Schwerpunkt Europäische Kapitalmarktunion

Europäische Kapitalmarktunion - steiniger Weg zum Licht

Peter Scherer

Die Initiativen der EU-Kommission zur Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion werden kein zusammenhängendes Regelwerk schaffen, sondern aus einem Remix des europäischen Rechts bestehen. Es werden einzelne Schritte bleiben, die die Kapitalmarktorientierung der Unternehmensfinanzierung stärken sollen. Ob das hinter dem Projekt stehende Ziel der signifikanten Förderung des europäischen Wirtschaftswachstums auch erreicht werden kann, steht in den Sternen. Die Handlungsfelder für die Kommission sind weit, dazu gehören die Themen der Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, die Schaffung qualitativ hochwertiger Verbriefungen sowie Anpassungen bei den Prospektregeln. Dazu gehören aber auch ein harmonisiertes materielles Wertpapierrecht bei sammelverwahrten Wertpapieren und Harmonisierungen bei den Insolvenzgesetzgebungen. Spannend dürfte darüber hinaus sein, wie Finanzpolitiker mit der Aufforderung umgehen, Equity und Debt sowohl steuerrechtlich als auch bei den Regeln zum regulatorischen Eigenkapital gleich zu behandeln. Red.

Der in der Folge der globalen Finanzmarktkrise losgetretene regulatorische Tsunami, das heißt die enorme Zahl die Banken belastender Vorschriften, ins besondere solcher mit höheren regula to rischen Eigenkapital-, Liquiditätsbeziehungsweise Verschuldungsquoten-Anforderungen, bringt diese zum Teil dazu, sich aus traditionellen Bankmärkten wie der (insbesondere langfristigen) Unternehmens-, Immobilien-, Infrastruktur- und Projektfinanzierung zurückzuziehen.

Einerseits stoßen zunehmend sogenannte Schattenbanken, also Versicherer, Fonds, Großunternehmen und andere nicht oder anders als Banken regulierte Unternehmen, in die entstehenden Lücken. Andererseits rücken die Kapitalmärkte - als Form der Unternehmensfinanzierung alternativ zu Bankkrediten - stärker in den Fokus von kapitalsuchenden Unternehmen wie von Investoren.

In Europa laufen traditionell und bis heute zirka 80 Prozent der Unternehmensfinanzierung über Bankkredite und nur rund 20 Prozent über die Kapitalmärkte - in den Vereinigten Staaten ist es ziemlich genau umgekehrt.1) Wer das ändern will, hat einen steinigen Weg vor sich.

Aktienmärkte ohne Privatanleger

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit zum Teil sogar negativen Zinsen hat naturgemäß in den vergangenen Jahren zu einem Aktienmarktboom mit Rekordhochs des Deutschen Aktienindex (Dax) geführt. Doch dieser wird im Wesentlichen von institutionellen Anlegern getrieben. Bei den Privatanlegern ist es seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes nie mehr gelungen, Aktien als wichtigen und substantiellen Teil der Geldanlage zu etablieren.

Besonders schwer haben es die Neu-Emittenten: Zu Zeiten des Neuen Marktes gab es bis zu 165 Börsenkandidaten pro Jahr, 2012 nur noch sieben, Anfang 2015 rechnete man noch mit 15 Börsengängen im Laufe des Jahres, doch zur Jahresmitte erfährt man, dass es von vier Börsenkandidaten nur einer tatsächlich an die Börse geschafft hat (und der habe bei Größe der Emission und Preis der Aktien gewaltige Abstriche machen müssen). 2)

Nicht viel besser sieht es auf dem deutschen Markt für Unternehmensanleihen aus, nachdem einige Insolvenzen zu Ausfällen bei den vormals langsam populär werdenden Mittelstandsanleihen geführt haben.3) Ein Ende der EZB-Niedrigzinspolitik könnte hier fatale Auswirkungen haben. Im Gegensatz dazu haben sich Pfandbriefe (aber zum Teil auch ausländische gedeckte Schuldverschreibungen) durch die gesamte Finanzmarktkrise bis heute hervorragend gehalten.4)

Fatale Auswirkungen für "Mittelstandsanleihen"

Und auch an Immobilienanleihen5) sowie langfristigen Projekt- und Infrastrukturanleihen,6) aber auch an ganz anderen Instrumenten wie "Green bonds",7) die der Finanzierung von Umweltschutz- beziehungsweise Energiesparprojekten dienen, oder von Anleiheinstrumenten zur Stärkung des regulatorischen Eigenkapitals von Banken, den sogenannten Cocos (Contingent Convertibles),8) sowie für qualitativ hochwertige Verbriefungsanleihen (ABS, Asset-Backed-Securities),9) gibt es bei Emittenten wie Investoren zunehmendes Interesse.

