei Zinseinkünften unterliegen die Kapitalerträge auch dann der KapESt, wenn sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängt (Finanzinnovationen).

- Eine Sonderregelung gilt hier (vor allem) für Zertifikate.5) Wertzuwächse aus der Veräußerung von Zertifikaten, die nach dem 14. März 2007 angeschafft und nach dem 30. Juni 2009 veräußert werden, unterliegen ebenfalls der Abgeltungsteuer.

Da nur Wertzuwächse von Kapitalanlagen von der Abgeltungsteuer erfasst werden, die nach dem 31. Dezember 2008 erworben wurden (mit Ausnahme der oben genannten Zertifikate), ist sicher zu stellen, dass Kapitalanlagen, die von einem steuerpflichtigen Kunden vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nach den bisherigen Regelung des § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 EStG besteuert werden.6) Die Institute müssen diese Kapitalanlagen daher gesondert vermerken beziehungsweise in einem eigenen "Topf" führen. Entsprechendes gilt für die oben beschriebenen Zertifikate. All dies ist bei den betroffenen Instituten mit nicht geringen Mehraufwand verbunden.

Berechnung der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug

Die Ausdehnung der dem Steuerabzug unterliegenden Kapitalerträge erfordert auch eine Anpassung der Vorschriften zur Ermittlung der für die Erhebung der Kapitalertragsteuer maßgeblichen Bemessungsgrundlage. Wie bisher, unterliegen die vollen Kapitalerträge dem Steuerabzug und zwar ohne jeden Abzug.7) Eine Neuregelung ist jedoch für Bestimmung der Bemessungsgrundlage bei Veräußerungen im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG erforderlich.8) Grundsätzlich richtet sich die Bemessungsgrundlage hier nach dem gemäß § 20 Abs. 4 EStG-E zu ermittelndem Gewinn.

Um den Gewinn für Zwecke des Steuerabzugs auch bei einem Depotwechsel oder auch einem Gläubigerwechsel ermitteln zu können, sieht das Gesetz verschiedene Sonderregelungen vor, die die Institute unter anderem dazu verpflichten, einen Datenaustausch über die Anschaffungsdaten zu ermöglichen.9) Weiterhin müssen die Institute in der Lage sein, nach Maßgabe des Gesetzes bei Depot- oder Gläubigerwechseln Ersatzbemessungsgrundlagen zu ermitteln, die sich zum einen aus aktuellen Börsenkursen und zum anderen aus Anschaffungs- beziehungsweise Veräußerungspreisen ableiten können.10)

Wird dem Institut von seinem Kunden mitgeteilt, dass Kapitalanlagen unentgeltlich auf einen neuen Gläubiger übertragen werden (Schenkung, Erbfall), ist das übertragende Institut verpflichtet, dies seinem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt anzuzeigen.11) Der Gesetzgeber stellt die Institute damit bei der Ermittlung der Kapitalerträge insgesamt vor eine neue Herausforderung.

In Erhebung der Kirchensteuer eingebunden

Mit Einführung der Abgeltungsteuer werden die inländischen Institute erstmals auch in die Erhebung der Kirchensteuer eingebunden. Sofern die Kapitalerträge dem Steuerabzug unterliegen, hat der Steuerpflichtige dabei ein Wahlrecht, ob er die Kirchensteuer mit Abgeltungswirkung bereits durch die auszahlende Stelle einbehalten lassen möchte oder ob er sich mit der Kirchensteuer veranlagen lässt.

Möchte der Steuerpflichtige, dass die auf die Kapitalerträge entfallende Kirchensteuer durch das zum kapitalertragsteuerabzugsverpflichteten Institut einbehalten wird, kann er dort einen entsprechenden schriftlichen Antrag stellen.12) Das auszahlende Institut wird damit zum Kirchensteuerabzugsverpflichteten.13) Antragsberechtigt sind alle kirchensteuerpflichtigen Personen. Der Antrag kann nicht auf Teilbeträge des Kapitalertrags beschränkt, sondern muss einheitlich für alle bei dem Institut erzielten Kapitalerträge gestellt werden. Im Übrigen ist der Antrag nicht widerrufbar.14)

In dem Antrag muss der steuerpflichtige Kunde Angaben zu seiner Religionszugehörigkeit machen.15) Bemessungsgrundlage für die von der auszahlenden Stelle abzuführenden Kirchensteuer ist die Kapitalertragsteuer. Die Höhe der einzubehaltenden Kirchensteuer richtet sich nach dem Kirchensteuersatz der betreffenden Religionsgemeinschaft.16) Sind an den Kapitalerträgen mehrere Personen beteiligt, kann der Antrag nur gestellt werden, wenn es sich um Ehegatten handelt oder alle Beteiligten der selben Religionsgemeinschaft angehören.17)

