Leitartikel

Wie viel Politik verträgt das Bausparen?

Während dieser Tage die Immobilien- und Finanzwirtschaft ihre Halbjahreszahlen präsentiert, hüllt sich eine Branche in kollektives Schweigen: Bausparkassen sind mit unterjähriger Berichterstattung über ihre Geschäftserfolge äußerst zurückhaltend. In der hiesigen Bausparlandschaft ist es auffällige Praxis, dass sich in der Regel nur die Institute mit Absatz- und Ertragszahlen an die Öffentlichkeit wagen, deren Geschäftsentwicklung besser als der Markt ist. Muss man sich also um das Bausparen sorgen, wenn bislang nur ein Institut seinen Halbjahresbericht vorlegte? Das Zahlenwerk lässt schnell erahnen, warum sich die Branche in diesem Jahr so zugeknöpft gibt. Sprachlich durchaus geschickt verweist der Bericht zunächst auf einen Markteinbruch um 13,4 Prozent im Brutto-Neugeschäft (gemessen an der Bausparsumme), um im Anschluss einen nicht einmal 1-prozentigen Anstieg des hauseigenen Brutto-Neugeschäfts als Vertriebserfolg zu feiern. Beunruhigend ist nicht der Markteinbruch an sich, denn dieser ist nach der politisch angeschobenen Jahresendrallye 2008 erwartet worden, sondern dessen zweistellige Größenordnung in einem reifen Markt. Wie robust sind Markt und Branche? Immerhin ging im ersten Halbjahr 2009 die Zahl der abgeschlossenen Bausparverträge um 19,2 Prozent auf 1,58 Millionen zurück und die Bausparsumme betrug nur noch 45,45 Millionen Euro.

Schuld an dieser extrem zyklischen Entwicklung in einem Markt, der im Wesentlichen von verlässlichen Rahmenbedingungen lebt, sind vor allem politischen Diskontinuitäten. Böse Zungen meinen sogar, es fehle überhaupt an einer stringenten und stimmigen Wohnungsbaupolitik, dafür gebe es reichlich fiskalisch motivierte Subventionsdebatten, die dem Bausparen zu schaffen machen. Seitdem 2003 erstmals die Streichung der Eigenheimzulage erwogen wurde, hat das Bausparen zwar einen gewaltigen Nachfrageschub erhalten, dessen Niveau es mit erstaunlich wenig Abstrichen halten konnte, doch ist der Bausparabsatz seitdem volatiler und unberechenbarer geworden. Es sind nicht mehr die Produktinnovationen, Vertriebskonzepte und Unternehmensstrategien, die über die Absatzerfolg entscheiden, sondern Wohl und Wehe der Branche hängen in bedenklicher Weise von politischen Aussagen und den dadurch induzierten Sonderkonjunkturen ab.

So hatte Mitte vorigen Jahres kaum ein Bausparkassenvorstand große Zuversicht, dass 2008 ein besonders absatzstarker Bausparjahrgang wird. Schließlich lieferte die Zinsabschlagsteuer in erster Linie konkurrierenden Sparprodukten wie den Investmentfonds ein vortreffliches Verkaufsargument. Hoffen durften die Bausparkassen lediglich, dass sich die Aufnahme des Bausparens in den staatlichen Förderkatalog für die private Altersvorsorge verkaufsfördernd auswirken würde. Schließlich hatten sich die rührigen Interessenvertreter in der LBS-Bundesgeschäftsstelle und im Verband der privaten Bausparkassen mit bewundernswerter Beharrlichkeit seit dem Wegfall der Eigenheimzulage 2006 für die Riesterfähigkeit des Bausparens eingesetzt. Mit Erfolg: In ihrem frisch gedruckten Jahresbericht gibt die LBS-Gruppe den Absatz von Riester-Bausparverträgen für 2008 mit immerhin 50 000 Stück an. Im ersten Halbjahr 2009 setzten die öffentlichen Bausparkassen sogar über 78 000-mal Wohn-Riester mit einer Bausparsumme von 2,56 Milliarden Euro ab. Auch die privaten Bausparkassen haben Riester entdeckt. Nachdem ihr Verband in seinem Geschäftsjahresrückblick noch von einer geringen Bedeutung der Altersvorsorge-Bausparverträge für das Jahresergebnis 2008 spricht, kommen die privaten Institute im ersten Halbjahr 2009 bereits auf knapp 62 900 Vertragsabschlüsse über eine Bausparsumme von 2,02 Milliarden Euro. Davon sind jedoch erst 443,4 Millionen Euro eingelöst, während es bei den Landesbausparkassen schon 1,11 Milliarden Euro sind. Demnach wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zusammen mehr als 141 000 Riester-Bausparverträge mit einer Bausparsumme von 4,58 Milliarden Euro abgeschlossen, von denen 48 300 Verträge mit einem Volumen von 1,56 Milliarden Euro eingelöst sind.

