Wie Luftmatratzen Metropolen verändern

Dass Touristen zu den Bürgern einer Stadt in Sachen Wohnungen in Konkurrenz treten, mag zunächst verwunderlich klingen. Als sich aber die sonst so sozialverträgliche Sharing Economy anschickte, auch auf den Wohnungsmarkt überzugreifen, wurde genau das zum Problem. So sozial verträglich mochten nämlich Politiker, Bauaufsicht und Bürger das Konzept nicht finden, das in Metropolen, allen voran Berlin, tatsächlich zur Wohnraumnot führte. Ganz zu schweigen von der Hotellerie ...

Viele Eigentümer und Besitzer von Mietwohnungen nutzten die aufkommenden Plattformen wie den mittlerweile sieben Jahre alten Silicon-Valley-Sprössling Airbnb, der frei nach dem namensgebenden Motto "Luftmatratze und Frühstück" ebendieses Sharing im Wohnungsbereich zum Konzept gemacht hat, für ihre gänzlich asozialen Zwecke und wandelten ihre Wohnungen schleichend und ziemlich illegal zu Ferienwohnungen um. Allein in den beliebten Kiezlagen Berlins waren laut einer Studie im Auftrag des Wirtschaftsmagazins "Capital" Mitte 2014 fast 6 000 Wohnungen über Airbnb dauerhaft als Ferienwohnung vermietet, obwohl sie nach offiziellem Airbnb-Angebot nur übergangsweise hätten vermietet werden sollen. Reguläre Dauermieter wurden gegen Touristen aus getauscht.

Motive? Naheliegend: Bei einem Übernachtungspreis von 50 bis 100 Euro pro Nacht lassen sich auf den Monat gerechnet deutlich höhere Mieteinnahmen erzielen. Mehr als 200 Anbieter hatten drei oder mehr, einzelne gar 70 Wohnungen bei Airbnb zur dauerhaften Vermietung eingestellt. Da dadurch aber den Wohnungsmärkten dringend benötigter Wohnraum für langfristige Mietverhältnisse entzogen wurde, trat zumindest in Berlin im Dezember 2013 das Zweckentfremdungsverbotsgesetz in Kraft, mit dem es nur noch eingeschränkt möglich sein sollte, Wohnungen als Geschäfts- und Praxisräume oder eben als Ferienwohnung zu ver mieten, um in aller Konsequenz den Berlinern wieder mehr Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Mehr als ein Jahr später hat die Plusforta GmbH nun das Verhältnis von Wohnungen, die als Ferienunterkünfte angeboten werden, und Wohnungen, die langfristig vermietet werden, analysiert. Bezogen auf Berliner Bezirke wurde im Zeitraum vom 1. bis zum 8. März 2015 untersucht, wie viele Unterkünfte einem Reisenden auf Airbnb zur Verfügung stehen und wie viele Wohnungen Wohnungssuchende im gleichen Zeitraum auf Immobilienscout 24 finden können. Für Kreuzberg beispielsweise fördert die Analyse ein Verhältnis von 631 Unterkünften für Feriengäste zu 235 Wohnungen für Wohnungssuchende zutage - das entspricht einem gravierenden Touristenvorteil von 63 Prozent. Auch der Hotellerie gefällt das Ganze eher weniger. Beim Hotel- und Gaststättenverband Deutschland hieß es, dass sie rund ein Viertel ihrer Übernachtungsgäste verloren hätten. Die "Luftmatratzen" sind nun einmal vergleichsweise günstig und vor allem "mittendrin".

Bestätigt wird der Trend von genervten Berlinern und Miet-Nachbarn, die unter lärmenden Touristen leiden. Wo man diesen früher in seinem Kiez aus dem Weg gehen konnte, fallen die Ausflügler nun in Scharen ein. Die Folge: lärmender, rasanter Wandel und eine weitere Ursache hinsichtlich der Verdrängung von Einheimischen in die Randbezirke, während Touristen die Innenstädte Berlins bevölkern. Schade um die charmante Vielfalt der Stadt; Sozialverträglichkeit geht irgendwie anders. Mal sehen, ob es das unlängst erlassene Urteil des Berliner Landgerichts vom 3. Februar 2015, das Vermietern erlaubt, ihren Mietern im Fall einer bereits abgemahnten Untervermietung fristlos zu kündigen, zu mehr bringt als das Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Das hat in der Hauptstadt scheinbar nicht viel ändern können.

Eine Frage drängt sich zum Schluss noch auf: Was machen beispielsweise die Frankfurter anders? Hier geht die Bauaufsicht strikt gegen Vermieter nicht angemeldeter Ferienunterkünfte vor, sodass die Mainmetropole vermelden konnte, rund 360 Wohnungen für den Markt rückerobert zu haben. Die Stadt sieht sich hier durch Beratungen und Kontrollen der Bauaufsicht (hinter vorgehaltener Hand spricht man über Bußgeld und Razzien ...) als Vorreiter, der dennoch kurzfristige und vorübergehende Vermietungen zu tolerieren versteht - Schönrederei oder sollte Berlin sich hier eine Scheibe abschneiden!? Die vermietenden Frankfurter Sozialromantiker jedenfalls sehen sich bei Kleinem kriminalisiert. mb

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