Ehegatten haben in dem Antrag übereinstimmend zu erklären, in welchem Verhältnis der auf jeden Ehegatten entfallende Anteil der Kapitalerträge zu diesen Erträgen steht.18) Die Kapitalerträge sind dann von dem kirchensteuerabzugsverpflichteten Institut für die Berechnung der jeweiligen Kirchensteuer entsprechend diesem Verhältnis aufzuteilen und die Kirchensteuer einzubehalten, die dem jeweiligen Anteil des entsprechenden kirchensteuerpflichtigen Ehegatten zuzuordnen ist.19)

Das kirchensteuerabzugsverpflichtete Institut hat den Kirchensteuerabzug getrennt nach Religionszugehörigkeit an das für sich zuständige Finanzamt abzuführen.20) Der abgeführte Steuerabzug wird dann von der entsprechenden Finanzbehörde an die jeweilige Religionsgemeinschaft weitergeleitet.21) Der Einbehalt von Kirchensteuer ist von dem einbehaltenden Institut, bei der Ermittlung der für den Kunden abzuführenden Kapitalertragsteuer zu berücksichtigen. Letztere vermindert sich nämlich durch den Kirchensteuerabzug um 25 Prozent der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer.22)

Zusatzaufgaben für Institute

Die einzubehaltende Kapitalertragsteuer berechnet sich dabei nach einer vom Gesetzgeber vorgegebenen Formel, die auch abgeführte ausländische Quellensteuer berücksichtigt.23) Insgesamt wird deutlich, dass die Einbindung der Institute in die Erhebung der Kirchensteuer keine leichte Aufgabe wird. Ergänzend müssen die Institute darauf achten, dass die für den Kirchensteuerabzug erlangten Daten grundsätzlich nur zur Durchführung des Kirchensteuerabzugs verwendet werden dürfen. Ausnahmen gelten nur, wenn der betroffene Kunde einer anderen Verwendung ausdrücklich zustimmt oder dies gesetzlich zugelassen ist.24)

Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug: Auch nach Einführung der Abgeltungsteuer verbleibt es bei der Möglichkeit, vom Einbehalt der Kapitalertragsteuer abzusehen, wenn der Kunde einen gültigen Freistellungsauftrag25) oder eine NV-Bescheinigung26) vorlegt. Von nicht unerheblicher Bedeutung für die Institute ist der Wegfall der Bagatellregelungen des bisherigen § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 lit. b). Danach unterliegen künftig auch Sichteinlagen mit maximal ein Prozent Verzinsung, alle Formen von Bausparverträge und Guthaben mit einer maximalen Gutschrift von zehn Euro der Kapitalertragsteuer. Das bestehende Interbankenprivileg, nach dem der Kapitalertragsteuerabzug unterbleiben kann, wenn es sich bei dem Gläubiger der Kapitalerträge seinerseits um ein inländisches Institut handelt, bleibt bestehen und gilt künftig für alle von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG-E erfassten Fälle.27)

Einführung eines Verlustverrechnungstopfes

Eine einschneidende Neuerung stellt die Einführung des komplexen Verlustverrechnungstopfes dar, der auf dem bisherigen Stückzinstopf basiert, diesen aber von Umfang her erheblich erweitert.28) Die bereits nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf erkennbare Komplexität des Verlustverrechnungstopfs wird durch die in letzter Minute von der Koalition vereinbarte Beschränkung der Verrechnung der Verluste aus Veräußerungen von Aktien auf Gewinne aus der Veräußerung von Aktien nochmals entscheiden erhöht.29)

Faktisch führt dies dazu, dass die Institute für ihre Kunden zwei Verlustverrechnungstöpfe führen müssen, von denen der eine Topf lediglich Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Aktien miteinander verrechnet. Der andere Verlustverrechnungstopf ist demgegenüber um einiges vielschichtiger und setzt sich aus den nachfolgenden Bestandteilen zusammen:

- Negative Stückzinsen aus dem Kauf festverzinslicher Wertpapiere (wie bisher).

- Negative Zwischengewinne aus dem Kauf von Investmentfondsanteilen (wie bisher).

- Veräußerungsverluste aus Kapitalanlagen, ohne Aktienverkäufe (neu).

- Ausländische einbehaltene Quellensteuern (neu).

Kapitalertragsteuer auf den positiven Bestand

Zweck des Verlustverrechnungstopfs ist es, zusätzliche Veranlagungsfälle zu vermeiden, da auf diese Weise Veräußerungsverluste und einbehaltene ausländische Quellensteuern bereits im Abzugsverfahren berücksichtigt werden können. Der Verlustverrechnungstopf ist dabei für jeden Kunden gesondert zu führen. Durch den Verlustverrechnungstopf wird erreicht, dass positive Kapitalerträge bis zur Höhe der im Verlustverrechnungstopf enthaltenen negativen Kapitalerträge nicht dem Steuerabzug unterliegen.30)

Wird der Verlustverrechnungstopf in Folge hinreichender positiver Kapitalerträge positiv, wird auf den positiven Bestand Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt. Überwiegen die negativen Kapitalerträge innerhalb eines Veranlagungszeitraums und ist der Verlustverrechnungstopf damit am Ende des Veranlagungszeitraums negativ, so wird der Negativsaldo vom Institut grundsätzlich in das nächste Jahr vorgetragen.

