Immobilienmärkte

Büroinvestments in Schwellenländern: Attraktive Chancen oder hohe Risiken?

Andy Schofield

Globale Megatrends verschieben zusehends die Gewichte in der Weltwirtschaft von West nach Ost. Das enorme wirtschaftliche Wachstum in Schwellenländern führt zu einer zunehmenden Urbanisierung vor allem in Asien, Afrika und Südamerika. Hier entstehen aufgrund der wachsenden Bedeutung der Dienstleistungsbranchen vielerorts riesige neue Bürozentren und Ballungsräume. Darin liegen große Investmentchancen für global orientierte Immobilieninvestoren. Der Autor hat mögliche Zielmärkte für Büroinvestments unter die Lupe genommen. Für Anleger stellen dabei die potenzielle Größe des Marktes, die Wachstumschancen und die Markttransparenz wichtige Entscheidungskriterien dar. Red.

Das Städtewachstum in Schwellenländern bietet für institutionelle Investoren eine ganze Reihe attraktiver Investitionsmöglichkeiten. Damit ein Engagement in den Immobilienmärkten aufstrebender Megacitys aber ein Erfolg und kein unkalkulierbares Abenteuer wird, ist eine genaue Kenntnis der potenziellen Zielmärkte unerlässlich.

Verschiebung der Wirtschaftskraft von West nach Ost

Die Verschiebung der Wirtschaftskraft von etablierten Industrienationen hin zu Schwellenländern wird bei einem Blick auf vergangene und prognostizierte makroökonomische Entwicklungen deutlich. Das Wirtschaftswachstum Indiens und vor allem Chinas, wenn auch derzeit etwas gedämpft, illustriert den Aufstieg asiatischer Länder eindrucksvoll. Der Anteil der USA am weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) machte vor der Finanzkrise ungefähr ein Viertel aus, China und Indien hatten zusammengenommen einen Anteil von um die zehn Prozent. Seitdem ist der Anteil Amerikas kontinuierlich gesunken und die beiden Milliarden-Nationen haben aufgeholt. In einer Prognose kommt Oxford Economics zu dem Schluss, dass der US-amerikanische Anteil am weltweiten BIP im Jahre 2030 nur noch bei knapp über 20 Prozent liegen wird, während China und Indien zusammengerechnet einen ungefähr gleich großen Anteil wie die USA auf sich vereinen. China allein kommt demnach auf einen Anteil von rund 16 Prozent des globalen BIP.

Das Wachstumspotenzial liegt dabei vor allem in den Städten. Nimmt man die Bevölkerung aller Städte, die mehr als 500 000 Einwohner haben, und das in ihnen erwirtschaftete BIP und gruppiert sie nach den entsprechenden Weltregionen, ergibt sich ein noch relativ ungleiches Bild: Die nordamerikanischen und europäischen Großstädte vereinen rund die Hälfte des in Städten erwirtschafteten weltweiten BIP auf sich, beherbergen aber nur 19 Prozent der weltweiten Stadtbevölkerung.

In asiatischen Städten werden hingegen lediglich 37 Prozent des BIP erwirtschaftet, obwohl in ihnen 61 Prozent der globalen Stadtbevölkerung leben. Die wirtschaftliche Stärke von Städten in etablierten Wirtschaftsnationen hat sich seit der industriellen Revolution manifestiert, als sich technologische Innovation und Wettbewerbsvorteile herausbildeten. In den nächsten 15 Jahren werden asiatische und südamerikanische Städte nach Berechnungen von Oxford Economics allerdings an Boden gewinnen. So soll beispielsweise das Pro-Kopf-Einkommen in asiatischen Städten um bis zu 90 Prozent steigen, während es in nordamerikanischen und europäischen Städten bei lediglich 35 Prozent liegen soll.

