Schwerpunkt: Pfandbriefe und Pfandbriefbanken 2012

Stabile Refinanzierung - die Strategie der Wüstenrot Bank

Eine der wesentlichsten Erkenntnisse der Finanzmarktkrise ist die Abkehr vom Irrglauben scheinbar immerwährender und unbegrenzter Liquidität an den Geld- und Kapitalmärkten. Besonders der Zusammenbruch von Lehman Brothers als spektakulärer und schmerzhafter "Big Bang" hat den Marktteilnehmern drastisch vor Augen geführt, welche Folgen eintreten, wenn die Liquiditätsquellen versiegen. Seither haben es sich Politik, Aufsicht und Banken auf vielfältige Weise zu einer ihrer Kernaufgaben gemacht, die Grundlagen einer hinreichenden Liquiditätsausstattung sowie die Vermeidung von Liquiditätsrisiken neu zu definieren.

Im besonderen Fokus stehen dabei naturgemäß die sich über den Kapitalmarkt refinanzierenden Institute, weil sich bei diesen die Folgen der Finanzmarktkrise besonders deutlich ausgewirkt haben. Im wesentlichen lassen sich die in diesem Zusammenhang implementierten neuen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nach Basel III und MaRisk dahingehend deuten, dass - neben deutlich erhöhten Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung - insbesondere das Handling der Liquidität beziehungsweise der Liquiditätsrisiken in den Instituten verbessert werden sollte. Ziel dabei war es, die Robustheit der Banken im Falle einer (neuen) Liquiditätskrise an den Geld- und Kapitalmärkten zu stärken.

Stabilität und Refinanzierungsmix

Die Anforderungen an die Refinanzierung von Banken haben sich seitdem deutlich verändert. Dreh- und Angelpunkt ist jetzt, ob die den Instituten zur Verfügung stehenden Refinanzierungsinstrumente auch in einer extremen Krisensituation den Zufluss von Liquidität gewährleisten. Um dieses neue Primat der Regulierer eindeutig abbilden zu können, wurden neue Kennziffern definiert, die Auskunft sowohl über die kurzfristige, als auch mittel- und längerfristige Liquiditätsausstattung erteilen: die Liquidity Coverage Ratio zur Sicherstellung der kurzfristigen Liquidität (bis zu 30 Tage) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) mit Blick auf die längerfristige Liquidität (über ein Jahr).

Mit der Net Stable Funding Ratio - der strukturellen Liquiditätsquote - zieht jetzt erstmals der Begriff der "Stabilität" in die Betrachtung der Aktiv- und Passivpositionen eines Kreditinstitutes ein. Weil die NSFR keine vertraglichen, sondern faktische Laufzeiten der Aktiva/Passiva modelliert, wird nicht von langfristigen, sondern von stabilen Positionen gesprochen. Die NSFR ist definiert als das Verhältnis zwischen den verfügbaren Refinanzierungsmitteln und dem Refinanzierungsbedarf, für den eine stabile Refinanzierung erforderlich ist: Die verfügbare stabile Refinanzierung ist der Teil von Eigen- und Fremdmitteln, von dem zu erwarten ist, dass er über den Zeithorizont von einem Jahr unter anhaltenden Stressbedingungen eine zuverlässige Mittelquelle darstellt. Der erforderliche Betrag wird ermittelt, indem der Wert der gehaltenen Aktiva und außerbilanziellen Eventualverpflichtungen unter Gewichtung eines die Liquiditätsmerkmale widerspiegelnden Faktors aggregiert wird.

Die verfügbare stabile Refinanzierung (Available Stable Funding, ASF) wird ermittelt, indem der Gesamtbetrag verschiedener Kategorien liquider Mittel der Bank aggregiert wird. Dabei wird der Betrag mancher Kategorien nur anteilig angerechnet, für diese wird ein sogenannter ASF-Faktor festgelegt, der den maximal anrechenbaren Anteil definiert. Als "stabile Mittel" gelten in diesem Zusammenhang im Wesentlichen das Eigenkapital des Instituts, Verbindlichkeiten mit einer effektiven Restlaufzeit von mindestens einem Jahr, Einlagen ohne Fälligkeit oder Termineinlagen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr, von denen erwartet werden kann, dass sie über längere Zeit bei der Bank verbleiben. Ebenso zählen von Großkunden bereitgestellte Mittel mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr dazu, von denen ebenfalls angenommen wird, dass sie längerfristig bei der Bank verbleiben. Hiefür darf allerdings nur ein ASF-Faktor von maximal 50Prozent angesetzt werden.

