Vertriebsstrategien

Volksbank Lahr: Absatzsteigerung durch eine neue Verkaufskultur

Die Bau- und Immobilienfinanzierung ist ein Kerngeschäftsfeld der Volksbank Lahr. Im Geschäftsgebiet leben 180 000 Einwohner, von denen immerhin 134 500 Kunden und mehr als 47 300 Mitglieder der Volksbank sind. Die Bilanzsumme beläuft sich auf 1,9 Milliarden Euro. Hauptvertriebsweg sind und bleiben die Geschäftsstellen, die alle schwarze Zahlen schreiben. Von den ursprünglich 62 Niederlassungen gibt es aktuell noch 42 - davon eine Shop-in-Shop-Filiale mit Bäckerei, Café, Reise- und Versicherungsbüro. Hinzu kommen die drei Kompetenzzentren sowie eine Repräsentanz in Erstein im benachbarten Frankreich. Insgesamt verfügt das genossenschaftliche Kreditinstitut über 516 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon rund 50 Auszubildende. Mittlerweile liegt der Marktanteil bei 56 Prozent.

Als im Jahr 1971 die beiden Verbände Raiffeisen und Schulze-Delitzsch fusionierten, gab es in der Region Lahr 36 Raiffeisenbanken und sechs Volksbanken. Diese wurden inzwischen flächendeckend zwischen Freiburg und Offenburg vereinigt, so dass es heute keine Insellösung mehr gibt. Somit erstreckt sich das Geschäftsgebiet der Volksbank Lahr vom südlichsten bis zum nördlichsten Teil über 70 Kilometer.

Herausforderungen im Wettbewerb

Besonders großer Resonanz erfreuen sich die drei Kompetenzzentren Vorsorgecenter, Wohnbaucenter und Wertehaus, weil sie in eigenen Häusern ein besonderes Ambiente bieten. Geschätzt wird vor allem, dass - anders als in der Hauptzentrale - mit sehr viel Ruhe beraten werden kann und zwar zu den Öffnungszeiten des umliegenden Einzelhandels. So kann die Ehefrau am Samstagmorgen einkaufen, während der Mann einen Bausparvertrag abschließt, sich über die Möglichkeiten der Altersvorsorge informiert oder eine Geldanlage vornimmt. Die Eröffnung der Repräsentanz im grenznahen, elsässischen Erstein vor über 13 Jahren führte anfangs auf französischer Seite zu einigem Unbehagen. Auch die Verhandlungen mit den Behörden waren nicht einfach, obwohl Widerstände in der Bevölkerung nicht vorhanden waren.

Die hohe Akzeptanz der Kunden spiegelt sich auch in der Ertragsstruktur wider. Durch den starken Vertrieb vor Ort hat die Bank ein Provisionsergebnis von 1,10 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme. Wettbewerber in der Region sind nur noch zwei Großbanken sowie vier Sparkassen. Hinzu kommt noch die BB-Bank. Da diese Institute jedoch weitgehend berechenbar sind, erwächst die Hauptkonkurrenz durch die Direktbanken, die Strukturvertriebe, die Postbank und in Teilsegmenten durch die Sparda-Bank. Doch diesen Wettbewerbern hat die Volksbank vor Ort einiges voraus:

- Die Gewerbesteuer wird am Platz bezahlt. Dabei fallen zum Teil erhebliche Summen an.

- Die Mitglieder erhalten eine Dividende von sieben Prozent.

- In der Region werden jährlich Investitionen in Millionenhöhe getätigt, bei denen die Aufträge ausschließlich an die einheimischen Unternehmen gehen.

- Und schließlich engagiert sich die Volksbank mit Spenden und Sponsoring und hat vor zweieinhalb Jahren auch eine eigene Bürgerstiftung für die Region gegründet, um Menschen in Not noch gezielter zu helfen.

Diese vier Punkte gilt es gegenüber den Mitgliedern und den Kunden herauszustellen, wenn man den Kampf mit den neuen Herausforderern aufnimmt.

