Immobilien und Altersvorsorge

Wohnungs- und Immobilienpolitik aus Sicht des privaten Eigentümers

In Heft 8-2006 der Zeitschrift "Immobilien & Finanzierung" erschien der Beitrag von Wolfgang Tiefensee "Die Wohnungspolitik der neuen Bundesregierung".1) Darin legte der Minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung dar, dass seines Erachtens aus dem Fehlen des Begriffs "Wohnungswesen" in der Bezeichnung seines Ministeriums keine falschen Rückschlüsse gezogen werden dürften; dies sei zwar in der Geschichte der Bundesrepublik bisher selten vorgekommen2), es wäre aber falsch zu behaupten, "dass wohnungspolitische Fragestellungen auf Bundesebene in Zukunft keine Rolle mehr spielen werden."

Wohnungs- und städtebauliche Zielsetzungen, zu denen

- die Wohneigentumsförderung im Kontext mit familienpolitischen Aspekten und der Altersvorsorge,

- ökologische Fragen des Bauens und Wohnens sowie

- die Internationalisierung der Wohnungswirtschaft (Stichwort REITs) zählten, seien auch weiterhin bedeutsam; es seien die wohnungs- und städtebaulichen Zielsetzungen der neuen Bundesregierung für diese Legislaturperiode.

Trotz dieser ministeriellen Einlassungen hat die Zeitschrift "Immobilien & Finanzierung" das Thema auf das Programm der 41. Herbsttagung gesetzt, vielleicht in der Unterstellung, dass der Minister die Problematik nicht erschöpfend oder zu einseitig abgehandelt hat. Zugleich hat die Redaktion in der Einladung durch einige Stichworte wie "Die Immobilie - Wunschtraum der Privaten, Albtraum der Investoren" oder "Wohnungs- und Immobilienpolitik: Die neuen Probleme mit Renditen und REITs, Diskriminierung und Altersvorsorge" den Referenten klare Empfehlungen zur Befassung der Problematik vorgegeben.

Ein ewiges Thema auch für die Zukunft

Dabei können die Einlassungen zur künftigen Wohnungs- und Immobilienpolitik gedanklich allerdings nicht mit einer scharfen Zäsur beginnen; es ist nicht möglich, eine Konzeption losgelöst von der Vergangenheit zu entwickeln, gleichsam aus der Retorte heraus. Eine absolut neue Politik ist nicht zuletzt wegen der langen Lebensdauer der Immobilie, vor allen Dingen aber wegen der jahrzehntelangen positiven und negativen Folgewirkungen staatlicher Interventionen nicht gestaltbar. In die Befassung mit der zukünftigen Konzipierung sind folglich sowohl Leistungen als auch Versäumnisse der bisherigen amtlichen Wohnungs- und Städtebaupolitik einzubeziehen; ein solches Vorgehen empfiehlt sich auch deshalb, weil man die Chancen erhöht, durch eine schonungslose Fehleranalyse eine wesentlich effizientere und effektivere Politik zukünftig betreiben zu können.

Zu analysieren wird deshalb sein, ob alle alten Probleme voll befriedigend gelöst wurden, ob es Restanten gibt oder ob aufgrund falscher Ziele beziehungsweise fehlerhafter Maßnahmen Entwicklungen eingetreten sind, die der Korrektur bedürfen. Erst danach wird zu erörtern sein, ob sich zwischenzeitlich auf beiden Marktseiten wesentliche Veränderungen ergeben haben, inwieweit sich die Vorstellungen vom Wohnungs- und Städtebau gewandelt und/oder inwieweit sich die staatlichen Rahmenbedingungen modifiziert haben, das heißt sich der Prioritätenkatalog der öffentlichen Hand verschoben hat.