Wenn auch nicht explizit so formuliert, steht bei der Definition der stabilen Mittel letztlich das Ziel eines ausgewogenen Refinanzierungsmix Pate, der die Krisenfestigkeit von Banken stärkt. Die Erfahrung, dass Kreditinstitute, die einseitig auf bestimmte Refinanzierungsinstrumente gesetzt haben, stärker unter den Folgen der Finanzmarktkrise gelitten haben als andere, war Warnung genug. Allerdings gibt es auch im Vorfeld von Basel III keine allgemeingültige Definition eines ausgewogenen Refinanzierungsmix, denn der einzelne Refinanzierungsbedarf ist letztlich immer abhängig von dem Aktivgeschäft eines Institutes.

Damit stellt sich aber unausweichlich die Frage nach dem aktuellen und künftigen Geschäftsmodell eines Kreditinstitutes. Hier entfalten die verschärften Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen eine Lenkungswirkung, die den Markt in nicht unbeträchtlicher Weise beeinflussen wird. Vereinfacht formuliert, werden solche Institute von den neuen Liquiditätserfordernissen begünstigt, die über ein hohes Maß an gedeckten Schuldtiteln und/oder einen steten Zustrom von Privatkundeneinlagen verfügen.

Zunehmender Wettbewerb

Schon jetzt zeichnen sich deutliche Anpassungen einiger Marktteilnehmer an die neuen Rahmenbedingungen ab. So stehen die traditionellen Pfandbriefbanken in der Refinanzierung künftig vermehrt im Wettbewerb mit klassischen Einlagenbanken. Durch die Anforderungen, die Fristenkongruenz von Anlagen und Verbindlichkeiten stärker miteinander in Einklang zu bringen, werden auch Einlagenbanken künftig mehr Gewicht auf die langfristige Refinanzierung legen. Es ist daher zu beobachten, dass einstmals reine Einlagenbanken sich vermehrt um Pfandbrieflizenzen bemühen. Für die traditionellen Pfandbriefbanken besteht damit die Gefahr, ihren momentanen Wettbewerbsvorteil bei der langfristigen Refinanzierung einzubüßen. Auch angesichts dieser Entwicklung wird es zukünftig von noch größerer Bedeutung sein, die gesamte Bandbreite der Refinanzierungsmöglichkeiten nutzen zu können.

Der Status der Wüstenrot Bank als Universalbank mit Pfandbrieflizenz ist gerade in Bezug auf die neuen Stabilitätserfordernisse zukunftsträchtig. Denn die Kapitalmarktnähe der Bank, die aus diesem Geschäftsmodell resultiert, bietet den Kunden attraktive Möglichkeiten, in Hypothekenpfandbriefe zu investieren. Gleichzeitig kann sich die Bank als Pfandbriefemittent erforderliche Refinanzierungsmittel kostengünstig durch die Emission von Hypothekenpfandbriefen über den Kapitalmarkt besorgen. Das Geschäft einer Pfandbriefbank ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass die Forderungen aus der Kreditvergabe und die Verbindlichkeiten der begebenen Hypothekenpfandbriefe aufeinander bezogen sind. So reicht die Pfandbriefbank ihre Refinanzierungsmittel, die sie durch die Emission von Pfandbriefen günstig beschaffen kann, in Form eines meist längerfristigen Hypothekendarlehens an den Darlehensnehmer weiter. Im Gegenzug erhält sie für die Dauer des gewährten Realdarlehens ein Pfandrecht an der Immobilie.

Ein wesentlicher Vorteil der Wüstenrot Bank ist zudem ihre Rolle als Drehscheibe im Wüstenrot & Württembergische-Konzern, die im Sinne der NSFR zahlreiche Chancen zum Aufbau "stabiler" Mittel eröffnet. In der Ausgestaltung als Handelsbuchinstitut verfügt die Wüstenrot Bank neben dem zuverlässigen und kostengünstigen Kapitalmarktzugang zudem über eine deutlich höhere Flexibilität im Vergleich zu anderen Instituten. Davon profitiert sie bei der Ausgestaltung ihres Produktspektrums, aber auch bei der Vorgehensweise im Rahmen der Aktiv-Passiv-Steuerung und des Liquiditätsmanagements.

