EZB legt sich unnötig lange fest

Quelle: Europäische Zentralbank

 

Nach der ereignisreichen Zinssitzung vom 14. Juni ist bei der EZB wieder etwas mehr Ruhe eingekehrt. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern, schließlich hat die Notenbank ihren geldpolitischen Kurs für die nächsten zwölf Monat (überraschend) deutlich abgesteckt und jeglichen Zinserhöhungsphantasien vor dem Spätsommer 2019 bereits jetzt eine Absage erteilt. War die EZB bislang für ihr Auf-Sicht-Fahren und der damit verbundenen Unsicherheit kritisiert worden, so ist manchen Beobachtern nun auch dieser Strategieschwenk ein Dorn im Auge. Und das nicht ganz zu Unrecht: Sicher bietet der langfristigere Ausblick eine stabile Orientierungshilfe für die Akteure an den Kapital- und Finanzmärkten. Gleichzeitig ist der dafür zu zahlende Preis hoch, denn die EZB hat sich möglicherweise für unnötig lange Zeit die Hände selbst gebunden. Die Konjunktur in der Eurozone ist (noch!) intakt, doch der weiter schwelende Handelsprotektionismus stellt für die hiesigen Volkswirtschaften ein steigendes und schwer zu kalkulierendes Risiko dar. Hinzu kommt, dass die Verbraucherpreise in der Eurozone im Juni auf exakt 2,0 Prozent geklettert sind. Dies ist bekanntlich die Zielmarke der EZB und leistet einer strafferen Geldpolitik eigentlich Vorschub.

Vor diesem Hintergrund wäre zumindest eine vorgezogene Anhebung des aktuell bei minus 0,4 Prozent liegenden Einlagensatzes für Geschäftsbankgelder aus dem negativen Bereich eine echte Überlegung wert gewesen. Die europäischen Banken ächzen unter diesem künstlichen Strafzins und sehen ihre internationalen Wettbewerber immer weiter davonziehen. Dazu wird es zeitnah aber aller Voraussicht nach nicht kommen. Stattdessen könnte dieser Schritt - sofern es die Umstände dann noch zulassen - ausgerechnet erst auf Draghis letzter Sitzung als EZB-Präsident im Oktober 2019 erfolgen. Ob er seine Kritiker damit wird versöhnlich stimmen können? Die kommenden Monate dürften jedenfalls ganz überwiegend von spärlichen Details zur avisierten Beendigung der Nettoanleihekäufe geprägt sein. Diesbezüglich ist ab Oktober 2018 eine Reduktion der Ankaufvolumina auf monatlich 15 Milliarden Euro vorgesehen, bevor diese dann zum Jahresende komplett beendet werden sollen. Reinvestitionen fällig werdender Wertpapiere sollen aber über einen "längeren Zeitraum" aufrechterhalten werden.

Deutlich interessanter sollten sich da die nächsten Termine der Fed ausnehmen, denn die US-Notenbank plant in diesem Jahr noch zwei weitere Leitzinserhöhungen (aktuell in der Spanne von 1,75 bis 2,00 Prozent) durchzuführen. Die Argumente dafür sind mehr als ausreichend: So zieht die US-Inflation weiter an und kletterte im Juni auf luftige 2,9 Prozent - den höchsten Stand seit 2012. Dabei könnten der unverändert florierende Arbeitsmarkt infolge zunehmenden Lohndrucks sowie die durch Protektionismus steigenden Zölle die Verbraucherpreise schon bald über die psychologisch wichtige Marke von drei Prozent hieven. Bei ihren Anstrengungen, diese Entwicklung einzudämmen, muss sich die Fed auf anhaltenden Widerstand durch US-Präsident Trump einstellen. Entgegen der traditionell geltenden Etikette, wonach sich US-Präsidenten nicht zur Fed-Politik äußern, kritisierte Trump die Notenbank nach der Juni-Zinserhöhung scharf. Er sieht in dem aufgrund steigender US-Zinsen langsam aufwertenden Greenback sein Ziel, das US-Handelsbilanzdefizit abzubauen, gefährdet. Der bislang tiefenentspannt wirkende Fed-Chef Jerome Powell ist gut beraten, diese beispiellosen Störfeuer aus dem Weißen Haus schlicht zu ignorieren.

Nicht ignorieren sollte man dagegen die derzeit weiter rückläufige Nachfrage nach Forward-Darlehen, die Häuslebauern eine langfristige Zinsbindung der aktuell noch immer überaus günstigen Konditionen ermöglicht. Laut Informationen der Dr. Klein Privatkunden AG ist deren Anteil im Juni auf unter zehn Prozent gefallen. Die offensichtliche Überzeugung der Deutschen: Die Baufinanzierungszinsen bleiben noch lange niedrig beziehungsweise steigen, wenn überhaupt, nur moderat. Angesichts des beschriebenen EZB-Fahrplans ist dies eine vermutlich zutreffende Annahme, und dennoch sollten Hauskäufer Absicherungsmaßnahmen nicht völlig außer Acht lassen: Einer aktuellen EY-Umfrage unter 120 Kreditinstituten zufolge müssen Hauskäufer nämlich schon vor der ersten Leitzinsanhebung mit steigenden Finanzierungskosten rechnen. So prognostizieren 41 Prozent der befragten Banker in den kommenden zwölf Monaten anziehende Zinsen bei Immobilienkrediten. ph

Noch keine Bewertungen vorhanden


X