Immobilienwirtschaft und Politik

Wohnungspolitik zwischen Marktanreiz und Marktkorrektur

Die Wohnungsmärkte unterliegen in regional stark ausdifferenzierter Weise einem deutlichen Veränderungsprozess in Anbieterstrukturen und Nachfragemustern. Die Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen ist auf diese Entwicklungen ausgerichtet. So beschränkt sie sich nicht auf einzelne Wohnungen und Gebäude, sondern bezieht standortspezifische Veränderungsprozesse im Wohnumfeld und Stadtquartier in die Überlegungen mit ein.

Investoren motivieren

Wir suchen die Zusammenarbeit mit den wohnungswirtschaftlichen Akteuren, wollen motivieren und Investitionsinteresse wecken. Ausgehend von der Kernaufgabe "Wahrung sozialer Belange" geht es zum einen darum, Menschen zu unterstützen, die sich aus eigener Kraft nicht an den Wohnungsmärkten versorgen können. Zum anderen sollen standortgerechte Angebote initiiert und zukunftsfähige Entwicklungen ermöglicht werden. Im Vordergrund stehen also nicht allein Quantitäten, sondern vor allem auch Qualitäten. Dabei sind zwei Aspekte zu beachten:

- Die demographischen und steuerlichen Rahmenbedingungen wohnungswirtschaftlichen Handelns haben sich grundlegend gewandelt - das erfordert eine stärkere Eigeninitiative wohnungswirtschaftlicher Akteure und deren dialogorientierte Neuaufstellung.

- Die Wohnungsmärkte entwickeln sich sehr unterschiedlich - das erfordert flexiblere und marktorientierte Förderangebote.

Wir verfolgen einen präventiven Ansatz und reagieren nicht erst dann, wenn negative Entwicklungsergebnisse zum Handeln zwingen. Das setzt voraus, dass man sich kontinuierlich mit den Fragen auseinandersetzt, wie sich die Gesellschaft entwickelt, welche Bedürfnisse daraus entstehen, ob daran gemessen die bestehenden Wohnungen noch marktfähig sind, ob sie auf andere Ansprüche zugeschnitten werden müssen und wie sich das auf die einzelnen Wohnungsmärkte auswirkt.

Werterhaltende und nachfragegerechte Neugestaltungen müssen auf die Bedürfnisse zunehmend singularisierter und alternder Haushalte eingehen. Neben solchen haushaltsstrukturellen Veränderungen führen ausdifferenzierte Lebensstile zu veränderten Bedürfnissen hinsichtlich Wohnungsausstattung, Lage und Wohnumfeld. Das urbane Leben wird gerade wieder neu entdeckt, und wir nutzen diesen Trend, indem wir älteren Menschen ermöglichen, in der eigenen Wohnung und im angestammten Quartier zu verbleiben, für junge Haushalte attraktive Wohnangebote bereithalten, durch bezahlbare Wohnungen zur Miete und im Eigentum städtischen Standorten neue Attraktivität für Familien verleihen und Raumangebote für neue Wohnformen (zum Beispiel Mehr-Generati-onen-Wohnen, Alten-WG, Pflege-WG) bereitstellen. Wohnungspolitik kann somit dazu beitragen, dass Wohnquartiere an städtischen Standorten sich mit neuem Leben füllen und die Bereiche mit geballtem Erneuerungsbedarf eine Chance erhalten.

Ein besonders wichtiges Ziel der Wohnungs- und Siedlungspolitik in Nord-rhein-Westfalen ist es, älteren Menschen so lange wie möglich den Verbleib in den eigenen "vier Wänden" und im vertrauten Quartier zu ermöglichen, denn die bestehenden sozialen Netze helfen in besonderer Weise bei der Bewältigung des Alltags im Alter. Die Wohnraumförderung unterstützt die Investoren bei der Beseitigung von Barrieren im Wohnungsbestand oder im Wohnumfeld und im geförderten Neubau ist Barrierefreiheit inzwischen unabdingbare Fördervoraussetzung. Die Vorteile der Barrierefreiheit entfalten auch generationenübergreifenden Nutzen. Sie kommen Personen mit vorübergehender Bewegungsbeeinträchtigung oder Familien mit kleinen Kindern zugute, denn die Barrierefreiheit für einen Rollstuhl verbessert auch die Mobilität mit einem Kinderwagen.