Nutzung interner Wachstumstreiber

Zum Beispiel kann sie in Zusammenarbeit mit anderen Konzernteilen wie etwa der Bausparkasse Finanzierungsmodelle entwickeln, die so flexibel sind, dass sie auf das jeweilige individuelle Kundenbedürfnis zugeschnitten werden können. Sehr kurz- oder auch sehr langfristige Finanzierungen können dabei über die Pfandbriefbank erfolgen und die Kollektivmittel der Bausparkasse auf diese Weise optimal ausgesteuert werden.

Auch im Hinblick auf das Risikomanagement ergeben sich aus der Ausgestaltung der Wüstenrot Bank als Universalbank mit Pfandbrieflizenz Vorteile. Gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise wird dies deutlich. Zur Kernkompetenz einer Pfandbriefbank zählen nämlich neben dem Kreditgeschäft auch das Liquiditäts- und Zinsmanagement. Das Liquiditätsmanagement gliedert sich in operative und strategische Komponenten.

Im Rahmen des operativen Liquiditätsmanagements werden die täglichen Zahlungen und der Zugang zu den Zentralbanken gesteuert sowie die erwarteten Zahlungsströme geplant. Im Gegenzug werden im strategischen Liquiditätsmanagement Fälligkeitsprofile liquiditätsrelevanter Aktiva und Passiva erstellt und ausgewertet. Dazu gehört auch, die dauerhaft verfügbaren Anteile der Kundeneinlagen unter Beachtung von Bodensätzen zu modellieren. Das Liquiditätsmanagement weitgehend in der Konzernbank zu zentralisieren, führt zu höchster Transparenz im Zuge des Risikomanagements und stärkt die Selbstfinanzierungskraft des Konzerns. Unerwartete Liquiditätsabflüsse können so durch zentrale Liquiditätsportfolios, den Kapitalmarktzugang und über den Zugang zu Zentralbankgeld optimal ausgesteuert werden.

Als Universalbank leistet die Wüstenrot Bank schon jetzt einen bedeutenden Beitrag zur Erfüllung des Ziels der gesamten Wüstenrot & Württembergische-Gruppe, die als Vorsorgespezialist alle Vorsorgebedürfnisse ihrer Kunden aus einer Hand decken kann. Insofern ist die strategische Ausrichtung der ganzen Gruppe der Impulsgeber für den von der Wüstenrot Bank vorangetriebenen Ausbau des Retail-Geschäftes. Auf der Basis von sechs Millionen Kunden der W&W-Gruppe ist es somit in den vergangenen Jahren bereits gelungen, den Kundeneinlagenbestand der Wüstenrot Bank sukzessive und spürbar auszubauen.

Dass dieses Wachstum auch ohne Beteiligung am scharfen Konditionenwettbewerb im Einlagenbereich gelang, spricht zum einen für die große Vertriebskraft in den Ausschließlichkeitsorganisationen der Wüstenrot wie auch der Württembergischen. Es ist zum anderen aber auch ein Beleg für die zielgruppengerechte Philosophie der Bank in der Produktgestaltung. Beispiel dafür ist das neue "Vorsorge-Sparen", das Anfang des Jahres eingeführt wurde. Das neue Sparprodukt richtet sich insbesondere an Kunden, die (noch) ohne festen Verwendungszweck eine rentierliche Geldanlage suchen. Zusätzlich zur Verzinsung erhält der Sparer nach fünf Jahren noch einen Treuebonus, oder er wechselt ab diesem Zeitpunkt in andere Vorsorgeprodukte der W&W-Gruppe, wobei dieser Wechsel mit Preisvorteilen beziehungsweise Vergünstigungen gegenüber den Normalkonditionen honoriert wird.

Die Vertriebsergebnisse des Vorsorge-Sparens sind bereits beachtlich und bestätigen den offensiven Kurs der Wüstenrot-Bank im Privatkundengeschäft. Zugleich ist das "Vorsorge-Sparen" ein weiterer Baustein dazu, die neuen Liquiditätsanforderungen zu meistern. Finales Ziel der Wüstenrot Bank ist es, das gesamte Darlehensgeschäft mittels Pfandbriefen und Kundeneinlagen bilanziell abzudecken. Diesbezüglich ist das Institut bereits auf einem sehr guten Weg.

Thomas Groß , CEO , Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X