Zunehmende Urbanisierung: Bedarf an Büros wächst

Das schnelle Wirtschaftswachstum konzentriert sich vor allem in aufstrebenden Städten. Dies gilt besonders für Asien und Afrika, wo die fortschreitende Verstädterung zur Ausdehnung bereits bestehender Ballungszentren führt. Im Jahr 2030 werden sich unter den 25 bevölkerungsreichsten Städten der Welt nur noch fünf sogenannte "Developed Cities" befinden. Zudem wird Jakarta dann mit geschätzten 40 Millionen Einwohnern Tokio als größte Stadt der Welt abgelöst haben. Die Urbanisierungswelle geht mit der Entstehung sehr vieler neuer Bürojobs einher - vor allem in Asien.

Innerhalb der nächsten 15 Jahre werden allein in Peking nach Erhebungen von Oxford Economics bis zu drei Millionen neue Office-Arbeitsplätze entstehen. Prognosen zeigen, dass London und Istanbul dann die einzigen europäischen Metropolen sein werden, die in Bezug auf neue Büroarbeitsplätze noch zu den weltweiten Top 25 gehören werden - beide zusammen mit knapp einer Million neuen Jobs in den kommenden 15 Jahren. Angesichts dieser Zahlen wird klar: Wo massenhaft neue Bürojobs entstehen, müssen auch neue Büros geschaffen werden.

Bewertungsfaktoren für potenzielle Zielmärkte

Trotz des enormen Wachstumspotenzials gibt es für deutsche Anleger viele Fallstricke, vor allem, wenn sie keine oder nur geringe Erfahrung mit Immobilieninvestments in Schwellenländern haben. Vor allem die mangelnde Transparenz auf den potenziellen Zielmärkten schreckt institutionelle Investoren derzeit noch ab. Es bietet sich daher an, die Expertise spezialisierter Investmentgesellschaften zu nutzen. Um einen differenzierten Marktüberblick zu erhalten, müssen neben traditionellen Risikogrößen wie Liquidität, Cashflow-Sicherheit und zyklischer Volatilität auch allgemeine wirtschaftliche, politische und ökologische Gesichtspunkte evaluiert werden. Dabei sind drei weitere relevante Faktoren zu beachten, anhand derer sich die möglichen Zielmärkte für Büroinvestments systematisch auswerten lassen: Potenzielle Größe des Marktes, Wachstumspotenziale und Markttransparenz.

Potenzielle Größe des Marktes ist definiert als die Anzahl der Jobs im Bereich finanzielle Dienstleistungen und Unternehmensdienstleistungen. Hat eine Stadt zurzeit mindestens 200 000 Arbeitsplätze in diesem Feld, gilt sie als relevant auch mit Blick auf die Zukunft. Das Wachstumspotenzial des Immobilienmarktes einer Stadt bemisst sich an den Prognosen über die Entwicklung der Mitarbeiterzahl in Büros bis 2030, die Oxford Economics erstellt hat. Ein hohes Wachstumspotenzial spricht dafür, dass zukünftig weitere Bürokomplexe gebaut werden und gleichzeitig die Wertschöpfung in der Stadt steigen wird.

Die Markttransparenz eines Zielmarktes orientiert sich am "Global Real Estate Transparency Index", der alle zwei Jahre von JLL erstellt wird. Der Index basiert auf 115 verschiedenen Kriterien. TH Real Estate berücksichtigt nur Immobilienmärkte rund um die Welt, die als sehr transparent, transparent oder semitransparent eingestuft wurden. Unter den semi-transparenten Märkten wird zwischen sich verbessernden (Tier 1) und stagnierenden (Tier 2) unterschieden. Städte in Indien, China und Brasilien, die in Hinsicht auf ihre Markttransparenz stagnierend sind (Tier 2), wurden nicht miteinbezogen.