Bau- und Immobilienfinanzierung - ein Kerngeschäft

Die Zahl der Baugenehmigungen ging in den letzten Jahren in Baden-Württemberg kontinuierlich zurück. Sie lag im Jahr 2005 bei 240000. Mittlerweile ist der Markt noch enger geworden und die Zahl der Anbieter hat zugenommen. Von den 4,65 Millionen Wohneinheiten in Baden-Württemberg werden 2,1 Millionen eigengenutzt. Rund 2,2 Millionen werden vermietet, davon wiederum sind 986000 Eigentumswohnungen. Dies zeigt, dass der Markt vor allem in den Bereichen Instandhaltung, Modernisierung und Sanierung lebendig bleibt.

Daraus ergibt sich die Chance, langfristige Kundenbindungen aufzubauen, zu halten und für zusätzliches Geschäft zu nutzen. Allerdings ist dies leichter gesagt als getan, denn nicht jeder Bankkaufmann ist ein guter Verkäufer. Vertrieb kann aber erlernt werden. Folglich mussten auch gute Bankkaufleute - gegen anfängliche Widerstände - das Verkaufen üben. Dabei wurde mit externen Trainern zusammengearbeitet. Im Ergebnis stieg die Cross-Selling-Quote, sodass die Bank beim Absatz von Bausparverträgen, Versicherungspolicen, Fonds und Wertpapieren weit über dem Verbunddurchschnitt liegt. Mit attraktiven Konditionen, bei denen auch rasch auf Sonderaktionen der Wettbewerber reagiert wurde, konnte die Marktführerschaft errungen werden.

In Zahlen: Im Jahr 2005 lag das Kreditvolumen bei über einer Milliarde Euro, von denen alleine im Neugeschäft an Privatkrediten 130 Millionen gewährt wurden. 2006 wurden 110 Millionen zugesagt. Beachtlich ist auch der Marktanteil in der Immobilienfinanzierung: Von 217 Millionen Euro, die insgesamt im vergangenen Jahr in der Region vermittelt wurden, entfielen 45 Prozent auf die Volksbank.

Zudem wurden über die Filialen der Volksbank Lahr Bausparverträge von Schwäbisch Hall im Volumen von 135 Millionen Euro abgeschlossen - mehr als bei jeder anderen Genossenschaftsbank in Süddeutschland, deutschlandweit rangiert das Institut damit unter den Top 5. Im Bundesdurchschnitt haben 400 von 1 000 Einwohnern einen Bausparvertrag, wobei es in Baden-Württemberg knapp 500 sind. Für das Geschäftsgebiet der Volksbank Lahr ergibt sich damit ein Potenzial von 89 000 Verträgen. Mit 29 700 Verträgen liegt der Marktanteil des genossenschaftlichen Kreditinstituts damit bei 33 Prozent.

Eine ähnliche Entwicklung gab es auch im Lebensversicherungsbereich, wo man mit einem Abschlussvolumen von 63 Millionen Euro im Jahr 2005 die Nummer 1 im Verbandsgebiet war. 2006 wurden Policen für rund 85 Millionen Euro abgeschlossen. Große Potenziale bestehen auch im Bereich der privaten Altersvorsorge, denn von 30 Millionen Deutschen, die in den Genuss der Vorteile der Riesterrente kommen können, haben erst acht Millionen einen entsprechenden Vertrag.

Grundlagen des Absatzerfolgs in der Baufinanzierung

Das Wohnbaucenter bildet das Kompetenzzentrum für alle Fragen der Finanzierung von Immobilien, des Bausparens und der hausnahen Versicherungen. 13 Mitarbeiter beraten die Kunden direkt in der Innenstadt zu durchgehenden Öffnungszeiten, die sich am umliegenden Einzelhandel orientieren - auch samstags. Um die Aufmerksamkeit der Kunden zu erhöhen finden dort kleinere

Events, Fachvorträge, Messen, Workshops und Ausstellungen regionaler Handwerker statt. Darüber hinaus wird dort gelegentlich zu Bauherrenabenden, Dämmershoppen und zum Frühstück eingeladen. Trotz der anfänglichen Kritik erwies sich dieses Konzept als ein Volltreffer.

Der Erfolg in der privaten Baufinanzierung gründet sich aber auch auf günstige Konditionen, bei denen sämtliche Sonderkreditprogramme eingebunden werden. Alle Fördermittel und Zuschüsse, wie zum Beispiel KfW-Darlehen, müssen berücksichtigt und dem Kunden angeboten werden. Ein weiterer Faktor für die hohe Kundenzufriedenheit ist die Flexibilität bei der Termingestaltung. Wenn es der Kunde wünscht, wird er auch abends um 20 Uhr in der Wohnung besucht.

