Schwerpunkt: Finanzierung der Kommunen

Die Zukunft des Öffentlichen Pfandbriefs

Die Entwicklung der letzten zehn Jahre spricht eine deutliche Sprache: Der Bestand an Öffentlichen Pfandbriefen in Deutschland nimmt seit dem Jahr 2000 kontinuierlich ab. Waren damals noch 859 Milliarden Euro an Öffentlichen

Pfandbriefen im Umlauf, so ist bis Mitte 2011 der Bestand über mehr als die Hälfte auf 384 Milliarden Euro abgeschmolzen. Ein Ende dieser Entwicklung ist derzeit nicht abzusehen: Neben dem aktuell vorangetriebenen Abbau von Auslandsbeständen, insbesondere der südeuropäischen Peripheriestaaten, führt das Auslaufen der Gewährträgerhaftung für die ehemals öffentlich-rechtlichen Landesbanken und Sparkassen zum Ende des Jahres 2015 und die damit wegfallende Deckungsfähigkeit zu einer weiteren deutlichen Reduzierung der Deckungsmassen und somit auch zu einer kontinuierlichen Verringerung der umlaufenden Öffentlichen Pfandbriefe.

Die Entwicklung des Neuemissionsvolumens zeigt in die gleiche Richtung: Während im Jahr 2003 noch ein Volumen von über 151 Milliarden Euro vergeben wurde, ist der Neuabsatz an Öffentlichen Pfandbriefen in 2010 mehr als zwei Drittel auf nur noch 41 Milliarden Euro zurückgegangen. Ist der Öffentliche Pfandbrief also ein Auslaufmodell? Um es vorweg klar zu sagen: Nein, das ist er sicher nicht. Der Pfandbrief hat sich auch in den vergangenen Krisenjahren als ein Anker für Stabilität im Finanzsystem bewiesen. Die Renditeaufschläge gegenüber Bunds und Swaps blieben weitgehend stabil. Dies unterscheidet ihn auch von Wettbewerbern im Covered-Bond-Universum. Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass er von den aktuellen Entwicklungen vor allem der Staatsschuldenkrise nicht völlig unberührt bleibt.

Wie risikobehaftet sind Staatsanleihen?

Das Pfandbriefgesetz schreibt vor, in welche Assetklassen ein Pfandbriefinstitut investieren kann, um einen Deckungsstock zu bilden, auf dessen Grundlagen wiederum Pfandbriefe emittiert werden dürfen. An die Deckungsstockfähigkeit dieser Investments werden hohe Qualitätsmaßstäbe gelegt, um auch bei langfristig vergebenen Krediten nachhaltige und stabile Werte zu behalten. Bisher gehörten Staatsanleihen und Darlehen an regionale Gebietskörperschaften und Kommunen gemeinhin zu diesen risikoarmen Anlagen. Darum sind sie nicht nur im Pfandbriefgesetz, sondern darüber hinaus zum Beispiel auch in der Solvabilitätsverordnung bei der Eigenkapitalunterlegung, bei den Notenbanken in der Sicherheitenstellung, bei mündelsicheren Anlagen und bei den Liquiditätsanlagen entsprechend der Liquiditätsverordnung privilegiert.

Nun hat aber die Krise im Euroraum erstmals gezeigt, dass die Grundannahme der Quasi-Risikolosigkeit von Staatsanleihen und Krediten an sonstige öffentliche Haushalte nicht mehr uneingeschränkt zutrifft. Die Umschuldungsvorschläge rund um Griechenland haben zu einer sich immer stärker ausbreitenden Diskussion um mögliche Ausfälle auch bei weiteren öffentlichen Schuldnern in Europa beziehungsweise der Euro-Zone geführt. Die im Vergleich zum BIP gestiegenen Verschuldungsquoten der Staaten und weitere die Kapitaldienstfähigkeit tangierende Entwicklungen führten zu zahlreichen Downratings durch die Ratingagenturen.

Druck auf die Bankbilanzen durch gestiegene Spreads

Durch den gleichzeitigen auch von öffentlichen Stellen geforderten Bilanzrückbau von Banken, den Abbau von Anleihebeständen und die geringe Nachfrage nach neuen Bonds droht der vormals liquide Staatsanleihenmarkt insbesondere der südeuropäischen Peripherieländer auszutrocknen. Die Folge sind zum Teil signifikant gestiegene Bonitäts-spread-Aufschläge, die in dem margenarmen Staatsfinanzierungsgeschäft bis vor kurzem nicht für möglich erachtet wurden, somit auch nicht ausreichend in die in der Vergangenheit kalkulierten Darlehens- und Anleihekonditionen eingeflossen sind und heute zu hohen Belastungen in den Bankbilanzen führen.

