Gespräch des Tages

Finanzkrise - Dauerauftrag für die EZB

Es gibt zurzeit drei Ausprägungen von Notenbankern. Die einen rechtfertigen Maßnahmen, die sich an der Grenze des Mandats von Zentralbanken befinden, mit der gegenwärtigen Krisensituation. Es muss etwas getan werden, damit alles nicht noch schlimmer wird. Koste es, was es wolle. Die zweite Sorte sieht durchaus die Gefahren, denkt sich aber: Einmal ist keinmal. Und stimmt solchen Schritten ebenfalls nur allzu bereitwillig zu. Beide lindern damit aktuell die größte Not, gehen dem Übel aber nicht an die Wurzel und verschieben die Konsequenzen ihres Handelns in die Zukunft (vielleicht gar auf ihre Nachfolger). Das tut die dritte Sorte nicht. Diese versucht stets, das Ganze samt all seiner Wirkungen zu betrachten, sich nicht von aktuellen Notlagen oder gar politischen Bitten beeinflussen zu lassen und dabei vor allem das Mandat der Notenbanken im Auge zu behalten. Das ist gegenwärtig sicherlich der unpopulärste und unbeliebteste der drei Charaktere.

Zu welcher der drei Bundesbankpräsident Jens Weidmann gehört, ist schnell klar. Er steht fachlich und sachlich in einer Reihe mit den Skeptikern Axel Weber und Jürgen Stark, die das Maßnahmenbündel der Europäischen Zentralbank zur Krisenbewältigung derart falsch fanden, dass sie sogar persönliche Konsequenzen zogen. Weidmann machte schnell klar, wie wenig er von Anleihekäufen durch die EZB hielt und hält. Auch die stete Absenkung des Niveaus an Sicherheiten für Kredite der EZB an Banken macht dem Bundesbankpräsidenten Sorgen, die er sogar in einem Brief kundtat. Und selbst in Sachen Risiken aus den immer weiter steigenden Zahlungsbilanzungleichgewichten, ausgewiesen in Form der Target-[2]-Salden, hat sich der Ton Weidmanns in den vergangenen Monaten zusehends verschärft.

Bleibt Mario Draghi: Über den neuen EZB-Präsidenten wird man sich nicht so schnell klar. Mit konsequenten Zinssenkungen gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat er ein vertretbares Zeichen gegen die Krise gesetzt. Im Postengeschacher hat er diplomatisches Geschick und politische Unabhängigkeit bewiesen. Doch spätestens seit dem zweiten Einsatz von "Draghis Bertha" Ende Februar kommen leichte Zweifel auf, ob sich hier wirklich jeder der Tragweite des Handels bewusst ist. Fakt ist, das zeigen die Übernachteinlagen der Banken bei der Europäischen Zentralbank, die auf das Rekordniveau von fast 800 Milliarden Euro geklettert sind, Banken vor allem in den südlicheren Euro-Staaten sind in argen Geldnöten. Das Interbankengeschäft ist zum Erliegen gekommen. Will man keine Marktbereinigung, bleibt nur die EZB als Lender of last Resort.

So weit ist das Denken und Handeln Draghis verständlich. Doch wirft die "Bertha" auch viele Fragen auf. Zum einen nutzen Banken dieses zu einem Zins von einem Prozent angebotene Geld natürlich nicht nur zur Verbilligung der eigenen Refinanzierungssituation und zur Erhöhung der Margen im Kundengeschäft. Sondern sie kaufen Staatsanleihen. Auch das ist vielleicht gar nicht so ungewollt durch die verantwortlichen Notenbanker, lindert es doch die größte Not der betroffenen Länder, drückt die Zinsen und senkt so die Refinanzierungskosten.

Dass die Banken genau diese mit dem Geld der EZB gekauften Papiere nun aber wiederum als Sicherheiten bei der Zentralbank hinterlegen können, um sich weitere Mittel zu beschaffen, ist eine zweifelhafte Art der Geldvermehrung. Was ist eigentlich mit den Geldwäschevorschriften, möchte man zudem noch fragen? Und von den kurzfristig stabilisierenden Wirkungen einmal abgesehen: Ist wirklich vorstellbar, dass Banken, die heute kaum mehr überlebensfähig sind, in drei Jahren, denn so lange läuft der Tender, wieder bereitwillig Geld von anderen Banken oder sonstigen Investoren bekommen?

Diese Frage stellt sich erst recht vor dem Hintergrund, dass in eben diesen drei Jahren von allen Banken rund eine Billion Euro aus den beiden Tendern "umgeschuldet" werden müssen. Welcher Markt soll das leisten? Was hier als kurzfristige Stabilitätshilfe der EZB verkauft wird, ist in Wahrheit ein Dauerauftrag. Das beunruhigt die dritte Sorte Notenbanker zu Recht.

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