Jetzt hat die EU-Kommission angeboten, dabei zu helfen, einige der (großen und kleinen) Steine auf dem Weg zu mehr Nutzung der Kapitalmärkte für die Unternehmensfinanzierung in Europa zu beseitigen. Am 18. Februar 2015 hat sie in einem Grünbuch die Schaffung einer EU-Kapitalmarktunion vorgeschlagen (das "Grünbuch"),10) zahlreiche Gedanken dazu formuliert und im Rahmen verschiedener Konsultationen (zum Grünbuch, zu Verbriefungen und zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie) zahlreiche Fragen an die Marktteilnehmer gerichtet. Die Antwortfrist lief am 13. Mai aus und ein Weißbuch mit konkreten Regelungsvorschlägen wird noch für September dieses Jahres erwartet.11) Dabei geht es insbesondere um eine bessere Integration und Standardisierung der Kapitalmärkte innerhalb der EU und ganz besonders um die Senkung der Finanzierungskosten gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einerseits und besser vergleichbare Anlagemöglichkeiten für europäische und außereuropäische Investoren.

Remix im europäischen Kapitalmarktrecht

Und wie will die Kommission das erreichen? Durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen, zu einem nicht unbeträchtlichen Teil gesetzgeberischer Natur, kurzfristige einerseits und mittel- bis längerfristige andererseits. Dabei sind nicht alle, aber die meisten dieser Themen nicht neu, sondern werden jetzt unter dem Stichwort Kapitalmarktunion neu kompiliert - eine Art "Remix" im europäischen Kapitalmarktrecht.

Als mögliche kurzfristige Maßnahme wird zum Beispiel die Überarbeitung der EU-Prospektrichtlinie12) genannt. Es soll dazu ausgelotet werden, (i) welche Möglichkeiten für eine Vereinfachung von in einem Wertpapier-Prospekt enthaltenen Informationen bestehen, um es Unternehmen, insbesondere KMU, leichter zu machen, EU-weit Kapital auf den Märkten aufzunehmen (und zugleich wirksamen Anlegerschutz zu gewährleisten), (ii) in welchen Fällen ein Prospekt überhaupt erforderlich ist oder nicht und (iii) wie das Prospekt-Genehmigungsverfahren gestrafft werden kann.

Ein weiteres wichtiges, kurzfristiges Thema ist die Nutzung bestimmter Kapitalmarktinstrumente, nämlich Verbriefungsanleihen (ABS), auch um es Banken als Originatoren durch den damit verbundenen Risikotransfer zu ermöglichen, wieder mehr Kredite, insbesondere KMU-Darlehen, zu gewähren.

Eine Reihe von Initiativen ist derzeit um die Definition und regulatorische Besserstellung (zum Beispiel auch bei den regulatorischen Eigenkapitalanforderungen für Banken) von "qualitativ hochwertigen" Verbriefungen bemüht.13) Diese sollen sich durch ein höheres Maß an Produktstandardisierung, mehr Rechtssicherheit und bessere Vergleichbarkeit über alle Verbriefungsinstrumente hinweg auszeichnen und künftig "einfach, transparent und standardisiert" sein. Bedauerlich ist, dass in diesem Kontext bislang immer nur von qualitativ hochwertigen ABS die Rede ist, nicht aber von Credit Linked Notes (CLN) aus synthetischen Verbriefungen, obgleich mit diesen gleiche Effekte erzielt und CLN als strukturell eher einfachere Papiere angesehen werden können.

Die EU-Kommission schlägt im Grünbuch zudem vor, es gerade KMU dadurch leichter zu machen, auch grenzüberschreitend die Kapitalmärkte zu nutzen, dass die Verfügbarkeit von Informationen, insbesondere Kreditauskünften undbewertungen über solche Unternehmen verbessert wird. Umgekehrt wird auch die Förderung von Direktinvestitionen in KMU durch eine europaweite mehr markt- als politikgetriebene Regelung für Privatplatzierungen angeregt. So kritisiert die Kommission das Fehlen standardisierter paneuropäischer Prozesse, Dokumentationen und Emittenteninformationen und lobt zugleich entsprechende Bemühungen der Indus trie.14)

Vielleicht sind dies ja erste Zeichen für ein Umdenken auf Gesetzgeberebene, das auch die Initiatoren alternativer Investmentfonds wieder hoffen lassen kann, nachdem die Einführung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) mit einem extrem weiten materiellen Fondsbegriff (in Umsetzung der europäischen AIFM-Richtlinie)15) für diese die traditionellen und bewährten Privatplatzierungen nahezu unmöglich gemacht hat.