Ziele und Erreichtes

Bis Mitte der fünfziger Jahre dominierten die Versorgungsziele. Es galt, so rasch wie möglich ausreichenden, familiengerechten Wohnraum zu tragbaren Konditionen zu schaffen. Das Instrument zur Zielerreichung war insbesondere der soziale Wohnungsbau als Initialzündung. Weitere Maßnahmen dienten der Regulierung der Miethöhe und Bewirtschaftung der Bestände.3) Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Wohnungsbaugesetzes 1956 wurde als zusätzliches Ziel die Eigentumsbildung propagiert; zur Erreichung wurden unter anderem die Wohnungsbauprämie sowie Steuervergünstigungen nach §§ 7b, 10e EStG beziehungsweise die Eigenheimzulage eingeführt. In den sechziger Jahren bildeten sich parallel dazu weitere Schwerpunkte heraus; Instandsetzung und Modernisierung des Althausbestandes gewannen zusätzlich an Gewicht. Fragen der Raumordnung, des Bodenrechts und des Städtebaus schoben sich ebenfalls in den Vordergrund.

Als sich die Versorgungslage kontinuierlich verbesserte, wurden sukzessive die starken Hemmnisse bei der Mietbindung und Belegung gelockert, das heißt die Maßnahmen zur Zielerreichung modifiziert. Ende der fünfziger Jahre wurde erstmalig über die Überführung der Wohnungszwangswirtschaft in die soziale Wohnungsmarktwirtschaft diskutiert. Das Plädoyer zugunsten einer sozialen Wohnungsmarktwirtschaft hatte allerdings nicht lange Bestand.

Tendenzwenden waren das so genannte Wohnungsbindungsgesetz 1965, vor allem aber der Ausbau des Kündigungsschutzes und Maßnahmen zur Begrenzung des Mietanstiegs 1971. 1975 wandelte der Deutsche Bundestag - mit lediglich einer Gegenstimme - diese zunächst temporär geltenden Einschränkungen in Dauerregelungen um; in den folgenden Jahrzehnten wurden sie dann permanent verschärft.4) Die letzten gravierenden Marktinterventionen waren die Mietrechtsänderung 2001 (asymmetrischer Kündigungsschutz, Absenkung der Kappungsgrenze) sowie das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" (AGG), das am 18. August 2006 in Kraft trat.5)

Stellt man die staatlichen Ziele der Wohnungs- und Städtebaupolitik von der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis heute - losgelöst vom Beitritt der DDR - dem Erreichten gegenüber, so wird man feststellen, dass gigantische Aufbauleistungen erbracht wurden; die Wohnungsversorgung, die heute zu konstatieren ist, ist die beste, die es auf deutschem Boden je gegeben hat. Es kann nicht bestritten werden, dass die Geschichte der Wohnungspolitik - um Eekhoff zu zitieren - nicht nur eine Kette von Flops war.6) Unter Einsatz eines exakt nicht bezifferbaren Subventionsaufwandes wurden gewaltige quantitative und qualitative Leistungen erbracht. Die Bestände sind weitgehend gepflegt, die meisten Stadtquartiere intakt und vor allen Dingen, die Mieten sind im Verhältnis zu denen anderer europäischer Staaten extrem niedrig.

Ein zwiespältiges Zwischenergebnis

Neben den unverhältnismäßigen Marktinterventionen, die später behandelt werden, ist negativ zu konstatieren, dass die Förderung über Zuschüsse beziehungsweise Steuervergünstigungen teilweise überdimensioniert war. Das Beispiel schlechthin ist die "Gebietsförderung" nach der Wende. Unter Ausweitung der öffentlichen Verschuldung wurden die Neubauleistungen forciert; Leerstände mit Werteverfall, Vernachlässigung der alten Bausubstanz und Zerstörung gewachsener Stadtquartiere waren die Folge. Verlierer sind gleichermaßen der Staat, die Eigentümer und wegen notleidender Kredite - die Banken gewesen. Zu beklagen sind ferner eine nachlassende Vitalität einzelner Stadtteile sowie die zum Teil schlechte Ausnutzung der Infrastruktur. Aber losgelöst von diesem Beispiel par excellence waren die staatliche Förderung und vor allem die Markteingriffe generell nicht zieladäquat. Wenn die Bestandsaufnahme der bisherigen staatlichen Wohnungspolitik letztendlich insgesamt negativ ausfällt, so ist für dieses Urteil maßgebend der Geist der Unfreiheit, der im Wohnungs- und Städtebau vorherrscht, vor allen Dingen beim heutigen Mietrecht. Es wäre vielleicht einer katastrophalen Wohnungsnot angemessen; vor dem Hintergrund partieller Überhänge ist es aber nicht verständlich.