Indem die Bausparkassen der Politik die Anerkennung des selbstgenutzten Wohneigentums als förderwürdige Form der privaten Altersvorsorge abtrotzten, gaben sie einigen Fiskalpolitikern jedoch zugleich einen willkommenen Anlass, die Abschaffung der Wohnungsbauprämie zur Diskussion zu stellen. Dass diese bis auf die Dauer der Zweckbindung (vorerst) unverändert blieb, belegt die exzellente Vernetzung der Bauspar-Botschafter in den bundespolitischen Entscheidungsgremien. Gleichwohl nutzten die Bausparvertriebe die geringfügige Änderung der Prämienkondition, um zum Jahresende 2008 ein Absatzfeuerwerk zu zünden, das mit monatlichen Wachstumsraten von bis zu 60 Prozent seinesgleichen sucht. So schön sich dies in den Jahresabschlüssen niederschlägt (siehe hierzu auch den großen Bilanzvergleich auf Seite 580 ff.), klar sieht man erst, wenn sich der Rauch verzogen hat: Im Halbjahresvergleich fehlen der LBS-Gruppe 2009 19,3 Prozent und den privaten Bausparkassen 19,2 Prozent der Vertragsabschlüsse sowie 11,2 beziehungsweise 14,6 Prozent der Brutto-Bausparsumme. Im Nettoneugeschäft macht sich freilich noch die Bugwelle der kurz vor Jahresende extrem hohen Abschlusszahlen bemerkbar, für die erst zeitlich verzögert die Abschlussgebühr eingezahlt wird. Für die Branche ergibt sich bis zur Jahresmitte 2009 ein Rückgang im Netto-Neugeschäft von 3,7 Prozent bei der Stückzahl beziehungsweise 3,4 Prozent in der Summe. Doch schon zur Jahresmitte war der Effekt verebbt. Die Absatzzahlen für den Monat Juni 2009 zeigen ein Minus von 8,3 Prozent im Brutto-Neugeschäft (Bausparsumme), während die eingelöste Bausparsumme um 12,8 Prozent (Summe) einbrach.

Damit offenbaren die jüngsten Entwicklungen des Bausparabsatzes, aber auch die Erfahrungen der vergangenen Jahre eine erschreckende Anfälligkeit des Bausparmarktes von politischen Einflüssen. Diese müssen noch nicht einmal mit konkreten Veränderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen verbunden sein. Es reicht oftmals schon die Aussage, über eine Änderung nachdenken zu wollen, um prompt Marktreaktionen hervorzurufen. Die Bausparkassen müssen sich entscheiden, ob sie diese hohe politische Sensitivität ihres Kernprodukts weiterhin zulassen wollen oder ob der nahezu autarke Spar- und Finanzierungskreislauf des Bausparens nicht nur vor Kapitalmarktkapriolen, sondern auch vor einer zunehmend unbeständigeren (Wohnungsbau- und) Fiskalpolitik weitgehend schützen sollte. L. H.

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