Die in der Vergangenheit günstigen Finanzierungsbedingungen für Staaten beruhten letztlich auch auf der Tatsache, dass Banken für Kredite an die öffentliche Hand bisher kein Eigenkapital vorhalten müssen, und der aufsichtsrechtlich sanktionierten Fiktion einer jederzeitigen Zahlungsfähigkeit der Staaten sowie der unterstellten Bereitschaft, dass diese ihr Zahlungsversprechen auch vollumfänglich erfüllen werden. An dieser Stelle ist die Politik gefordert. Sie muss in Europa solide Strukturen für ein nachhaltiges Wirtschaften implementieren und das verloren gegangene Vertrauen der Märkte zurückgewinnen.

Kommunale Haushaltsprobleme belasten Kreditvergabe

Der Öffentliche Pfandbrief zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Forderungen gegen den deutschen Staat, deutsche Bundesländer oder andere inländische Gebietskörperschaften von durchschnittlich 80 Prozent aus. Inzwischen hat jedoch der Sinneswandel in Bezug auf europäische Staatsanleihen auch den nationalen Markt erreicht. So gerät zum Beispiel die Insolvenzunfähigkeit von Kommunen, die wegen der angenommenen Haftungskette der öffentlichen Hand bisher als ehernes Gesetz galt, in den Fokus der öffentlichen Diskussion.

Natürlich lassen sich die Kommunen nicht alle über einen Kamm scheren, so wie es auf europäischer Ebene zwischen den Staaten ja auch deutliche Unterschiede im Hinblick auf Wirtschaftskraft, Steuereinnahmen, Ausgabenverpflichtungen, Verschuldungsquote und Ähnliches gibt. Diese zum Teil gravierenden Unterschiede zwischen ärmeren und reicheren Kommunen zeigen sich zum Beispiel in der regional sehr unterschiedlich ausgeprägten und teilweise exzessiven Nutzung von Kassenkrediten zur Finanzierung selbst langfristiger Aufgaben.

Niemand wird bestreiten, dass sich die Haushaltssituation vieler deutscher Kommunen in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hat. Das hat Folgen für ihre Kapitalversorgung. War es für die deutschen Kommunen bis vor kurzem noch relativ leicht, an Kommunaldarlehen zu günstigen Konditionen zu kommen - da es genügend Banken gab, die dieses Geschäft betrieben haben -, fallen inzwischen immer mehr Anbieter aus. Insbesondere die Landesbanken und die Realkreditinstitute als traditionell starke Langfristfinanzierer der Kommunen haben ihr Kreditvolumen zurückgefahren.

In die Bresche gesprungen sind die (regionalen) Förderbanken, die die Kommunen mit langfristigen Krediten versorgen, sowie die Sparkassen, die insbesondere das gestiegene Volumen an Kassenkrediten finanzieren. Doch können diese den Bedarf bei Weitem nicht abdecken. Der Grund für die im Vergleich zu früher zurückhaltende Kreditvergabe liegt wie auch auf der Ebene der Staatsfinanzierung in der dauerhaften und zum Teil noch wachsenden Schieflage der Haushalte. Und hier gilt es anzusetzen.

Vertrauen zurückgewinnen

Pfandbriefbanken stellen über den Öffentlichen Pfandbrief der öffentlichen Hand attraktive Finanzierungskonditionen zur Verfügung. Sie und ihre Investoren haben jedoch ein hohes Interesse an risikoarmen Assets, denn elementares Sicherheitsmerkmal für den (Öffentlichen) Pfandbrief ist die Qualität des Deckungsstocks. Die Bonitätseinstufung des Schuldners spielt für die grundsätzliche Einrichtung eines Limits zur Vergabe von Darlehen und darüber hinaus bei der Gestaltung der Darlehenskondition die wichtigste Rolle. Die nachhaltige Fähigkeit zur Rückzahlung der Kredite muss nach objektiven Kriterien gegeben sein. Andernfalls wird eine Bank naturgemäß größere Zurückhaltung in der Kreditvergabe üben.

