Die Tauben wollen mehr

Realkredite: Konditionen Ende November 2015 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Mario Draghi ist unzufrieden mit der Entwicklung der Inflation in Europa. Er möchte höhere Teuerungsraten, mindestens will er in nicht zu ferner Zukunft seine Zielinflationsrate von zwei Prozent über die Nachrichtenticker laufen sehen. Um die Teuerung endlich nach oben zu treiben und damit letztendlich die Wirtschaft zu beleben, wollen die Tauben im EZB-Rat weitere expansive Maßnahmen ergreifen. Allgemein werden eine Ausweitung und eine Verlängerung des Anleihekaufprogrammes erwartet.

Bundesbankchef Jens Weidmann, wohl prominentester Vertreter der Falken, hat jüngst zum wiederholten Mal betont, dass er davon wenig hält. Aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Entscheidungsgremium der EZB wird er sich kein wirkliches Gehör verschaffen können.

Über die Ausweitung des Anleihekaufs ist denkbar, dass der Einlagesatz (derzeit minus 0,20 Prozent) noch weiter gesenkt wird und die Banken damit in die Kreditvergabe gedrängt werden sollen. Diese Überlegung wird von vielen Volkswirten massiv kritisiert, die die schwachen Energie- und Rohstoffpreise für die niedrigen Teuerungen verantwortlich machen. Dass die Banken in einigen Ländern vielleicht nicht genügend Kredite vergeben, liegt teilweise an dem geringen Bedarf an Finanzierungen, teilweise aber auch an den harten Regulierungsauflagen der EZB. Die steigenden Eigenkapitalanforderungen durch die Aufsicht, aber auch Regelwerke wie die Leverage Ratio, sorgen nicht gerade dafür, dass Banken großzügiger mit ihrer Liquidität umgehen werden.

Auch ansonsten herrscht nicht gerade Ruhe in Euroland. Zwischen Griechenland und den Geldgebern gibt es jeweils das übliche Geplänkel vor der Freigabe der nächsten Tranche von Hilfsgeldern. Noch frisch sind die lauten Stimmen aus Finnland, wo über ein mögliches Ausscheren aus dem Euro diskutiert wird. Den Finnen, deren Geradlinigkeit in Finanzmarktthemen die deutsche Regierung so schätzt, dürfte die bessere Entwicklung im eurofreien Schweden die eine oder andere Sorgenfalte auf die in dieser Jahreszeit eiskalte Stirn treiben. Darüber hinaus gab es für Portugal "gute" Nachrichten. Die Ratingagentur DBRS hat ihr "BBB"-Rating bestätigt und ist damit der einzige EZB-akzeptierte Bonitätsbewerter, der noch eine Investment-Grade-Einstufung für Portugal übrig hat. Die Bestätigung ist auch für die EZB von Bedeutung, da sie nur Investment-Grade-Titel im Rahmen des Ankaufprogrammes kaufen darf.

In den USA wird die anstehende Zinswende argumentativ besser untermauert sein. Die Wirtschaft läuft gut und die Arbeitslosenzahlen, eine der wichtigsten Indikatoren für die Fed, sind niedrig. Wenn die US-Notenbank auf die Bremse drückt und die Zinsen erhöht, sollte der US-Dollar an Wert gewinnen, wovon auch Europas Exportindustrie profitieren wird, was dann wieder Draghi & Co. gefallen wird. Abzuwarten bleibt, wie sich die Leitzinsanhebung auf den dortigen Renten- und Aktienmarkt auswirken wird. Da jeder damit rechnet, dürfte es kurzfristig ein Nullevent werden.

Vor dem Hintergrund der noch expansiveren europäischen Notenbankpolitik sollten auch die Renditen der europäischen Staatsanleihen noch relativ lange niedrig bleiben und in Schwankungen seitwärts verlaufen. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ist jüngst wieder stark gefallen, vom 9. bis zum 20. November von 0,71 auf 0,49 Prozent. Damit bleiben auch die Effektivverzinsungen der Pfandbriefe, die für deutsche Immobilienfinanzierer die langfristigen Refinanzierungsmittel bringen, weiterhin niedrig. Der Absatz von Pfandbriefen läuft prinzipiell sehr gut, wenn nicht gerade - wie im Falle der HSH-Nordbank - Unsicherheitswolken über der Emittentin hängen. Also alles in allem, ein weiter günstiges Umfeld für Immobilienfinanzierungen.

Dies zeigt sich auch im Markt für private Baufinanzierungen, die im November rund 0,4 Prozentpunkte weniger als im Sommer dieses Jahres betrugen. Gemäß einer Auswertung der Interhyp AG erhalten bonitätsstarke Immobilienkäufer mit ausreichend Eigenkapital bei den günstigsten Anbietern momentan Konditionen unter 1,5 Prozent pro Jahr. Laut dem Bauzins-Trendbarometer von Interhyp bleiben die Konditionen vorerst günstig, ein Anstieg wird aber im Verlauf des kommenden Jahres wahrscheinlicher. ber

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