Zahl lohnender Zielmärkte überschaubar

Bei der Vorauswahl potenzieller Zielmärkte für langfristige Büroinvestments liefert die konsequente Anwendung der Faktoren eine relativ kurze Liste von nur 20 Städten. Die Top 5 auf dieser Liste - Kapstadt, Johannesburg, Kuala Lumpur, Sao Paulo und Rio De Janeiro - werden von JLL als transparent eingestuft. Die südafrikanischen Städte führen die Liste aufgrund hoher Transparenz-Standards an, alle übrigen afrikanischen Staaten wurden hingegen ausgeschlossen, weil sie den Transparenz-Anforderungen nicht genügen. Von den fünf bestplatzierten Zielmärkten haben die beiden brasilianischen Städte das geringste Wachstumspotenzial. Ihnen werden aber deutliche Fortschritte bei der Transparenz des regulatorischen und rechtlichen Systems attestiert: Im Gegensatz zu vielen anderen lateinamerikanischen Ländern hat Brasilien bereits 2010 einen Real Estate Index eingeführt.

Die übrigen Immobilienmärkte auf der Shortlist gelten als semi-transparent. Hier bieten vor allem die vier chinesischen Tier-1-Städte signifikante Größenordnungen sowie gesundes Wachstumspotenzial. Kontinuierliche Fortschritte wurden im Reich der Mitte hinsichtlich regulatorischer und rechtlicher Rahmenbedingungen sowie in den Bereichen Investment Performance Measurement und Bereitstellung von Fundamentaldaten der Märkte gemacht.

Die Transparenz des Transaktionsprozesses bleibt hingegen schlecht. Auch strukturelle Reformen und die Durchsetzung von Regulierungen sind beschränkt. Andere potenzielle Zielmärkte, die in der Kategorie semi-transparent als sich verbessernd geführt werden, sind beispielsweise Bangkok, Manila, Jakarta, Indiens Tier-1-Städte sowie Mexico City und Monterrey in Mexico.

Anlagehorizonte weiten sich: Vorsicht geboten

Die sorgfältige Selektion potenzieller Zielmärkte soll dazu dienen, dass bei Investments unkalkulierbare Risiken systematisch ausgeschlossen werden. Allerdings haben auch semi-transparente Immobilienmärkte bereits hohe Zutrittsbarrieren für institutionelle Investoren. Transparenz ist dabei nur ein Risikofaktor, den Investoren in Betracht ziehen müssen.

Eine umfangreiche und kontinuierliche Analyse der Zielmärkte ist daher unabdingbar. Dabei müssen traditionelle Risiken ebenso berücksichtigt werden wie eine Reihe von verschiedenen Faktoren auf der nationalen Ebene, etwa Rechtsstaatlichkeit, Korruption, generelle Kreditwürdigkeit und Klimawandelaspekte. Büroinvestments in chinesischen Tier-1-Städten würden momentan daher eine nicht unbeträchtliche Risikoneigung bei institutionellen Anlegern erfordern. Das erklärt auch die Zurückhaltung westlicher Investoren in China: Die Investitionen aus den USA und Europa am chinesischen Immobilienmarkt fallen insgesamt gering aus. Eine Hürde von vielen ist der beschränkte Zugang zu Core-Immobilien, da im Bürosektor viele Besitzer ihre Immobilien selbst nutzen.

Gelangen Immobilien auf den Markt, entbrennt häufig ein harter Wettbewerb unter heimischen Akteuren, während ausländische Investoren außen vor bleiben. Bietet sich dennoch eine Chance für ausländische Investoren Büroinvestments im Ausland zu tätigen, ist eine sorgfältige Risikoprüfung von oberster Priorität, gerade auch bei langfristigen Engagements. Es ist daher anzunehmen, dass Investoren ihren Fokus vorerst weiter auf etablierte Bürozentren in Nordamerika, Europa und Ozeanien legen. Das gilt insbesondere für Märkte mit einer hohen Liquidität auf denen risikoadäquate Renditen leichter einzuschätzen sind, weil die Rahmenbedingungen gut entwickelt sind und ausführliche Marktinformation zur Verfügung stehen.

Der Autor

Andy Schofield Director of Research, TH Real Estate, London (Vereinigtes Königreich)

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