Eigentumsbildung in der Stadt

Viele Menschen würden gerne in den eigenen vier Wänden leben, weil ihnen Wohneigentum große Vorteile bietet. Es unterstützt die Vorsorge für das Alter, ist familien- und kindgerecht, eröffnet individuelle Entfaltungsmöglichkeiten, wirkt doppelt vermögensbildend und ist die einzige Sparform, aus der man schon in der Sparphase unmittelbaren Nutzen zieht. Diese Vorteile wollen wir auch weniger finanzstarken Haushalten zugänglich machen und deshalb wird neben der grundsätzlichen Förderung des Eigentumserwerbs zusätzliche Unterstützung für junge Familien durch Kinderbonus und Starterdarlehen geboten. Und weil das Bauen in Städten und wachstumsstarken Regionen deutlich teurer ist, fördern wir das Wohneigentum in den Ballungsgebieten und in den Großstädten mit einem zusätzlichen Stadtbonus.

Wohnungspolitik muss neben der sozialen auch eine ökologische Verantwortung übernehmen und die Energieeffizienz von Wohngebäuden verbessern. Auf den Gebäudebereich entfallen 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs, dementsprechend groß sind die Potenziale zur Energieeinsparung. Neben positiven ökologischen Auswirkungen sind zudem auch Vorteile für Mieter und Vermieter zu erzielen, wenn die Heizkosten sinken, der Wohnkomfort gesteigert wird, der Immobilienwert erhalten oder erhöht wird und so der Wohnraum sich besser vermieten oder verkaufen lässt.

Deshalb fördern wir in Sozialwohnungsbeständen auch Maßnahmen zur Energieeinsparung (Fenster, Wärmedämmung, Heiztechnik) und berücksichtigen dabei die geringen Mieterhöhungsspielräume im geförderten Wohnungsbau und die begrenzte Mietzahlungsfähigkeit der Zielgruppen sozialer Wohnraumförderung. Und für neu errichtete Eigentumsobjekte bieten wir einen zusätzlichen Klimabonus, der unter bestimmten Voraussetzungen auch beim Erwerb von Bestandsobjekten möglich ist.

Erhöhung der Wohnqualität

Die vielfältigen Qualitätsansprüche treffen häufig auf Wohnungsbestände, die heutigen Ansprüchen und zukünftigen Erwartungen kaum Stand halten können, weil sie deutlich überaltert und stark erneuerungsbedürftig sind, mit der Folge, dass vielerorts die Bedarfs- und Angebotsstrukturen auseinanderzulaufen drohen. Immerhin stammt ein Viertel der Wohnbauten in Nordrhein-Westfalen aus der Zeit bis 1948, ein weiteres Viertel wurde in den Jahren von 1949 bis 1968 errichtet und in den großen Städten sind sogar mehr als zwei Drittel aller Wohnungen vor 1968 errichtet worden. Dementsprechend groß sind der Neugestaltungsbedarf sowie das Ausmaß von Erneuerungs- und Umbaumaßnahmen.

Angesichts rückläufiger Bevölkerungsentwicklung und auf vielen Märkten erkennbar nachlassendem Nachfragedruck ist es heute leichter, städtebauliche Fehlentwicklungen aus früheren Jahrzehnten zu korrigieren. Hochhaussiedlungen oder Schlichtwohnungsbestände müssen qualitativ aufgewertet werden. Für jeden Standort sind die Chancen und Grenzen möglicher wohnungswirtschaftlicher und damit auch städtebaulicher Verbesserungen individuell zu prüfen und die jeweiligen Belange der Bewohner zu berücksichtigen. Sofern dadurch das betreffende Wohnquartier eine neue Marktfähigkeit erlangen kann, unterstützen wir den Rückbau von Großwohnformen und eine städtebaulich verträgliche Ersatzbebauung. Finanzielles Engagement des Landes soll die erforderlichen Umgestaltungsaufgaben anregen, begleiten und unterstützen

- das System funktioniert aber nur mit umfangreichen Investitionen privater Akteure. Nur unter Einbeziehung privaten Kapitals wird es möglich sein, die Innenstädte aufzuwerten, Wohnquartiere umzustrukturieren und zu stabilisieren sowie brach gefallene Flächen neu zu nutzen.