Um die Finanzierung der Kommunen für Banken (wieder) attraktiver zu machen, müssen vor allem entsprechende politische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Kommunen dürfen nur mit Aufgaben betraut werden, die sie im Rahmen ihrer Einnahmenstruktur auch erledigen können.

Zuweisungen von Aufgaben/Ausgaben durch den Bund oder durch die Länder an die Kommunen müssen also durch entsprechende Mittelzuweisungen und/oder Umschichtungen gedeckt werden. Wünschenswert wären eine Verankerung des Konnexitätsprinzips in den Länderverfassungen und ein geschlossenes, in sich stimmiges Schutzkonzept der kommunalen Finanzausstattung bei Aufgabenübertragungen.

Ebenso unabdingbar ist aber selbstverständlich auch die konsequente Umsetzung der beschlossenen Schuldenbremsen unter angemessener Berücksichtigung der kommunalen Verschuldung. Sparmaßnahmen dürfen nicht nur dazu führen, die kommunale Neuverschuldung einzugrenzen, sondern müssen wenigstens mittelfristig einen Schuldenabbau ermöglichen. Übergeordnetes Ziel aller Anstrengungen müssen ausgeglichene Haushalte sein.

Dass es dazu einer belastbaren Solidaritätsgemeinschaft bedarf, um die Schere zwischen armen und reichen Kommunen nicht noch größer werden zu lassen, liegt angesichts der immensen Verschuldung mancher Städte und Gemeinden auf der

Hand. Aus eigener Kraft werden diese ihre Situation nicht entscheidend verbessern können. Hier sind die Länder und auch der Bund gefordert. Vertrauensfördernde Maßnahmen zum Haushaltsausgleich und Schuldenabbau wie zum Beispiel das "Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land NRW" können dazu beitragen.

Der Gesundungsprozess der kommunalen Haushalte ist möglich. Er wird jedoch, wenn er denn in Gang kommt, lange Zeit benötigen. Das bedeutet, dass die Kommunalfinanzierung als ein zumindest in Teilen risikobehaftetes Geschäft angesehen wird. Früher oder später werden diese Risiken entsprechend bepreist und in die Kundenkonditionen mit einfließen müssen, was zu höheren Margenerfordernissen führt.

Darum werden Kommunen bei der Kreditvergabe zukünftig nach ihrer wirtschaftlichen Stärke beurteilt und - dem Haftungsverbund zum Trotz unterschiedliche Ratings bekommen mit der Folge, dass sich schlechter geratete Kommunen in ihrem Sparbemühen deutlicher disziplinieren müssen. Dass es hier ausgleichender Flankierungsmaßnahmen der Politik bedarf, um strukturell bedingte Vor- oder Nachteile einzelner Kommunen auszugleichen, ist offensichtlich und bereits gelebte Praxis. Auch ein funktionierendes Solidaritätsprinzip sollte allerdings Anreize zur Verbesserung der Finanzierungslage setzen, indem es wirtschaftliche Notlagen ausgleichen oder mindern hilft, ohne zur Dauereinrichtung zu werden.

Risikogerechte Bepreisung

Bei aller Sorge um die ja nicht erst seit gestern fragile Haushaltslage vieler Kommunen muss an dieser Stelle aber unterstrichen werden, dass das öffentliche Finanzwesen in Deutschland sich durch eine hohe Stabilität auszeichnet, und diese ist letztlich auch das Fundament für den Öffentlichen Pfandbrief. Und: Eine risikogerechte Bepreisung lässt das Segment der öffentlichen Finanzierung für Banken und andere Investoren wieder attraktiver erscheinen und öffnet damit auch Potenziale für den Öffentlichen Pfandbrief.

Ein wichtiger Aspekt, der dabei dem Öffentlichen Pfandbrief zugute kommt, ist die Bündelung kleinteiligen Kommunalgeschäfts zu kapitalmarktfähigen Assets. Die Pfandbriefbanken verfügen über das Know-how und die technische und personelle Infrastruktur, um eine Vielzahl aufgrund der Größenordnung nicht marktgängiger Kommunalkredite in ihren Bilanzen zu verarbeiten und über den Pfandbrief für Versicherungen und andere Investorengruppen zu bündeln und als Investment attraktiv zu machen.