Es hat sich zwischenzeitlich für die Vermieter zur Garotte, zur Würgeschraube, dem spanischen Folterinstrument, mit dem Todesurteile vollstreckt wurden, fortentwickelt: Nicht der einzelne Paragraf, nicht die einzelne Bestimmung, aber die Gesetze als Ganzes führen dazu, dass die Vermieter die Würgeschraube spüren, ihnen sukzessive die Luft zum Atmen beschnitten wird. Joachim Jahn hat im Februar 2005 über diese kalte Enteignung der privaten Wohneigentümer geschrieben. Er skizzierte zutreffend die Folgen für den Vermieter aus wachsenden Mietschulden sowie Mietnomaden und unzulänglichen Mietkautionen. Der Eigentümer sei - so Jahn - schon lange nicht mehr Herr im eigenen Haus. Die deutschen Vermieter müssten aufgrund von Gesetzes- und Richterrecht einen erheblichen Vermögensverlust erleiden.7)

Dabei wird die Kettenreaktion übersehen: Diese privaten Verluste führen zu negativen Einkünften, der Fiskus geht also selber leer aus. Die öffentliche Hand beklagt zwar hohe Steuermindereinnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Durch das deutsche Mietrecht verursacht sie selbst einen Teil dieser Steuermindereinnahmen mit. Aber nicht nur der Vermieter, sondern auch der Handwerker kann der Verlierer sein. Manche Investitionen unterbleiben, weil sie sich nicht rechnen. So gesehen hat das deutsche Mietrecht auch negative Einflüsse auf die Arbeitsplätze im Baugewerbe.

Wie sind die fortlaufenden Verschärfungen des Mietrechts bei gleichzeitiger Reduzierung der staatlichen Subventionen zu erklären? Ursächlich hierfür sind desinteressierte, vor allem konfliktscheue Wohnungspolitiker. Dem jetzigen Deutschen Bundestag gehören 614 Abgeordnete an. Viele von ihnen sind begeisterte Förderer der Blasmusik und des bayerischen Schmelzkäses, aber nur ganz wenige bekennen sich zur Wohnungspolitik. Die jetzige Bundeskanzlerin ist ebenso wie der erwähnte Fachminister Tiefensee groß geworden unter der DDR-Wohnungspolitik, in der die Miete stets ein politischer Preis war. Die Bundeskanzlerin hat unmittelbar nach Übernahme ihres Amtes - ungefragt - erklärt, dass sie beim Mietrecht keinerlei Änderungsbedarf sehe.8)

Mietrecht - Konsequenz einer konfliktscheuen Politik

Seit Einführung des bereits erwähnten Zweiten Wohnungsbaugesetztes im Jahre 19569) hat es im Gegensatz zur Aussprache über den Beitritt Deutschlands zur Nato, zu den Notstandsgesetzen und zur Ost- und Friedenspolitik keine richtungweisende Debatte mehr über den Wohnungs- und Städtebau im Deutschen Bundestag gegeben. Vor leeren Rängen, vor ausgeschalteten Fernsehkameras, wurden im Plenarsaal die Maßnahmen geschäftsmäßig debattiert.