Schließlich könnte aus Kommissionssicht die im Mai veröffentlichte und ab 9. Dezember 2015 geltende Verordnung über europäische langfristige Investmentfonds (European Long Term Investment Funds - ELTIF)16) einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Infrastrukturund anderen Projektinvestitionen in den Bereichen Energie, Verkehr, sozialer Wohnungsbau, Schulen und Krankenhäuser et cetera. leisten.

Hoffnung für Alternative Investmentfonds?

Auch bei mittel- bis längerfristigen Maßnahmen gibt es einen bunten Strauß von Kommissionsvorschlägen. Die Förderung von grenzüberschreitendem Crowdfunding wird angeregt - und so kann die sich gerade so spektakulär entwickelnde junge Fintech-Branche auf grenzüberschreitende Erleichterungen hoffen, nachdem ihr im deutschen Kleinanlegerschutzgesetz gerade neue Grenzen gesetzt wurden.17) Auch Venture Capital und Business Angels (also die finanziellen Förderer neu gegründeter Gesellschaften) werden ebenso erwähnt wie Leasing- und Factoring-Unternehmen. Eine weitere Anregung des Grünbuchs der Kommission betrifft die Vereinfachung internationaler Rechnungslegungsstandards, eine Art "IFRS light", um es gerade KMU zu erleichtern, grenzüberschreitend Investoren zu gewinnen. Das allerdings hatte in Deutschland schon bei der Einführung der "IFRS for SME" keinen großen Erfolg. Ob sich, wer hierzulande nach Handelsgesetzbuch (HGB) bilanziert, noch für eine IFRS-Bilanz zweiter Klasse interessiert, da das allein/alternativ die Kapitalsuche kaum erleichtern und Doppelbilanzierung häufig zu teuer sein dürfte,18) bleibt abzuwarten.

Ein anderes, aus deutscher Sicht schwieriges Thema ist das der Europäisierung des Marktes für gedeckte Schuldverschreibungen. Gedeckte Schuldverschreibungen das sind in Deutschland die Pfandbriefe nach dem Pfandbriefgesetz (PfandBG).19) Pfandbriefe bieten durch ihre gesetzlich zwingend geregelte Struktur hohe Sicherheit, insbesondere größtmögliche Insolvenzfestigkeit, nachvollziehbare Bewertungen ihrer Deckungswerte, stabile Erträge und liquide Handelsmärkte mit geringen Kursvolatilitäten. So sind sie zum wichtigsten Refinanzierungsinstrument der deutschen Bankwirtschaft geworden und in der Immobilien- und Staatsfinanzierung nicht wegdenkbar.

Nicht bloß der Vereinheitlichung willens

In den fast 250 Jahren ihrer Geschichte ist es nie zu Ausfällen gekommen, weder in den Weltkriegen noch in den jüngsten Krisen, der globalen Finanzmarktkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise. Mit ihren Grünbüchern zur Langfristfinanzierung20) und jetzt zur Kapitalmarktunion hat die Kommission, ebenso wie die Europäische Bankaufsichtsbehörde EBA mit ihren vorgeschlagenen Leitlinien für nationale Gesetzgeber im Hinblick auf gedeckte Schuldverschreibungen,21) eine Diskussion über eine europäische Harmonisierung des Rechts solcher gedeckten Schuldverschreibungen angestoßen.

Nur wenn ein solches Projekt nicht (bloß um der europaweiten Vereinheitlichung willen) zu einer Verwässerung des Pfandbriefrechts, nicht zu einer qualitativen Verschlechterung des Produkts Pfandbrief führt, macht es aus deutscher Sicht Sinn.

Ähnliches gilt für den Grünbuch-Vorschlag der EU-weiten Regelung von Anlegerrechten in Wertpapieren. Gemeint ist damit die Wiederbelebung des sogenannten Securities Law Legislation ("SLL") Projektes der Kommission.22) Es geht um die Schaffung eines harmonisierten materiellen Wertpapierrechts bei sammelverwahrten Wertpapieren, einschließlich der Regelung des Rechtserwerbs durch Depotgutschrift.