Basel III bevorzugt den Öffentlichen Pfandbrief

Die zukünftigen Marktchancen des Öffentlichen Pfandbriefs werden ferner durch die regulatorischen Vorgaben auf nationalstaatlicher und EU-Ebene maßgeblich beeinflusst. Man kann feststellen: Die gedeckte Refinanzierung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dem Pfandbrief kommt dabei seine Verankerung in einem konservativen gesetzlichen Rahmen zugute. Während ungedecktes Funding sich durch die Einführung sogenannter Bail-in-Regelungen, also die Gläubigerbeteiligung im Insolvenzfall einer Bank, verteuern dürfte, steigt die Nachfrage nach Pfandbriefen, die hiervon ausgenommen bleiben.

Der Pfandbrief genießt unter dem zukünftigen Liquiditätsregime nach Basel III eine bevorzugte Stellung. Die Kreditinstitute sollen künftig hochliquide Aktiva vorhalten, um ein Stressszenario von 30 Tagen ohne Refinanzierung überstehen zu können. Für den vorgesehenen Liquiditätspuffer eignen sich neben Staatsanleihen bis zu einer Höhe von 40 Prozent und mit einem Abschlag von 15 Prozent auch Pfandbriefe. Und: Pfandbriefe gelten im Rahmen der sogenannten Net Stable Funding Ratio als stabile Finanzierung.

Leverage Ratio verteuert Staats- und Kommunalkredite Dem Öffentlichen Pfandbrief drohen jedoch auch Beschränkungen. Die regulatorischen Vorgaben von Basel III sehen die Einführung eines Verschuldungshebels für Banken vor, die sogenannte Leverage Ratio. Gedacht wird an eine Begrenzung des Ausleihevolumens einer Bank auf das 33-Fache des Eigenkapitals (Tier 1) und zwar unabhängig vom tatsächlichen Risikogehalt der Aktiva.

Dies würde dazu führen, dass bislang von einer Eigenkapitalunterlegung freigestellte Staats- und Kommunalkredite sozusagen durch die Hintertür mit einer impliziten Eigenkapitalquote von 37,5 Prozent belastet würden. Und diese Quote würde undifferenziert für alle öffentlichen Kredite gelten, unabhängig davon, ob der Schuldner eine deutsche Kommune, ein Bundesland oder ein schwächelnder Staat der Euro-Peripherie ist. Hier gilt es bei den politisch Verantwortlichen auf nationaler und europäischer Ebene noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten, damit die geplante Leverage Ratio allenfalls als Beobachtungskennziffer und nicht als starre Begrenzungsgröße eingeführt wird.

In der öffentlichen Diskussion kann man in jüngster Zeit vermehrt Stimmen wahrnehmen, die die aufsichtsrechtliche Praxis einer Nullgewichtung des Staatskredits bei der Eigenkapitalunterlegung infrage stellen. Eine Änderung dieses Privilegs im Sinne einer bonitätsabhängigen Einstufung zukünftiger Engagements hätte natürlich Auswirkungen auf die Konditionen. Dies wäre jedoch die ehrlichere Variante als eine undifferenzierte Regel, die hohes wie niedriges Risiko gleich belastet. Letztlich hat es die Politik in der Hand, ob sie dem Staatskredit den Status einer sicheren, über alle Zweifel erhabenen Anlageform, die das uneingeschränkte Vertrauen der Investoren genießt, zurückgibt, sodass sich die Frage einer Eigenkapitalunterlegung erübrigt. Damit würde sie auch in Zukunft von günstigen Konditionen profitieren.

Benchmark-Status unter den Covered Bonds

Der Öffentliche Pfandbrief steht somit vor großen Herausforderungen. Dennoch sprechen eine Menge Gründe dafür, dass seine Fangemeinde auch ihn Zukunft wächst. Investoren schätzen ihn als solide, gut diversifizierte und damit sichere Anlagemöglichkeit, die ihnen kleinteilige und gegebenenfalls kostspielige Direktinvestments erspart. Das gesetzlich verankerte Fundament, hohe Transparenzanforderungen und Qualitätsstandards, die unter Mitwirkung des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) laufend weiterentwickelt werden, sowie der Rückhalt in einem großen Heimatmarkt lassen erwarten, dass der Öffentliche Pfandbrief auch zukünftig seinen Benchmark-Status unter den Covered Bonds verteidigen wird.

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