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Ein Ziel, zwei Wege - Immobilienanlagen bei Versicherungen und Family Offices

Family Offices und Versicherungen fragen verstärkt Immobilien nach - und zwar aus dem gleichen (nachvollziehbaren) Grund: Sie wollen ein optimales Gesamtportfolio und Immobilien spielen dabei für beide Gruppen eine traditionell wichtige Rolle. Obgleich beide Gruppen zu den aktivsten Käufern zählen, ist der Weg, den sie bei ihren Immobilieninvestments beschreiten höchst unterschiedlich.

Immobilienanteil - niedrig und hoch, direkt und indirekt

Dies zeigt sich bereits am Immobilienanteil an der Gesamtanlage. Vermögende Private und Family Offices weisen eine durchschnittliche Immobilienquote von deutlich über 20 Prozent auf. Versicherungen und Pensionskassen hingegen kommen der jüngsten Assekuranz-Studie von Ernst & Young Real Estate zufolge lediglich auf rund sechs Prozent. Auch bei der Art der Immobilienanlage zeigen sich Unterschiede. Aktuell dominieren zwar sowohl bei der Assekuranz als auch bei den Privaten noch die direkten Immobilienanlagen, allerdings zeichnen sich unterschiedliche Trends ab. Studien belegen bei den Family Offices einen Trend zum weiteren Aufbau von Direktbeständen, Versicherungen und Pensionskassen hingegen favorisieren zunehmend indirekte Anlagen. Die Schere zwischen Family Offices mit Fokus auf direkten und Versicherungen mit Fokus auf indirekten Anlagen geht somit weiter auseinander.

Auch bei den bevorzugten Nutzungsarten sind deutliche Unterschiede erkennbar. Im gegenwärtigen Anlagebestand der Family Offices dominieren Wohnungen, bei den Versicherungen hingegen Büros. Und während der Trend bei Family Offices weiterhin in Richtung Wohnen geht, spielen bei Versicherungen künftig neben Büros auch Einzelhandelsimmobilien eine größere Rolle. Zwar stehen auch Wohnimmobilien auf der Einkaufsliste von Versicherungen, allerdings in vergleichsweise überschaubarem Umfang. Von daher gilt: Bezogen auf den Gesamtbestand an Immobilien werden Wohnungen auf absehbare Zeit keine dominierende Rolle spielen. Das war nicht immer so. Vor allem in der Nachkriegszeit bis hinein in die 1970er Jahre war die Wohnimmobilie für die Assekuranz enorm wichtig. So hatten Wohnimmobilien beispielsweise 1975 bei den Lebensversicherern noch einen Anteil von durchschnittlich rund 50 Prozent bezogen auf alle Immobiliennutzungsarten.

Die Liste der Unterschiede lässt sich fortsetzen: Family Offices haben einen langfristigen Anlagehorizont, der sich durchaus in Generationen bemessen kann - Versicherungen agieren eher mittelfristig, sodass ihr Horizont mehr eine Dekade als eine Generation umfasst. Ein weiterer Aspekt betrifft den emotionalen Abstand zum Investment. Private Anleger und Verwalter vermögender Familien sind bei Investitionsentscheidungen häufiger emotional beeinflusst als Versicherungen, die eher rational agieren. So ist zu beobachten, dass Family Offices bei architektonisch-baulich besonders attraktiven oder auch prestigeträchtigen Immobilien mit ihren Renditevorstellungen brechen und im Einzelfall auch sehr hohe Preise zu zahlen bereit sind. Wenn ein prominent gelegenes oder geschichtsträchtiges Bauwerk im Ankauf zwar kapitalintensiv ist, aber langfristig mit einer Wertsteigerung über der Inflationsrate zu rechnen ist, kann dies je nach Objekt und Investor bereits ein ausreichendes Anlagemotiv sein. Denn statt der Frage, wie eine auskömmliche Rendite erwirtschaftet werden kann, steht bei Family Offices oft die Frage im Vordergrund, wie das in der Vergangenheit erwirtschaftete Kapital erhalten werden kann.

Dekade versus Generation, Emotion versus Rationalität

Bei Versicherungen oder Pensionskassen ist der Fokus auf bloßen Kapitalerhalt de facto ausgeschlossen, da sie im Sinne ihrer Versicherten beziehungsweise Pensionsberechtigten renditeorientiert agieren müssen. Auch der Cash-Flow aus dem Investment spielt eine entsprechend größere Rolle, um laufenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kunden nachkommen zu können.

Eine weitere Folge der unterschiedlichen Anlagehorizonte bei Family Offices und Versicherungen betrifft auch die jeweilige Exit-Strategie. Family Offices müssen nicht zwangsläufig die Möglichkeit haben, sich kurzfristig aus einem Immobilieninvestment zurückzuziehen. Bei Versicherungen und Pensionskassen hingegen spielt dieser Aspekt eine größere Rolle. Erfüllt die Performance einer Immobilie oder einer Beteiligung über einen gewissen Zeitraum nicht die Erwartungen, trennen sich Versicherungen schneller von einem Investment. Entsprechend achten sie bereits bei einer Investitionsentscheidung verstärkt darauf, dass es kurzfristige Ausstiegschancen gibt. Dies kann beispielsweise Auswirkungen auf die Größe von Investments haben - bei einer Immobilie mit einem zu großen Investitionsvolumen reduziert sich bei einem eventuellen späteren Verkauf naturgemäß die Zahl der potenziellen Käufer. Bei Investments mittlerer Größe hingegen lässt sich ein Desinvestment meist leichter realisieren.