Festzuhalten ist eine im Wohnungswesen um sich greifende Bevormundung, festzumachen an der bereits erwähnten Dauerregelung des Mieterschutzes. Spätestens seit 1975 glauben die Politiker, dass das, was das Wohnungswesen anbelangt, nicht in die Selbstverantwortung des Menschen fallen dürfe. Das hat dann zu der bekannten Übellaunigkeit geführt, die Menschen haben, wenn sie immerzu etwas erwarten, was nicht kommt, wofür sie aber selbst nichts tun. Seit Jahren ist auch in der Wohnungspolitik der Respekt vor den Bürgern verloren gegangen, die versuchen, ohne staatliche Subsidien ihren Lebensunterhalt zu bestreiten; auch die Immobilienpolitik ist längst schon kein Anwalt mehr für Leistungsbereitschaft und Wirtschaftsfreiheit!

Wohnungs- und Immobilienpolitik - was uns droht

Es ist zu befürchten, dass der Geist der Unfreiheit, der Wille, jede kleine Kleinigkeit zu regulieren, Gesetze am Leben zu erhalten, die an der Wirklichkeit vorbeigehen, dass alle diese negativen Verhaltensmuster auch die amtliche Wohnungs- und Immobiliepolitik von morgen prägen wird. Klaus Schweinsberg, Chefredakteur von "Capital" befürchtet, dass "uns die Bundeskanzlerin wirtschaftspolitisch genau dorthin führen wird, wo sie herkommt: in den Sozialismus". Vom Mut zu mehr Freiheit - so ihr Credo in ihrer ersten Regierungserklärung - sei schon lange nichts mehr zu spüren.10)

Es ist für einen Vertreter der privaten Investoren deshalb evident, dass er an den Anfang seiner Forderungen eine Umgestaltung der amtlichen Wohnungs- und Immobilienpolitik, ein anderes Rollenverständnis, ein anderes Verhältnis von Vermieter und Mieter setzt. Beide müssen Partner werden. Es darf deshalb nicht mehr länger so sein, dass alle denkbaren Eventualitäten beschrieben, kodifiziert, normiert werden. Warum traut man dem Mieter, warum traut man dem Vermieter, dem Eigentümer nicht zu, selbst zu entscheiden, ob er bauen, kaufen, mieten oder vermieten möchte?

Der Staat verbietet nicht das Fallschirmspringen, das Bungeejumping, das Durchqueren der Sahara. Er verbietet nicht einen exzessiven Konsum, er zwingt die Arbeitslosen nicht zur Weiterbildung. Nur bei der Vermietung greift die öffentliche Hand massiv ein, wohl wissend, dass weit über 90 Prozent aller Mietverhältnisse partnerschaftlich verlaufen. Warum respektiert der Staat nicht den Wunsch eines Mieters, mit seinem Vermieter Mietdauer und -höhe völlig frei auszuhandeln? Warum glaubt der Fiskus, vorschreiben zu müssen, wie die Kosten einer Ungezieferbeseitigung umgelegt werden müssen? Sollte man nicht zunächst einmal davon ausgehen, dass Mieter und Vermieter vernunftbegabte Menschen sind, die sich der Tragweite ihres Handelns voll bewusst sind?

Uns hilft es nicht weiter, dass auch andere Bereiche dieser Regelungswut unterworfen sind. Vor 100 Jahren bestand das Dekret des preußischen Königs aus einem Satz: "Die Boulette muss frisch sein". Heute haben wir eine "Verordnung über Hackfleisch, Schabefleisch und anders zerkleinertes rohes Fleisch", kurzum die "Hackfleischverordnung". Sie wurde seit 1972 acht Mal geändert, besteht jetzt aus 21 Paragrafen mit 50 Absätzen und hat dennoch Fleischskandale nicht verhindern können.