Ein Baustein auf dem Weg zur Sicherung der Marktführerschaft ist die Tüv-Zertifizierung für die Baufinanzierung und für die Kundenzufriedenheit. 2 555 Kunden attestieren der Bank die Note 1,94. Damit nimmt das Institut bundesweit eine Spitzenposition ein. Dabei wurden bei Einzelkriterien folgende Noten erreicht: Zuverlässigkeit 1,55, Beratungskompetenz 1,72, Freundlichkeit 1,42, Vertrauen zum Berater 1,60 und Wartezeit in der Geschäftsstelle 1,89. An dieser Tüv-Zertifizierung will sich die Bank auch künftig messen lassen.

In einer Kundenbroschüre wurden zudem die Servicegarantien der Bank formuliert. Dazu zählen unter anderem einheitliche Angebotserstellungen in allen Filialen, die komplette Vertragsbearbeitung innerhalb von sieben Tagen und die Vereinbarung eines Beratungstermins binnen zwei Tagen. Somit lässt sich festhalten, dass erstens durch das Wohnbaucenter und die Zertifizierungen viele Neukunden insbesondere über Weiterempfehlungen von bestehenden Kunden gewonnen wurden, und dass zweitens ein Image-Gewinn erzielt wurde, der ebenfalls zu einer positiven Neugeschäftsentwicklung beigetragen hat.

Um allerdings auch zukünftig Marktanteile zu gewinnen, soll die Beratungs- und Servicequalität konsequent ausgebaut sowie die Nähe zum Kunden noch stärker genutzt werden. Beabsichtigt ist, das Bauspargeschäft zu forcieren, denn Bausparen ist der Einstieg in das Finanzierungsgeschäft. Gleichzeitig gilt es, die Stärken in der Öffentlichkeitsarbeit, Medienpräsenz, Kundenkommunikation sowie die Erlebnis- und Mehrwertangebote permanent weiterzuentwickeln. So wurden 2006 etwa 74 Kundenveranstaltungen, überwiegend im Europapark Rust, mit mehr als 25 600 Besuchern durchgeführt. Hierzu kamen Prominente wie Richard von Weizsäcker und Angela Merkel. Doch auch zu Sportthemen wurden Gesprächsrunden veranstaltet, an denen unter anderem Bundestrainer Löw, Wolfgang Overath, Markus Siegler von der Fifa und Uwe Seeler teilnahmen.

Zukunftspläne

Dieses Engagement allein reicht nicht aus. Die Angebote müssen auf die geänderten Bedarfsstrukturen und die Bevölkerungsentwicklung angepasst werden. Dabei gilt es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch eine neue Bankkultur zu unterstützen. Hierzu wurde vor zwei Jahren ein Prozess eingeleitet, den drei externe Trainer begleiten. Zu Beginn standen Grundwerte auf dem Lehrplan, die heute nicht mehr selbstverständlich sind. So mussten vor allem die jungen Leute wieder lernen, freundlich "Guten Tag" zu sagen. Ebenso wichtig ist es, Hilfsbereitschaft vor allem gegenüber älteren Menschen zu üben. Diese Aktivitäten haben einen enormen Ruck in der Bank ausgelöst. Bei Kundenorientierung und Service geht es eben nicht nur um Bankleistungen. Vielmehr muss das Verhalten zwischen Beratern und Kunden, aber auch das Verhältnis der Mitarbeiter untereinander stimmen.

Die neue Bankkultur beinhaltet auch, dass nicht nur die Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt, sondern alle Mitarbeiter Geschäft akquirieren. Jeder hat Familie, jeder hat Freunde, die wiederum Familie haben, sodass die Produkte der Bank im gesamten Bekanntenkreis ins Gespräch gebracht werden können. Die neue Bankkultur hat im Hause zu einer hohen Motivation beigetragen - ein wichtiger Garant dafür, die Qualitäts- und Marktführerschaft zu halten.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors während der Herbsttagung 2006 in Wiesbaden.

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