Risikomanagement

Chance-Risiko-Analyse bei Immobilienfinanzierungen mittels stochastischer Simulation

Prof. Dr. Jens Winter, Fakultät Betriebswirtschaft, Hochschule Biberach

Deterministische Simulationsmodelle sind als Entscheidungshilfen bei Immobilieninvestments weit verbreitet. Doch gerade bei der Abbildung zukünftiger Entwicklungen auf den dynamischen Immobilienmärkten stoßen solche Verfahren schnell an ihre Grenzen. Inwieweit stochastische Modellierungen an dieser Stelle Abhilfe leisten können, erläutern die Autoren des folgenden Beitrags anhand eines konkreten Anwendungsfalls*. Sie sind vom Nutzen der dabei herangezogenen Monte-Carlo-Methode überzeugt: Ein aktiver Umgang mit dem Faktor "Unsicherheit" bei Fragen der Zukunft sei notwendig, um zu tragfähigen und umfassenden Chance-Risiko-Analysen gelangen zu können. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Erkenntnis, dass die Implementierung stochastischer Modelle mit verhältnismäßig geringem Aufwand zu bewerkstelligen ist Red.

Immobilieninvestitionen sind Investitionen, die über einen langen Zeitraum erfolgen und bei denen die Mehrheit der Zahlungen in der Zukunft liegt. Das Discounted-Cashflow-Verfahren, welches die Zahlungen der Zukunft auf den heutigen Stichtag diskontiert und dann den Barwert als heutigen Wert der künftigen Zahlungen beziehungsweise eine interne Rendite (IRR) berechnet, ist hier seit langem etabliert. Diese Berechnungen erfolgen nach wie vor häufig deterministisch, womit eine sichere Entwicklung der Zukunft und der dort stattfindenden Zahlungen unterstellt wird.

Dass die Entwicklung der Zukunft alles andere als deterministisch ist, hat das vergangene Jahrzehnt eindrücklich gezeigt. Daher sind bei Investitionsentscheidungen umfassende Chance-Risiko-Analysen zwingend notwendig. Eine Möglichkeit hierfür ist, verschiedene Zukunftsentwicklungen jeweils deterministisch zu betrachten (Szenario-Analyse). Weitaus mehr Möglichkeiten bietet jedoch die stochastische Simulation der Zukunft mit Hilfe von beispielsweise der Monte-Carlo-Methode.

Dieses Verfahren ist bei Banken und Versicherungen seit mehreren Jahren fest etabliert und kann auch der Immobilienbranche einen großen Mehrwert bieten - und das bei verhältnismäßig geringem Aufwand. Konkret wird dieses Verfahren im Folgenden an einer Fallstudie im Rahmen einer Projektentwicklung demonstriert, in welcher der Nutzen und das Risiko einer Mezzanine-Finanzierung untersucht werden.

Simulation beliebig vieler Zukunftsentwicklungen

Bei einer stochastischen Monte-Carlo-Simulation werden beliebig viele Entwicklungen der Zukunft mit Hilfe anerkannter mathematischer Modelle simuliert. Dadurch entstehen Tausende an möglichen Verläufen der Zukunft, sogenannte Pfade. Beispielsweise kann sich die Mietsteigerung von Jahr zu Jahr in der Simulation zufällig ändern, während in einer deterministischen Sicht ein Mietsteigerungsverlauf fixiert wird. Dieser Zufall folgt einer zuvor festgelegten Häufigkeitsverteilung: im einfachsten Fall eine Bernoulli-Verteilung mit zwei möglichen Steigerungswerten, es sind jedoch auch beliebig viele Werte wie bei der Gauß'schen Normalverteilung möglich.

Für jeden dieser Verläufe können dann Kennzahlen wie Kapitalwert, interne Rendite und vieles mehr berechnet werden. Dadurch ergibt sich letztlich eine Häufigkeitsverteilung für jede der Kennzahlen, die eine Risikoanalyse ermöglicht. So kann nicht nur die Wahrscheinlichkeit validiert werden, mit der zum Beispiel ein angestrebter IRR erreicht wird, sondern ein Investor kann auch eine Wahrscheinlichkeitsgrenze festlegen, mit der eine definierte Rendite nicht unterschritten werden soll.

Denkbar sind auch weitere statistische Risikokennzahlen wie das Ergebnis im x Prozent schlechtesten Verlauf ("Value at Risk"), der Durchschnitt über die schlechtesten x Prozent der möglichen Verläufe ("Conditional Tail Expectation") oder die Schwankung um den Durchschnittswert ("Volatilität"). Möglich ist auch die Analyse einzelner Pfade, insbesondere der Extremverläufe. Letztlich ermöglichen die Simulation und ihre Ergebnisse wichtige Erkenntnisse in der Rendite-Risiko-Analyse einer Investitionsentscheidung.