Gefahr von herrenlosen Wertpapieren

Dabei soll sich zwar einerseits an dem (noch nicht ratifizierten) Genfer Wertpapierübereinkommen23) orientiert werden, allerdings andererseits ohne dessen Verweise auf nationales Recht, das jeweils bestimmt, wann eine Buchung wirksam ist. Ohne einen solchen Verweis auf nationales Recht wird es für das Funktionieren des Wertpapierhandels von fundamentaler Bedeutung sein, dass die neuen EU-Harmonisierungsregeln die Gefahren von "Wertpapierinflation" oder "herrenlosen Wertpapieren", die in schuldrechtlich geprägten nationalen Verwahrsystemen regelmäßig große Probleme verursachen, in den Griff bekommen. In sachenrechtlich geprägten Verwahrsystemen wie dem deutschen unter dem Depotgesetz bestehen solche Gefahren nicht, da jede Zubuchung eines Wertpapiers auf einem Depotkonto nur bei gleichzeitiger Abbuchung dieses Papiers von einem anderen Depotkonto möglich ist.

Besagtes deutsches System mag dogmatisch überkomplex sein,24) führt aber in der täglichen Praxis buchstäblich zu keinerlei Problemen und ist vielen anderen Wertpapierverwahrrechtssystemen damit weit überlegen. Die EU-Kommission wäre mithin gut beraten, bei ihrem SLL-Projekt entweder ein solches sachenrechtlich geprägtes Verwahrsystem europaweit zwingend einzuführen oder, wie auch das Genfer Wertpapierübereinkommen, einen funktionalen Ansatz zu wählen, das heißt EU-rechtlich nur die den jeweiligen Anlegern zu vermittelnden Rechtspositionen festzulegen, nicht aber die durch Depotkontogeschäft erreichte Rechtsposition selbst (das heißt nicht den rechtlichen Weg, wie diese Rechtsposition zu erreichen ist).

Dann könnte der deutsche Gesetzgeber zum Beispiel über eine Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch Schaffung eines Eigentumsübertragungstatbestandes "Einigung und Buchung" nachdenken. Für einen Schnellschuss, das hat wohl auch die Kommission erkannt, eignet sich dieses Projekt schon wegen der gegebenenfalls drohenden enormen Schäden auf den bislang national vollkommen reibungslos funktionierenden Wertpapierhandelsmärkten nicht.

Weit weniger problematisch dürften da Grünbuch-Vorschläge wie die Schaffung eines "konsolidierten Datentickers" für die Aktienmärkte, also EU-weite Datenund Meldestandards für nachbörsliche Informationen, wie die ohnehin (auch jenseits der Kapitalmarktunion) wichtigen neuen Regeln zur Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien und anderer systemisch relevanter Finanzinstitute oder wie die Modifizierung von Corporate Governance-Anforderungen sein.

Des Weiteren will die EU-Kommission das "Targetto-Securities" (T2S) Projekt der EZB25) unterstützen. Dabei handelt es sich um einen integrierten Abwicklungsservice des Eurosystems für eine harmonisierte und zentrale Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld auf einer Plattform im "Delivery versus Payment" (dvp) Modus. T2S hat am 22. Juni 2015 seinen Betrieb aufgenommen. Die teilnehmenden Wertpapier-Zentralverwahrer (CSDs) und Zentralbanken haben/ werden in vier Wellen mit ihrer Teilnahme begonnen/beginnen, die deutsche Clearstream Banking Frankfurt AG im September 2016.

Gleichbehandlung von Equity und Debt

Außerdem werden im Grünbuch die Fragen aufgeworfen, ob es denn nicht sinnvoll sei, sowohl steuerrechtlich als auch bei den Regeln zum regulatorischen Eigenkapital von Banken alle Finanzierungsformen (Equity und Debt, also Aktien wie Anleihen und Kredite) gleich zu behandeln. Es bleibt abzuwarten, wie Finanzpolitiker auf diesen Vorschlag reagieren werden.

