Draghi und die Deutschen: ein kompliziertes Verhältnis

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank

Quelle: EZB

An Kritik aus Deutschland hat sich Mario Draghi längst gewöhnt. Grenzwertige Späße wie das Porträt mit preußischer Pickelhaube zum Amtsantritt im November 2011 durch die Bildzeitung konnten ihn ebenso wenig aus der Fassung bringen wie der jüngste - und inzwischen abgelehnte - Eilantrag deutscher Politiker mit dem Ziel auf Unterlassung seiner im Rahmen der Krisenpolitik durchgeführten Anleihekäufe. In den meisten Ländern der Eurozone wird der gebürtige Römer geschätzt, wenn nicht gar bewundert, für sein insbesondere in der Hochphase der Euro-Schuldenkrise entschlossenes Handeln.

Hierzulande ist diese Rettungsaktion jedoch mehr oder weniger in Vergessenheit geraten: Zulange währt die Niedrigzinsphase mittlerweile, als dass zum Beispiel Draghis legendäre "whatever it takes"-Rede aus dem Juli 2012 noch große Begeisterung oder Dankbarkeit im Land der Sparer hervorrufen könnte.

Um die Wogen halbwegs zu glätten, wird Draghi in den beiden verbleibenden Jahren seiner Regentschaft beweisen müssen, dass er neben seinen unbestreitbaren Qualitäten als Feuerwehrmann auch die eines nüchternen Beamten besitzt, der die europäische Geldpolitik nach Jahren des Ausnahmezustands wieder in ruhiges Fahrwasser manövriert.

Einen perfekten Zeitpunkt damit zu beginnen bot die bei Redaktionsschluss noch nicht abgehaltene EZB-Ratssitzung vom 26. Oktober. Im Vorfeld dieses wichtigen Termins waren es nicht nur deutsche Bankenverbände, die medienwirksam für eine Abkehr vom derzeitigen EZB-Krisenmodus plädierten. Auch die beiden deutschen Ratsmitglieder, Sabine Lautenschläger und Jens Weidmann, nutzten zuletzt ihre öffentlichen Auftritte, um Argumente für einen graduellen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik zu erörtern. Etwa jenes, wonach die konjunkturelle Erholung in der Eurozone erfreulich robust ausfällt. Bundesbankpräsident Weidmann, der von verschiedenen Seiten immer mal wieder als Nachfolger Draghis im Herbst 2019 ins Spiel gebracht wird, betonte dabei, dass man bei einer Normalisierung der geldpolitischen Ausrichtung keine Rücksicht auf die Finanzierungslasten der Staaten nehmen dürfe.

Es sind Aussagen wie diese, die die tiefen Gräben zwischen den beiden Lagern im EZB-Rat offenlegen. Auch das voraussichtlich über das Jahr 2017 hinausgehende Ankaufprogramm der EZB hat Weidmann bekanntlich von Anfang an kritisch beäugt: "Vor dem Hintergrund der eher bescheidenen und unsicheren Wirkung sowie der Risiken und Nebenwirkungen und der zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eindeutig gegebenen Notwendigkeit, beurteile ich derzeit ein breit angelegtes QE-Programm skeptisch." Diese mahnenden Worte Weidmanns aus einer Rede im Dezember 2014 haben auch rund zweieinhalb Jahre nach Beginn des QE-Programms nichts an Aktualität eingebüßt. Die Wirkung darf angesichts der weiter vor sich hin dümpelnden Inflationsrate in der Eurozone bezweifelt werden: Wie im Vormonat August belief sich der Preisanstieg im September im Jahresvergleich auf 1,5 Prozent. Die Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) fiel mit 1,1 Prozent ebenfalls schwach aus. Und was die Risiken und Nebenwirkungen des billionenschweren Experiments betrifft, so macht sich selbst im innersten Zirkel der EZB langsam aber sicher Unruhe breit. Ausgerechnet Draghis Stellvertreter und Kaufprogramm-Befürworter Vitor Constancio warnte zuletzt vor den Gefahren neuer Preisblasen an den Märkten.

In den USA hat derweil die Bilanznormalisierung der Fed begonnen. Seit Oktober verringert sie ihr Portfolio, indem sie Schritt für Schritt auslaufende Anleihen nicht erneuert. Darüber hinaus stehen die Chancen für weitere US-Leitzinserhöhungen gut. Die Mehrheit der Beobachter rechnet in diesem Jahr mit einem, und bis Ende 2018 mit drei weiteren Zinsschritten. In der Debatte um die Nachfolge Janet Yellens, deren Amtszeit im Winter 2018 enden dürfte, fiel zuletzt übrigens immer wieder der Name John Taylor. Der Starökonom von der Stanford University gilt - ähnlich wie Weidmann - als Falke unter den Notenbankern. An den Spitzen der beiden mit bedeutendsten Zentralbanken der Welt könnte somit schon bald ein ganz anderer Wind wehen. ph

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