Münchner Büroobjekt als Anwendungsfall

Um die Monte-Carlo-Analyse bei einer Projektentwicklungskalkulation für ein Büroobjekt in München, bestehend aus Entwicklungs- und Bauphase mit anschließender Bestandshaltung über insgesamt zehn Jahre, anzuwenden, wurde ein Cashflow-Modell in Excel erstellt. Bewusst wurde dabei Excel verwendet, weil es in der Praxis das am häufigsten verwendete Kalkulationstool ist, wenngleich sich für stochastische Simulationen eine Vielzahl anderer Softwareprogramme anbieten.

Die Auswahl der konkreten Objektdaten erfolgte anhand aktueller Marktgegebenheiten. Bezüglich der Parameter der Mieteinnahmen wurde beispielsweise auf die Änderung der Durchschnittsmieten im Münchner Büromarkt der vergangenen Jahre zurückgegriffen, die unterstellte Entwicklung der Bau- und Planungskosten ist auf den Baupreisindex für Bürogebäude in Bayern zurückzuführen. Der Eigenkapitaleinsatz lag bei 15 Prozent Loan-to-Cost (LTC), 75 Prozent wurden als Senior-Darlehen finanziert. Die verbleibenden 10 Prozent entfielen auf eine Mezzanine-Tranche.

Mezzanine-Kapital hat insbesondere in den letzten Jahren vor dem Hintergrund steigender Grundstückspreise zur Realisierung vielfältiger Immobilienprojekte an Bedeutung gewonnen. Für die Fallstudie wurde der Mezzanine-Anteil als Nachrangdarlehen modelliert, da ein solches das in der Branche gebräuchlichste Instrument ist. In der Cashflow-Rechnung wurde es mit einer laufenden Zinszahlung und einem Equity Kicker dargestellt, um auf den seitens des Kapitalgebers angestrebten IRR zu kommen. Nach Abschluss der Baumaßnahmen erfolgte eine Ablösung durch Fremdkapital.

Cashflow-Rechnung stößt an ihre Grenzen

Annahmen von Miet- und Kostensteigerungen erfolgten auf Basis historischer Entwicklungen. Bei deterministischer Berechnung des oben beschriebenen Projektes ergibt sich inklusive Verkauf am Endes des Businessplans ein IRR von 13,9 Prozent. Die Unsicherheit über künftige Entwicklungen stellt jedoch das am wenigsten quantifizierbare Risiko in einer Kalkulation dar. Insbesondere vor dem Hintergrund des raschen Anstiegs der Mieten in deutschen Städten sowie dem historisch niedrigen Zinsniveau stellt sich die Frage nach der künftigen Entwicklung - diese Fragestellung kann jedoch für die Cashflow-Rechnung kaum verlässlich beantwortet werden. An diesem Punkt setzt die stochastische Simulation an: Insbesondere die Projektparameter, die sich auf die Zukunft erstrecken, können im Zuge der Monte-Carlo-Analyse simuliert werden, wodurch sich eine Vielzahl an möglichen künftigen Projektverläufen ergibt.

Der IRR bildet die Zielgröße der Simulation. Zur Durchführung der Monte-Carlo-Simulation in Excel wurde Visual Basic for Applications (VBA) herangezogen und ein entsprechendes Simulationsmodul programmiert. Die Anzahl der Simulationsdurchläufe ist dabei lediglich von der vorliegenden Rechnerleistung begrenzt, bei einem normalen Bürorechner sind rund 1000 Simulationen pro Sekunde möglich. Im konkreten Anwendungsfall wurde die Entwicklung der geplanten Mieteinnahmen, Bewirtschaftungskosten sowie Bau- und Planungskosten und die Entwicklung der Fremdkapitalzinsen mit 50000 Iterationen durchgeführt und somit dieselbe Anzahl möglicher Projektergebnisse ermittelt. Valide Ergebnisse können jedoch bereits ab rund 10000 Durchläufen, das heißt nach etwa zehn Sekunden Berechnungszeit, erreicht werden.

Erreichbarkeit des IRR bestätigt

Die Ergebnisse der Simulation inklusive Mezzanine-Tranche werden in Abbildung 1 und 2 grafisch dargestellt, wobei ausgewählte IRR-Kennzahlen ausgewiesen und die Häufigkeitsverteilung der 50000 möglichen Projektergebnisse abgebildet wird. Als Durchschnittswerte für den IRR aus den 50000 Ergebnissen werden das arithmetische Mittel und der Median ausgewiesen, die Standardabweichung bildet ein Maß für das Risiko. Der IRRSchock entspricht dem Value at Risk im 0,5 Prozent-Quantil (also der 0,5 Prozent schlechteste), der IRRBestEstimate stellt die IRR-Klasse dar, die mit der größten Wahrscheinlichkeit erreicht wird; in diesem Fall wird ein IRR zwischen 14,6 Prozent und 16,1 Prozent mit rund 12 prozentiger Wahrscheinlichkeit erreicht, dies entspricht dem höchsten Balken in der Häufigkeitsverteilung.