Was der Vertreter der privaten Investoren deshalb fordern wird und muss, ist eine Abkehr von diesen Strömungen, von diesen Geisteshaltungen. Es vergeht kaum ein Monat, kaum eine Woche, an dem nicht eine Reform medienwirksam angekündigt wird. Nur, warum bescheinigt uns die Pisa-Studie ein so schlechtes Bildungssystem, warum werden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, warum stehen die sozialen Netze vor dem Reißen, warum müssten die öffentlichen Kassen nicht schon lange den Offenbarungseid geleistet haben, warum bildeten sich massiv Wohnungsleerstände heraus, wenn doch eine Reform, das heißte die Wende zum Besseren, die andere jagt? Warum degeneriert das einstige Wirtschaftswunderland Deutschland zum Weltmeister im Verharren? Die Antwort ist ganz schlicht: Weil wir um des Reformierens willen reformieren!

Heinrich Böll erzählt in einer Kurzgeschichte von einem Chef, der über den Flur läuft, die Türen aufreißt und allen seinen Mitarbeitern zuruft, es muss etwas geschehen. Nur dieses macht er jeden Morgen, Woche für Woche, Monat für Monat, ohne dass außer diesem simplen Aktionismus irgendetwas passiert. Triebfeder unseres Reformeifers sind Neid, Umverteilungsmanie, ein falsches Verständnis von Solidarität und Subsidiarität.

Der bekannte Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio hat es wie folgt formuliert: "Wenn in Deutschland von sozialer Gerechtigkeit gesprochen wird, werden ungleiche Vermögensverhältnisse regelmäßig zum Ausgangspunkt der Überlegung gemacht und die darin gesehene Ungerechtigkeit mit positiv besetzten, mit egalitären Begriffen wie Grundversorgung für alle oder Bürgerversicherung konfrontiert. Ausgleich, Nivellierung, Belastung der stärkeren Schulter, soziale Verantwortung von Besserverdienenden und Erben sind Vokabeln, die stets eines gewissen Beifalls sicher sein können. Im Fokus des Neidkomplexes, der Nivellierungsbestrebungen steht das Eigentum, das Eigentumsrecht. Es ist weit stärker gefährdet als beispielsweise die Religions- und Meinungsfreiheit, Datenschutz und sexuelle Freizügigkeit."

Es wird schlichtweg ignoriert, dass Eigentum ein Freiheitsrecht des Menschen ist. Ohne die ganz simple Unterscheidung von Mein und Dein gibt es kein Recht auf freie Entfaltung, auf Dispositionsfreiheit, auf Freiheit des Menschen. Insofern ist das Eigentum, auch das an der selbst genutzten oder vermieteten Wohnung, kein Skandal, kein schreiendes Unrecht, sondern Ausdruck von Konsumverzicht, von Eigenverantwortung, selbstverständlich auch Ausdruck einer persönlichen Tüchtigkeit von Fleiß und Sparsamkeit. Nach Papst Gregor I. gehörte Neid zu den sieben Todsünden, übrigens ebenso wie Trägheit, Geiz und Hochmut.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Ebenso untragbar wie das Mietrecht ist das bereits erwähnte, am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, besser bekannt unter dem Stichwort "Anti-Diskriminierungsgesetz", gegen das die Organisation der privaten Vermieter Sturm gelaufen ist. Es ist evident, dass bei der Vermietung einer Wohnung, sofern es mehrere Bewerber gegeben hat, zwangsläufig alle bis auf einen abgelehnt werden müssen. Die Mehrheit kann definitionsgemäß nicht zum Zuge kommt, kann dies aber als Diskriminierung gewertet werden? Unabhängig davon, dass durch die Umkehr der Beweislast - ein in Deutschland unglaublicher Rechtsvorgang - den Vermietern zusätzliche Probleme geschaffen werden, wird in unserer Marktwirtschaft die Vertragsfreiheit, in der sich Freie und Rechtsgleiche im Tauschverkehr begegnen, aufgegeben.

Bisher war man der Auffassung, dass sich die Vertragsparteien mit ihren wechselseitigen Interessen auf einen vernünftigen Kompromiss, auf einen konkreten Vertrag, einigen. Das Gleichbehandlungsgesetz wird den überzogenen Mieterschutz weiter ausbauen, das heißt das Eigentum weiter aushöhlen. Hinzu kommt, dass jede praxisferne und schematische Überregulierung die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Wohnungsstrukturen in den Quartieren unmöglich macht. Das Streben nach gleichen Voraussetzungen wird damit konterkariert.