Schließlich regt die Kommission auch die EU-Harmonisierung der Insolvenzgesetzgebung an. Sie kritisiert, dass es in diesem Bereich über einen langen Zeitraum kaum nennenswerte Harmonisierung gegeben hat und die verschiedenen nationalen Insolvenzrechte hinsichtlich ihrer wesentlichen Inhalte und ihrer Effektivität sehr unterschiedlich sind. Insbesondere vermisst die Kommission einheitliche Regeln zur frühzeitigen Schulden-Restrukturierung und "Second Chance"-Vorschriften, und sie kritisiert die teilweise exzessive(n) Länge und Kosten von Insolvenzverfahren, was zu niedrigen Insolvenzraten für die Gläubiger beitrage und diese verunsichere. Solche Unsicherheiten für grenzüberschreitende Investoren zu beseitigen oder zu verringern, könne dazu beitragen, die Entwicklung paneuropäischer Equity- und Debt-Märkte zu fördern.

Aber das sagt noch gar nichts über die politischen Erfolgsaussichten eines so weitreichenden und in die Zivilrechtsordnungen der Mitgliedstaaten eingreifenden Harmonisierungsprojekts.

Also, steht da noch ein Fragezeichen hinter dem Projekt oder wird das etwas mit der EU-Kapitalmarktunion - und wozu führt sie? Zusammenfassend kann man sagen, dass die meisten der im Grünbuch zur Kapitalmarktunion von der EU-Kommission zur Diskussion gestellten Vorschläge auch für sich genommen durchaus Sinn machen.

Anders als die Vorschriften zur EU-Bankenunion aber werden sie kein zusammenhängendes Regelwerk zur umfassenden Regulierung eines Wirtschaftszweigs oder einer Materie schaffen. Sie werden einzelne Schritte bleiben, die einem gemeinsamen Ziel dienen, nämlich die Kapitalmarktorientierung der Unternehmensfinanzierung in Europa zu stärken. Es wird kein eigenständiges neues EU-Recht entstehen, sondern bestehendes EU- und nationales Recht geändert werden. Die Rahmenbedingungen für eine Emission von Wertpapieren in Deutschland und den anderen EU/EWR-Staaten werden weiter harmonisiert werden.

Die Kapitalmarktunion wird, was Kapitalmarktorientierung angeht, Europäer nicht einfach zu Amerikanern machen, aber sie kann entsprechende Hindernisse beseitigen oder verkleinern und Anreize setzen. Das könnte funktionieren. In welchem Maße, bleibt dahingestellt. Insbesondere ob das hinter der Kapitalmarktunion und der stärkeren Kapitalmarktorientierung der Unternehmensfinanzierung stehende Ziel der signifikanten Förderung des europäischen Wirtschaftswachstums auch erreicht werden wird, steht in den Sternen. Hoffen wir mal, dass diese kreisrund angeordnet auf kaiserblauem Grund leuchten werden!

Fußnoten

1) Johnathan Hill, Capital Markets Union - finance serving the economy (speech), European Commission Press Release, Brüssel, 6. November 2014, Seite 4 (unter "Priorities for my term of office")

2) Siehe boerse.de unter "IPOs", www.boerse.de/ ipos/; Bis zu 15 Börsengänge in Deutschland erwartet, Handelsblatt vom 6. Januar 2015; Chorus Clean Energy sagt Emission ab, Frankfurter Allgemeine Zeitung ("FAZ") vom 13. Juli 2015

3) Vgl. Zinnecker, Weg mit dem Schrott, Handelsblatt vom 18. Dezember 2014

4) Vgl. Pfandbrief übersteht Krise ohne Schaden, Die Welt vom 15. April 2010

5) Vgl. Kempf/Schick, Neuer Trend: Erstrangig besicherte Immobilienanleihen, Bond Guide - Special "Anleihen 2015", Seite 44

6) Vgl. Kaiser: Ein Bond für alle Fälle, Managermagazin vom 29.Mai 2012; Scherff, Anleihen für den Brückenbau, FAZ vom 20.April 2015; Scherer, Kreditfonds, Verbriefungen und Projektanleihen, Risiko Manager 19/2014, S. 21 ff.