Hier zeigt sich bereits ein Mehrwert der stochastischen Modellierung: Bei der Gegenüberstellung der deterministischen Betrachtungsweise kann ein Urteil darüber gebildet werden, wie valide die verwendeten deterministischen Parameter unter Simulationsgesichtspunkten sind. Im vorliegenden Fall kommt die klassische, deterministische Betrachtungsweise auf einen IRR von 13,9 Prozent. Diese Größe liegt im Durchschnitt der Simulationsergebnisse und kann somit unter den gegebenen Annahmen als erreichbar gewertet werden. Zudem liegt die Best-Estimate-Kategorie, sprich die Kategorie der Häufigkeitsverteilung, der die höchste Wahrscheinlichkeit zukommt, noch über dem deterministisch ermittelten IRR.

Mezzanine-Kapital impliziert höhere Risiken und Renditen

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde die Simulation unter den oben beschriebenen Parametern nochmals durchgeführt, allerdings wurde dabei nun kein Mezzanine-Kapital mehr eingesetzt. Das Fremdkapital-Volumen wird bei 75 Prozent belassen, sodass sich lediglich das Eigenkapital auf nunmehr 25 Prozent erhöht. Es zeigen sich einige Unterschiede. Die Durchschnittswerte für den IRR sind leicht niedriger, die Standardabweichung als Maß für die Schwankung und das Risiko ist weniger stark gefallen. Der Vergleich der Kennzahlen zwischen der Betrachtung der Simulation ohne Mezzanine abzüglich der Betrachtung inklusive Mezzanine ist in Abbildung 3 ersichtlich.

Die Projektrenditen ohne Mezzanine-Tranche sind entsprechend niedriger, die Standardabweichung als Maß für das Risiko ist jedoch etwas weniger stark gefallen. Umgekehrt lässt sich daraus schließen, dass der Einsatz von Mezzanine-Kapital für Projektentwickler ein höheres Risiko mit sich bringt, allerdings sind auch die erreichbaren Renditen höher. Dabei zeigt sich jedoch, dass der erzielbare IRR leicht überproportional zum Risiko ansteigt, wenn eine Mezzanine-Tranche zur Finanzierung eingesetzt wird.

Werden die simulierten vier Parameter auf ihre Sensitivität hin untersucht, so zeigt sich, dass die Steigerung der Mieteinnahmen die signifikanteste zu simulierende Größe darstellt. Hier sind verglichen mit der Änderung der Bewirtschaftungskosten, der Bau- und Planungskosten ebenso wie der Fremdkapitalzinsen die stärksten Auswirkungen auf die Ergebnisgrößen der stochastischen Simulation zu beobachten.

Im Sinne einer nachhaltigen Entscheidungsfindung

Die Implementierung einer Monte-Carlo-Simulation in Cashflow-Berechnungen ist mit einfachen Mitteln durchzuführen. Bei Einbeziehung des Zufalls in die Analyse ändert sich jedoch die gesamte Betrachtungsweise ausgehend von der reinen Schätzung einer ungewissen Zukunft hin zu einem aktiven Umgang mit dem Faktor Unsicherheit über künftige Entwicklungen, was maßgebliche Vorteile für eine nachhaltige Entscheidungsfindung hat - und sei es nur, dass durch die stochastische Betrachtungsweise die deterministisch ermittelte Projektrendite auf ihre Erreichbarkeit hin überprüft werden kann.

Insbesondere wird es durch die stochastische Simulation der Projektrenditen auch möglich, eine individuelle Risikopräferenz zu berücksichtigen, wodurch sich eine neue Basis zur Ableitung von Investitionsentscheidungen bietet. In diesem Kontext wird zudem die Übertragung des Value-at-Risk-Gedankens auf immobilienwirtschaftliche Cashflow-Rechnungen möglich. Die Nutzung stochastischer Simulationsmethoden bringt somit als Bestandteil eines modernen Risikomanagements zahlreiche Vorteile mit sich. Der Fokus bei Projektkalkulationen verändert sich von einer festen angestrebten Projektrendite hin zu wahrscheinlichkeitsunterlegten Ergebnisgrößen, was insbesondere bei einer durch die Aufnahme von Mezzanine-Kapital veränderten Risikostruktur entscheidende Vorteile mit sich bringt.

*Der Beitrag basiert auf der Masterthesis an der Hochschule Biberach von Marcus Rothenbucher, die von Prof. Dr. Jens Winter betreut worden ist.

Die Autoren Prof. Dr. Jens Winter, Fakultät Betriebswirtschaft, Hochschule Biberach, Marcus Rothenbucher, Projektentwickler, Walter Beteiligungen und Immobilien AG, Augsburg

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