Erbschaftssteuerreform

Konträr zu der notwendigen, die Aufgaben und Probleme von morgen wirklich lösenden Wohnungs- und Immobilienpolitik steht die Reform der Erbschaftssteuer. Sie sieht bekanntlich vor, für Unternehmenserben die Steuerbelastung stufenweise zu reduzieren, wenn sie den Betrieb weiterführen und die Arbeitsplätze erhalten. Die sich dadurch ergebenden Steuerausfälle sollen durch eine Anhebung der Erbschaftssteuerbelastung bei Immobilienvermögen entsprechend kompensiert werden. Denn es wird - leider - heute zum Selbstverständnis, dass man sich beim Thema "Steuersenkung" nicht Gedanken über Ausgabenkürzungen, sondern nur über die so genannte Gegenfinanzierung macht.

Das Konzept der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Erbschaftssteuerreform sieht deshalb vor, den Steuerausfall über im Erbfall höher zu bewertende Privatimmobilien auszugleichen. Zwischen 1991 und heute hat sich das Aufkommen aus der Erbschaftssteuer bereits vervierfacht. Weitergehende Befürchtungen sind, dass die Reform nicht nur zum Ziel hat, Betriebsvermögen zu ent- und Immobilienvermögen im Erbfall zu belasten, sondern weitgehend das Immobilienvermögen, das heute etwa 3,4 Billionen Euro ausmacht, eines Tages zur Deckung der nicht mehr beherrschbaren Staatsverschuldung heranzuziehen. Bekanntlich machen die Schulden der öffentlichen Hände zur Stunde rund 1,53 Billionen Euro aus. Jede Sekunde kommen 2 113 Euro hinzu. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, werden sich in nicht all zu ferner Zukunft öffentliche Verschuldung und privates Immobilienvermögen die Waage halten. Spätestens dann ist die Verlockung riesig groß, durch Aushöhlung des Wohneigentums die Schulden abzudecken, Erspartes zur Stopfung von Haushaltslöchern heranzuziehen. Welche realen Möglichkeiten bestehen denn ansonsten noch?

Ist die Tragweite der Staatsverschuldung allen Politikern, allen Vertretern der heranwachsenden Jugend bewusst? Sollte die öffentliche Hand ab sofort monatlich eine Milliarde Euro tilgen, würde es über 150 Jahre dauern, bis die letzte Verpflichtung abgetragen wäre aber noch weitet sie sich aus.

Unvereint mit einer adäquaten Wohnungs- und Immobilienpolitik sind die Pläne der Großen Koalition, Veräußerungsgewinne bei Immobilien dauerhaft pauschal zu besteuern. Der Bundesfinanzminister erwägt, zukünftig die Differenz aus Anschaffungs- und Veräußerungspreis, letzterer gegebenenfalls reduziert um die steuerliche Abschreibung, pauschal mit 20 Prozent zu versteuern. Es bedarf wohl keiner differenzierten Beweisführung, dass damit das letzte Interesse am Erwerb und Erhalt von Mietwohnungen erlöschen dürfte. Dabei soll bekanntermaßen die Immobilie mehr denn je zu einer der ganz wichtigen Säulen der privaten Altersvorsorge werden. Wenn sie zur Absicherung des Lebensabends veräußert wird, dann möchte der Fiskus zugreifen. Diese Steuer ist ein typisches Beispiel für den Willen der Politiker, Eigenverantwortung, Fleiß, persönliche Dispositionsfreiheit zu bestrafen und zwar in einem Bereich, der schon jetzt voll besteuert wird. Wer heute baut, zahlt zunächst die Grunderwerbssteuer, der Bauprozess unterliegt der Mehrwertsteuer wie jede Modernisierung und Instandsetzung, Mieteinnahmen sind einkommenssteuerpflichtig. Jährlich wird die Grundsteuer fällig und beim Vererben fällt die Erbschaftssteuer an.