Partnerschaftliches Handeln

Unsere Wohnungs- und Siedlungspolitik braucht Partner in den Kommunen und bei den Wohnungseigentümern. Nur gemeinsam können tatsächliche Verbesserungen von Wohnungen und Wohnumfeld, von Quartier und Stadtteil erreicht werden. Eine dafür wichtige gemeinsame Entscheidungsgrundlage bieten kommunale Handlungskonzepte, die mittelfristige Sicherheit für wohnungswirtschaftliche Investitionen dadurch schaffen, dass zwischen Kommune und Wohnungswirtschaft abgestimmte lokale Handlungserfordernisse benannt und gemeinsam getragene Maßnahmen vereinbart werden. Wir unterstützen diese Handlungskonzepte mit projektbezogenen Fördermitteln und durch eine Flexibilisierung der Fördertatbestände. So erhalten die Kommunen den erforderlichen Gestaltungsspielraum, um die örtlichen und regionalen Wohnungsmarkterfordernisse im Zusammenspiel mit den wohnungswirtschaftlichen Akteuren erfolgreich zu meistern.

Eine gute Kooperation zwischen öffentlicher Hand und privaten Investoren ist unerlässlich, und es ist eine besondere Herausforderung, Einzel- und Kleineigentümer zu aktivieren. An innerstädtischen Einzelhandelsstandorten haben wir bereits mit Immobilien- und Standortgemeinschaften in 22 Modellvorhaben gute Erfahrungen gemacht. Engagierte Eigentümer und gewerbliche Mieter haben bewiesen, dass sie bereit und in der Lage sind, ihr Stadtviertel gemeinsam zu entwickeln und aufzuwerten. Die Modellvorhaben haben aber auch gezeigt, dass diese freiwilligen Zusammenschlüsse häufig an organisatorische und finanzielle Grenzen stoßen, was eine erfolgreiche Umsetzung von Aufwertungsmaßnahmen erheblich erschweren kann.

Durch die jetzt erfolgte gesetzliche Regelung wollen wir erreichen, dass alle Grundeigentümer eingebunden werden können, sofern sie wirtschaftlich durch die Maßnahmen profitieren. Dabei steht die Überzeugung durch Argumente, und nicht der Zwang im Mittelpunkt. Deshalb ist im Vorfeld ein umfangreicher Diskussions- und Abstimmungsprozess erforderlich, denn nur wenn mehr als drei Viertel der Eigentümer und Erbbauberechtigten sich auf Verbesserungsmaßnahmen und deren Finanzierung geeinigt haben, kommen vertragliche Regelungen mit der Kommune und eine Abgabenverpflichtung in Betracht. Für Wohnquartiere laufen derzeit Modellverfahren in Dortmund, Köln und Wuppertal, um Kooperations-, Gestaltungs- und lnvestitionsmöglichkeiten zu erproben. Wir wollen in Erfahrung bringen, welche Maßnahmen in welcher räumlichen und strukturellen Situation für Einzeleigentümer sinnvoll und finanziell tragbar sind.

Wohnungspolitik muss privates Engagement erleichtern und zu neuen Ideen durch gute Beispiele anregen. Deshalb unterstützen wir marktorientierte Diskussionsprozesse, kooperationsbasierte Handlungsoptionen und qualitätssteigernde Projekte des experimentellen Wohnungsbaus. Uns geht es in der Wohnungspolitik nicht um eine Entscheidung zwischen Anreiz und Korrektur, sondern um Korrektur durch Anreiz.

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