Alternativ kann der Kunde bei seinem Institut die Ausstellung einer Verlustbescheinigung beantragen, in der ihm die im Verlustverrechnungstopf enthaltenen Verluste bescheinigt werden:31) Der Antrag ist unwiderruflich und bis zum 15. Dezember des Jahres einzureichen.32) Stellt der steuerpflichtige Kunde einen entsprechenden Antrag, wird der Verlustverrechnungstopf geschlossen, sodass die Verluste beim Institut keine Berücksichtigung mehr finden und ein Übertrag in den folgenden Veranlagungszeitraum damit ausscheidet.

Im Falle eines vollständigen Depotübertrages, bei dem alle Wertpapiere des Depots übertragen werden, hat das übertragende Institut dem übernehmenden Institut auf Verlangen des Kunden die noch nicht verrechneten Verluste mitzuteilen. Eine Bescheinigung der Verluste darf in diesem Fall nicht ausgestellt werden.33) Gerade die Implementierung des Verlustverrechnungstopfes mit seinen beiden Untertöpfen stellt für die Institute eine erhebliche Herausforderung dar und zeigt exemplarisch, mit welchem Aufwand die Abgeltungsteuer bei den Instituten verbunden ist.

Bescheinigungen und Mitteilungen

Auch das steuerliche Reporting der Institute wird durch die Abgeltungsteuer nicht wirklich vereinfacht, auch wenn damit künftig die Verpflichtung zur Ausstellung der Jahresbescheinigung im Sinne des § 24c EStG entfällt.34) Denn zum einen haben die Institute dem Kunden dafür künftig auf dessen Antrag eine nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erstellende Steuerbescheinigung auszustellen, die an die Stelle der bisherigen Steuerbescheinigung tritt und alle für die Veranlagung erforderlichen Angaben enthält und damit künftig wesentliche Elemente der bisherigen Jahresbescheinigung beinhalten wird. Hierdurch wird die mit dem Wegfall der Jahresbescheinigung verbundene vermeintliche Erleichterung in erheblichem Umfang wieder nivelliert.

Zum anderen haben die Institute dem Kunden auf dessen Wunsch noch weitere Bescheinigungen auszustellen. Hierzu gehört zunächst die erwähnte Verlustbescheinigung, wie auch eine auf Antrag des Kunden für Zwecke der Veranlagung zur Kirchensteuer auszustellende Bescheinigung der abgeführten Kapitalertragsteuer.

Im Blick von Betriebsprüfern und Steuerberatern

Auch wenn die Abgeltungsteuer erst zum 1. Januar 2009 in Kraft treten wird, stellt sie sowohl die Anleger als auch die deutschen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute bereits jetzt vor große Herausforderungen. Wegen des steuersystematischen Paradigmenwechsels der mit der Einführung der Abgeltungsteuer verbunden ist, werden private Anleger in der Zukunft ihre Investitionsentscheidungen in noch größeren Umfang nach steuerlichen Gesichtspunkten ausrichten als bisher. Die in- und ausländischen Institute werden hierauf mit einer entsprechenden Anpassung ihrer Produktlandschaft reagieren müssen.

Darüber hinaus müssen die inländischen Institute aber auch ihre internen Prozesse und IT-Systeme auf das neue System der Abgeltungsteuer ausrichten und bereits heute entsprechende Anpassungsmaßnahmen einleiten. Dies umfasst sowohl das Back-Office als auch das Front-Office. Die Institute stehen hier durchaus unter Zeitdruck. Der Umfang und die Komplexität der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen darf nicht unterschätzt werden. Dabei dürfen Fehler, wie sie bei Einführung der Jahresbescheinigung nach § 24c EStG vorgekommen sind, nicht unterlaufen. Denn zum einen stehen die Institute für fehlerhaft abgeführte Kapitalertragsteuer in der Haftung (§ 44 Abs. 5 EStG). Zum anderen können die Institute durch Fehler beim Steuerabzug einen immensen Reputationsschaden erleiden.

Dabei ist davon auszugehen, dass gerade in den Anfangsjahren nach Einführung der Abgeltungsteuer der Steuerabzug durch die Kreditinstitute verstärkt in den Fokus der Betriebsprüfungen rücken wird. Nicht zuletzt wegen der grundsätzlich abgeltenden Wirkung des Steuerabzugs werden aber auch die privaten Anleger und deren Steuerberater sehr genau prüfen, ob der Steuerabzug fehlerfrei verläuft.

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