Solvency II, AnlV, VAG

Last but not least unterscheiden sich die regulatorischen Rahmenbedingungen. Family Offices sind nicht reguliert. Versicherungen und Pensionskassen hingegen unterliegen - zum Schutz der Versicherungsnehmer und Pensionsberechtigten - gegenwärtig vergleichsweise strengen Anlagevorschriften. Aktuell werden die zulässigen Anlageklassen und -grenzen maßgeblich durch die Anlageverordnung (AnlV) und das Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) geregelt.

Künftig wird sich das regulatorische Gerüst allerdings ändern: Die Investmentstrategie der Versicherer wird dann in erster Linie durch die Reform des Versicherungsaufsichtsrechts Solvency II mitbestimmt. Den aktuellen Plänen zu Solvency II zufolge müssen Versicherer künftig ihre Immobilieninvestments mit zusätzlichem Eigenkapital in der Bilanz unterlegen - während dies beispielsweise für Staatsanleihen nicht erforderlich werden soll. Viele Marktteilnehmer befürchten, dass die Immobilie für Versicherungen daher künftig eine sinkende Bedeutung einnimmt, während festverzinsliche Anlagen eine noch größere Rolle spielen, als dies ohnehin bereits der Fall ist. Noch ist davon allerdings nichts zu spüren.

Eine Umfrage im Rahmen des Trendbarometers Assekuranz von Mitte 2011 hat ergeben, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer Immobilieninvestments aufgrund von Solvency II gegenwärtig (noch) nicht zurückstellt. Nur bei 20 Prozent der Befragten führt die geplante Reform bereits jetzt dazu, dass Entscheidungen aufgeschoben werden. Unabhängig von den Auswirkungen gilt: Während Versicherungen und Pensionskassen gegenwärtig und auch künftig in ein vergleichsweise enges Anlagekorsett geschnürt sind, unterliegen Family Offices im Gegensatz dazu keinerlei gesetzlichen Beschränkungen oder Anlageregulierungen.

Inflationsschutz und Professionalität

Neben den Unterschieden gibt es allerdings auch Gemeinsamkeiten. Der Inflationsschutz spielt letztendlich für beide Investorengruppen eine gewichtige Rolle. Institutionelle Anleger haben nicht zuletzt aufgrund der größer werdenden
Inflationserwartung ihre Asset Allocation zugunsten von Immobilienanlagen verschoben. Für Family Offices spielt der Inflationsschutz traditionell eine wichtige Rolle, und zusätzlich beflügeln aktuelle Entwicklungen wie Schuldenkrise und Niedrigzinspolitik die Flucht in Sachwerte. Klassische Immobilien spielen dabei für beide Gruppen die wichtigste Rolle im Vergleich zu anderen immobilen Sachwerten wie Anlagen für erneuerbare Energien oder Infrastrukturinvestments.

Eine weitere Übereinstimmung zeigt sich bei der räumlichen Verteilung der Investments. Beide Investorengruppen setzen bei direkten Investments eher auf regionale Märkte, die ihnen vertraut sind. Sowohl bei Versicherungen als auch Family Offices ist dies oft der Heimatmarkt, also jene Region, in der die jeweiligen Wurzeln und Standorte liegen. Bei indirekten Investments dagegen sind die Zielmärkte bei beiden Investorengruppen meist global gestreut. Hierin spiegelt sich der Wunsch nach Diversifikation wider. Dieser Wunsch dürfte bei Versicherungen und Pensionskassen zwar grundsätzlich noch stärker ausgeprägt sein. Er gewinnt aber auch bei Family Offices an Bedeutung.

Ein letzter Aspekt betrifft die Professionalisierung. Bei institutionellen Investoren ist seit Jahren ein hohes Maß an Professionalität hinsichtlich ihres Immobilienanlageverhaltens zu beobachten. Dies war zwar in der Vergangenheit bei Family Offices nicht immer der Fall - hier ist jedoch spätestens seit der Krise eine klare Tendenz in Richtung mehr Professionalität zu beobachten. So haben beispielsweise hausinterne sowie externe Marktanalysen und der Einsatz professioneller Research-Tools für Family Offices an Bedeutung gewonnen. Die ehemalige Schere zwischen den beiden Gruppen schließt sich hier also zunehmend.

Mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten

Selbst die Reform des Versicherungsaufsichtsrechts scheint die Versicherer nicht davon abzuhalten, zumindest in diesem Jahr weiterhin auf Immobilien als eine Säule ihres Portfolios zu bauen. Auch Family Offices werden in diesem Jahr zu den aktivsten Immobilienkäufern in Deutschland zählen, hat Trendbarometer von Ernst & Young Real Estate Anfang 2011 ergeben. Abgesehen davon, dass sie die Spitzengruppe der aktivsten Immobilienanleger darstellen, haben sie allerdings wenig gemeinsam.

Im Hinblick auf ihr Anlageverhalten sind sie in weiten Teilen grundverschieden. Sie favorisieren unterschiedliche Nutzungsarten, unterschiedliche Investitionsvehikel, sie finanzieren unterschiedlich und haben andere Vorstellungen, was Exit-Optionen oder die Einflussnahme auf das Investment angeht. Die wenigen Gemeinsamkeiten: Beide Gruppen legen Wert auf Inflationsschutz, fokussieren bei direkten Investments auf ihre Heimatmärkte und sind im Hinblick auf die Stringenz und Professionalität ihres Anlageverhaltens selbstverständlich bezogen auf die jeweils unterschiedliche Strategie - zunehmend auf Augenhöhe.

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