Leitartikel

Wichtiger Etappensieg - mehr aber noch nicht

"Alle für eine, eine für alle", mag dem geneigten Prozessbeobachter durch den Kopf schießen, wenn er den Streit zwischen Verbraucherschützern und Bausparkassen verfolgt. Dabei geht es nicht um Ehre und Pflicht, Verrat und Vaterland wie in Dumas' Klassiker, sondern um die Zulässigkeit von Abschlussgebühren bei Bausparverträgen. Während die einen für sich in Anspruch nehmen, den Konsumenten vor allzu gierigen Finanzinstituten bewahren zu wollen und deshalb auf Unterlassung klagen, entscheidet sich für die anderen das Schicksal eines über 80-jährigen Erfolgsproduktes und seiner Produzenten. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich die Kontrahenten nicht medial laut polternd aufeinander stürzen, sondern höchst gepflegt mit dem juristischen Florett duellieren. Gegenüber stehen sich auf der einen Seite die Verbraucherzentrale Nord- rhein-Westfalen - ihrem Selbstverständnis nach stellvertretend für alle mündigen Konsumenten - und auf der anderen Seite die Bausparkassen Schwäbisch Hall, LBS West und Deutscher Ring Bausparkasse - stellvertretend für zwei Dutzend deutsche Bausparkassen. Allerdings unterlagen die klagenden Verbraucherschützer bislang bei jeder Auseinandersetzung vor den Landgerichten in Heilbronn, Dortmund und Hamburg, die alle bestätigten, dass die Erhebung von Abschlussgebühren bei Bausparverträgen und deren Verwendung zur Vertriebsvergütung rechtens ist.

Man hätte es dabei bewenden lassen können. Doch die Gerichte sehen den Streit als durchaus Recht bildend an und haben deshalb die Revision zugelassen. Folglich geht die Auseinandersetzung in die zweite Runde und beschäftigt die Oberlandesgerichte. Während die LBS West und die Deutscher Ring Bausparkasse noch auf die Planche müssen, hat Schwäbisch Hall gerade ein weiteres Gefecht siegreich bestanden. Dass die Berufungsklage der Verbraucherzentrale vom Oberlandesgericht Stuttgart zurückgewiesen wurde, ist ein wichtiger Punktsieg für das Bausparen und die Bausparkassen. Aber: Die Stuttgarter Richter ließen die neuerliche Revision zu. Damit wird sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage beschäftigen müssen. Denn die Verbraucherzentrale hat bereits angekündigt, bis vor das oberste deutsche Gericht ziehen zu wollen.

Ihre Zuversicht auf einen letztinstanzlichen Erfolg können die Verbraucherschützer nicht nur aus ihrer Überzeugung, sondern auch aus der Urteilsbegründung der Stuttgarter Richter ziehen. Die gaben zwar in nahezu allen Punkten der Bausparkasse recht (siehe hierzu auch die Argumentation von Hans Laux in Heft 23-2008, Seite 868 ff. und Heft 16-2009, Seite 544 ff.), doch eben nicht völlig uneingeschränkt. So folgt das Gericht der Argumentation, dass bei einer gewerblichen und gewinnorientierten Bausparkasse - anders als bei einem genossenschaftlich organisierten Bausparverein auf Gegenseitigkeit - der Neuabschluss von Bausparverträgen in erster Linie dem Unternehmen nütze. Von der Neukundenwerbung profitiere mittelbar vielleicht noch der Bestandskunde, weil sich die Zuteilung seines Bauspardarlehens erleichtern könnte. Allerdings bezahle nicht der Bestandskunde für diesen seinen Vorteil, sondern der Neukunde. Ob die Abschlussgebühr zu Vertragsbeginn oder zeitlich gestreckt zum Beispiel über die Zinsen entrichtet wird, ist für die Richter nicht unerheblich und könne folglich auch nicht vernachlässigt werden. Bei vertragsgemäßer Guthabeneinzahlung und Inanspruchnahme des Bauspardarlehens mag es keinen Unterschied geben. Wenn das Guthaben jedoch vorzeitig entnommen wird, ist die einmalige Abschlussgebühr zu Vertragsbeginn eine ungünstige Variante, die sogar zum Kapitalverlust führen kann, erklären die Stuttgarter Richter in ihrer Urteilsbegründung.

Aber das Oberlandesgericht erkannte auch, dass die Abschlussgebühren im durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen hochgradig reglementierten Bausparkassenwesen als typisches Element der Vertragsgestaltung bislang stets vorausgesetzt und damit letztlich gebilligt wurden. So regelt die Norm zur Berechnung des Effektivzinses, wie die Abschlussgebühren dabei zu berücksichtigen sind. Dies komme einer Anerkennung gleich, zumal die Vorgabe seitdem mehrfach geändert und überarbeitet wurde, die Zulässigkeit und Struktur von Abschlussgebühren für Bausparverträge aber nie infrage gestellt wurden. Auch bei mehreren Änderungen im Darlehensrecht des BGB habe der Gesetzgeber an der bisherigen Praxis keinen Anstoß genommen.

Den übrigen Argumenten der Verbraucherschützer zum angeblich irreführenden Gebührenbegriff, der mangelnden Transparenz einer pauschalen Abschlussgebühr, der unzureichenden Aufklärung des Kunden über die Gebührenverwendung und dem sich daraus möglicherweise ergebenden Interessenkonflikt des Vermittlers, folgte das Gericht nicht. Insgesamt könne in der Vertragsklausel deshalb keine unangemessene Benachteiligung des Kunden gesehen werden. Aber: Das Gericht erhöhte den Streitwert des Verfahrens. Denn aus seiner Sicht ist nicht von dem Interesse eines einzelnen Bausparers auszugehen, infolgedessen sich der Streitwert bislang auf wenige Tausend Euro belief, sondern vom Aufkommen an Abschlussgebühren bei der beklagten Bausparkasse, die im Jahr 2008 bei Schwäbisch Hall rund 320 Millionen Euro ausmachten. Folglich wurde ein neuer Streitwert von 250 000 Euro festgelegt.

Für die Bausparkassen geht es in den Verfahren um viel. Denn das Betriebsergebnis aller Bausparkassen betrug 2008 rund 508 Millionen Euro. Würde auf die Abschlussgebühr verzichtet und die Vertriebskosten voll bei der Bausparkasse anfallen, dürfte das aus Sicht von Schwäbisch Hall für viele Bausparkassen existenzbedrohend sein. Um welche Summen es sich dreht, fand ebenfalls in der Urteilsbegründung Berücksichtigung: Für den Zehn-Jahreszeitraum von 1998 bis 2007 belief sich das Neugeschäft aller deutschen Bausparkassen auf zusammen 879 Milliarden Euro. Bei einer Abschlussgebühr von 1,0 Prozent der Bausparsumme ergeben sich Gebühreneinnahmen von 8,79 Milliarden Euro. Allerdings verfügen die Bausparkassen nur über Eigenmittel von 8,6 Milliarden Euro (Stand Jahresende 2007). Bei einer Unterlegung der Risikoaktiva mit Eigenkapital sind laut der Bausparkassen sechs bis sieben Milliarden Euro nötig. Für eine etwaige Rückzahlung wären demnach nur 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro verfügbar. Folglich können sich die Bausparkassen - und die derzeitigen Bausparer(! ) - eine Niederlage im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten. L. H.

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