7) Vgl. Deutsche Bank: Deutsche Bank unterstützt Leitlinien für grüne Anleihen, 21. Januar 2014; KfW-Bank soll Klimaanleihen kaufen, Handelsblatt vom 9. April 2015; ICMA (International Capital Market Association), Green Bond Principles (updated March 2015), www.icmagroup. org/Regulatory-Policy-and-Market-Practice/ green-bonds/green-bond-principles/

8) Vgl. Deutsche Bank Research, Contigent Convertibles: Bankanleihen im Wandel, Finanzmarkt Spezial 2011; Rudolph/Zech, Einsatzmöglichkeiten und Verlustabsorptionsfähigkeit von Cocos, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ("Zfg-KW") 2015, S. 584 ff.; Cocos - Riskante Bank-Anleihen sind gefragt, FAZ vom 1.Februar 2015

9) Vgl. Meister: High Quality ABS, ZfgKW 2014, S. 935 ff.; Basel Committee/IOSCO, Criteria for identifying simple, transparent and comparable securitisations, 13 February 2015; European Banking Authority ("EBA"), EBA Discussion Paper on simple standard and transparent securitisation, 14 October 2014; Bank of England/ ECB, The case for a better functioning securitisation market in the European Union, May 2014; EBA, Opinion on a European framework for qualifying securitisation, 7 July 1015

10) Europäische Kommission, Grünbuch-Schaffung einer Kapitalmarktunion, Brüssel 18. Februar 2015

11) Vgl. Woolfe, European Commission to fast-track Capital Markets Union reform, Investments & Pensions Europe (IPE), 5 December 2014; Verband Öffentlicher Banken (VÖB), Kapitalmarktunion, Pressemitteilung vom 28. November 2014; Scherer, Kapitalmarktunion: Der Mittelstand soll sich künftig am Kapitalmarktmarkt finanzieren, Creditreform vom 18. Februar 2015; zeitlich vorsichtiger ("Bis Ende 2015 ...") Nord/LB, Kapitalmarktunion, Financial Special vom 29. Mai 2015

12) Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, Amtsblatt der Europäischen Union ("ABlEU") L 345 vom 31. Dezember 2003, S. 64 ff.

13) Vgl. Endnote 9 oben

14) True Sale International ("TSI"), Kapitalmarktunion nimmt Gestalt an: Europäische Standards für Private Placement analog Schuldscheindarlehen entstehen, TSI kompakt vom 13. Februar 2015 m.w.N.

15) Richtlinie 2011/G1/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABIEU L 174 vom 1. Juli 2011, S. 1 ff.

16) Verordnung (EU) Nr. 2015/760 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über europäische langfristige Investmentfonds, ABIEU L 123 vom 19. Mai 2015, S. 98 ff.

17) Kleinanlegerschutzgesetz vom 3. Juli 2015, Bundesgesetzblatt ("BGBl") 2015 Teil I Nr. 28 vom 9. Juli 2015, S. 1 114 ff.; German Crowdfunding Network/Deutscher Crowdsourcing Verband, Bundestag verbessert das Kleinanlegergesetz zugunsten der Crowdfunding-Plattformen, Projekte und der Investoren, 23. April 2015, m.w.N.

18) Guthoff, "IFRS Light" braucht keiner, Der Treasurer vom 16. Juli 2009, S. 1

19) Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 22. Mai 2005, BGBl 2005 Teil I Nr. 29 vom 27. Mai 2005, S. 1373 ff.

20) Europäische Kommission, Grünbuch Langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft, Brüssel 25. März 2013

21) EBA, Report on EU Covered Bond Frameworks and Capital Treatment, London 2014; Kullig, Covered Bonds - eine neue Ära bricht an, Immobilien & Finanzierung 2014, S. 458 ff.

22) Höhfeld, Stand der EU-Wertpapierrechtsharmonisierung, 2. Frankfurter Börsenforum am 15. Oktober 2014; OeKB, Europäische Harmonisierung - Aktuelle Entwicklungen 08/2013, Securities Law Legislation (SLL) vom 22. August 2013

23) Unidroit Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities, Geneva 9 October 2009; vgl. auch Gallei/Scherer, UNIDROIT Draft Convention and German securities law - friends or foes?, Journal of International Banking Law and Regulation 2009, S. 470 ff.

24) Vgl. Scherer in Scherer, DepotG-Kommentar, München 2012, Vor § 1, Rn. 4 und 5; Rögner in Scherer, a.a.O., § 5, Rn. 69 ff.; Scherer/Martin in Scherer, a.a.O., § 9a, Rn. 24 ff.

25) gl. Metzger, Target 2-Securities (T2S), in Gabler Wirtschaftslexikon; vgl. auch die entsprechenden Stichworte auf den Homepages von EZB und Deutscher Bundesbank, jeweils m.w.N.; Scherer in Scherer, a.a.O., § 1, Rn. 66 ff

Der Autor Peter Scherer Rechtsanwalt und Partner, GSK Stockmann + Kollegen, Frankfurt am Main
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