Nunmehr soll der Gewinn, auch wenn es sich um einen rein inflationsbedingten handelt, versteuert werden, ohne dass das Gegenteil, ein eventueller Verlust, steuerlich geltend gemacht werden kann. Diese Steuer passt also hervorragend in unsere Neidgesellschaft. Der deutsche Verfassungsrichter Udo Stein hat einmal gesagt, die Deutschen seien gleichheitskrank. Das ist eine höfliche Umschreibung des bereits gegeißelten Neidkomplexes, unter dem unser Volk leidet.

Forderungen an die zukünftige Wohnungs- und Immobilienpolitik

Vor dem Hintergrund signifikanter Veränderungen in der Bevölkerungspyramide (Stichwort: älter, weniger, bunter), angesichts der Bevölkerungsbewegungen, der Defizite in der staatlichen Altersvorsorge und demzufolge der wachsenden Bedeutung des Immobilienvermögens, infolge der relativ niedrigen Eigentumsquote und gefährdeter Stadtquartiere dürfte es unstreitig sein, dass es auch weiterhin eine intensive Wohnungs- und Städtebaupolitik geben muss. Sie muss allerdings wesentlich effizienter als die in der Vergangenheit sein, sie muss vor allen Dingen die Gleichberechtigung von Mietern und Vermietern beachten, sie muss wesentlich stärker das Eigentum vor steuerfiskalischen Eingriffen schützen, sie muss mehr auf die Marktkräfte bauen.

- Zu plädieren ist für ein ausgewogenes, einfaches Mietrecht, das nicht länger von der Fiktion ausgeht, dass der Vermieter stets reich und unendlich belastungsfähig ist und der Mieter definitionsgemäß arm und schutzlos. Der Mieter und Wohnungseigentümer sind integraler Bestandteil unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems und nicht der Ausdruck von Fehlentwicklungen. Zu fordern ist deshalb die Wiederherstellung der Chancengleichheit. Salopp formuliert sollte das zukünftige Mietrecht auf einen Bierdeckel passen.

- Zu fordern ist ein Steuersystem, das nicht durch permanente Anhebung der Grund- und Erbschaftssteuer sowie durch eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, durch Einführung einer Wertzuwachssteuer die Immobilie zum unerschöpflichen Brunnen für den Fiskus macht. Sowohl die Erstellung als auch der Erhalt einer Immobilie unterliegen bereits voll der Besteuerung; dieses Vermögen kann nicht ins Ausland verbracht werden. Beängstigend ist, dass im politischen Raum eine beispiellose Kreativität festzustellen ist, wie Immobilienbesitzer immer aufs Neue steuerlich belastet werden können.

- Zu fordern ist, dass den am Wohnungseigentum interessierten Bürgern der Zugang nicht weiter erschwert wird. Jahrelang wurde auf vielfache Weise und in erheblichem Umfang der Erwerb von Wohneigentum gefördert. Nunmehr ist die Eigenheimzulage abgeschafft und bestimmte steuerliche Abschreibungen sind schon lange nicht mehr möglich. Die Bausparförderung ist zu einer Quantité négligeable verkommen. Ob die Einbeziehung der Immobilie in die Riesterrente in einem nennenswerten und vor allen Dingen effizienten Umfang gelingen wird, wird die Zukunft erst erweisen. Diese abrupte Kurskorrektur erinnert sehr stark an Wolfgang Borcherts unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges erschienenes Drama "Draußen vor der Tür". Die glücklich Besitzenden von heute oder, wie der Lateiner es sagt, die beati possidentes, schließen die draußen vor der Türe, die Eigentümer werden wollen, aus.

- Zu fordern sind stabile, langwährende Rahmenbedingungen. Das Schlimmste sind die permanenten Änderungen. Immobilien sind langlebige Güter, Revisionen an den Rahmenbedingungen innerhalb weniger Monate folglich untragbar. Erinnert sei nur an die "ewige" Geschichte der Eigentumsförderung, die mit den Vergünstigungen nach § 7c EStG begann, sich über §§ 7b und 10e EStG und die Eigenheimzulage fortsetzte, von den Korrekturen an § 7 Abs. 5 EStG ganz zu schweigen. Die Entscheidung für eine Investition mit einem mehrjährigen Planungsprozess und einer über 100-jährigen Lebensdauer basiert auf steuerlichen Regelungen mit einer Haltbarkeitsdauer von häufig unter einem Jahr!

- Zu fordern ist, dass sich die Politik wieder nachhaltiger ordnungspolitisch mit dem Thema Wohnen befasst.1) Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang, dass durch die Föderalismusreform12) die Länder stärker in die Pflicht genommen werden, die die zweifelsohne wesentlich besseren Kenntnisse haben als der Bund. Denn es gibt schon lange nicht mehr den Wohnungsmarkt, es gibt auch keinen Wohnungsmarkt mehr in Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg oder Sachsen. Es gibt vielleicht einen Wohnungsmarkt von Rostock, Aachen oder München; möglicherweise zerfällt aber auch dieser in einzelne Teilsegmente. Es gibt schon lange nicht mehr die Stadt, es gibt einzelne Räume, es gibt einzelne Quartiere. Insoweit kann sich die Kompetenzverlagerung auf die Länder nur positiv auswirken. Aber entscheidend ist vor allem, dass sich die Politik zum Wohneigentum bekennt, nicht zum einzelnen Paragrafen, sondern ihren Willen bekundet, gleiche und faire Rahmenbedingungen zu schaffen.

- Zu fordern sind schließlich auskömmliche Renditen. Hermann Josef Abs, der legendäre Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, hat vor vielen Jahrzehnten einmal über den Aktionär gesagt: "Er ist dumm und frech. Dumm, weil er sein Geld in Aktien anlegt, und frech, weil er hierfür eine Dividende erwartet." Unser gemeinsames Bemühen sollte darauf ausgerichtet sein, dass der Immobilieneigentümer nicht zum Aktionär im Sinne von Abs wird. Die Rendite ist zur Stunde kläglich niedrig. Geschieht hier nichts, kann man sich ausmalen, was bereits in wenigen Jahren sein wird, wenn die renditeorientierte Erbengeneration zu Eigentümern wird. Die Wohnungsversorgung wird sich wieder verschlechtern, Stadtteile werden verslummen. Die Eigentumsquote wird nicht länger ansteigen. Es ist noch nicht einmal gesichert, dass diese Generation sich an REITs beteiligen wird. Kommt der Immobilienattentismus?

Die Politik muss für einen in seinem Wert völlig unterschätzten Sektor wieder mehr Interesse aufbringen: 3,5 Billionen Euro Vermögen verdienen Aufmerksamkeit, die Bauwirtschaft ist einer der wichtigsten Sektoren in der Bundesrepublik Deutschland. Das Eigentum ist in unseren Breitengraden von existenzieller Bedeutung, das Eigentum garantiert einen beschwerdefreien Lebensabend. Das Wohnungswesen hat mit die höchsten Energieverbräuche. Intakte Stadtquartiere dürfen nicht zum Unruheherd werden. Für die Wohnungs- und Immobilienpolitik gibt es in der Tat neue - und natürlich auch alte - Probleme. Heute haben wir es in der Hand, dass die Immobilie nicht nur der Wunschtraum der Privaten, sondern auch zu einer klugen Entscheidung der Investoren wird. Und was ist in diesem Sinne eine gute Wohnungs- und Immobilienpolitik? Dass die Sonntagsreden zur Freiheit, zur Selbstverantwortung, zur Bedeutung des Wohneigentums am Montag in einen Gesetzesentwurf einfließen und am Freitag Bundestag und Bundesrat das Gesetz mit großer Mehrheit beschließen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X