Genossenschaftliches Wohnen

Moderne Finanzierungsstrategien für Wohnungsgenossenschaften

Kredite an Wohnungsunternehmen von Ende 1999 bis Ende 2016a) (Angaben in Milliarden Euro) Quelle: Deutsche Bundesbank 2017; eigene Berechnungen.

Wohnungsgenossenschaften generieren ihr Eigenkapital bekanntlich auf ganz besondere Art und Weise: Es entsteht primär durch die Ausgabe von Geschäftsanteilen, die die Mitglieder beim Eintritt in die Genossenschaft erwerben. Doch auch auf der Fremdkapitalseite herrschen einige Besonderheiten vor, die der Autor im folgenden Beitrag analysiert. Unter Einbeziehung aktueller Entwicklungen an den Märkten für Fremdfinanzierungen entwirft er dabei eine moderne Finanzierungsstrategie für Wohnungsgenossenschaften. Zwar sind die derzeit vorherrschenden Konditionen für den klassischen Bankkredit günstig. Es sei jedoch davon auszugehen, dass Banken ihr Kreditgeschäft infolge des anhaltenden Niedrigzinses zunehmend auf höhere Risikoklassen als den Wohnungsbaukredit verlagern. Eine Diversifizierung der Finanzierungsinstrumente erscheint vor diesem Hintergrund sinnvoll. Der erste Schritt auf dem Weg dorthin könnte laut Autor in der Implementierung von Inhaberschuldverschreibungen liegen. Red.

Die fremdkapitalbezogene Unternehmensfinanzierung von Wohnungsgenossenschaften vollzieht sich gewöhnlich über besicherte Objektfinanzierungen mittels klassischer Bankdarlehen. Eichwald/Lutz (2011, Seite 231) formulieren diesbezüglich: "Für die verschiedenen Formen des Fremdkapitals gibt es grundsätzlich keine Besonderheiten bei Genossenschaften." Gar eine Benachteiligung gegenüber anderen Rechtsformen gäbe es nicht. Schließlich hingen Kapitalzugang und Kapitalkosten primär von der jeweiligen Unternehmensgröße und Unternehmensbonität ab.

Besonderheiten der Unternehmensfinanzierung von Genossenschaften werden stattdessen der Eigenkapitalseite zugesprochen. Genossenschaftliches Eigenkapital entsteht nämlich vor allem durch Geschäftsguthaben der Mitglieder. Diese Guthaben entsprechen Beteiligungen an der Genossenschaft. Durch den Eintritt der Mitglieder in die Genossenschaft erwerben diese entsprechende Geschäftsanteile und erhöhen das Eigenkapital. Mitgliederaustritte reduzieren dagegen das Eigenkapital, sodass Genossenschaften eine höhere Variabilität des Eigenkapitalbestands aufweisen.

Variabilität des Eigenkapitals kein gravierendes Risiko

Allerdings zeichnen sich Wohnungsgenossenschaften durch eine Anzahl von mehreren hundert oder gar tausend Mitgliedern aus. Der vereinzelte Ein- oder Austritt verändert das Eigenkapital daher gewöhnlich nur marginal. Demnach impliziert die Variabilität des Eigenkapitals für Wohnungsunternehmen kein gravierendes finanzwirtschaftliches Risiko, wie es aber beispielsweise für Kreditgenossenschaften im Rahmen ihrer Basel-III-Diskussionen über die Eigenkapitalanrechnung relevant war.

Hinzu kommt, dass vereinzelt Wohnungsgenossenschaften ihren genossenschaftlichen Förderauftrag sehr weit interpretieren und die Genossenschaft fremdkapitalunabhängig aufstellen. In diesem Fall ist die Unternehmensfinanzierung allein eigenkapitalbasiert. Ausnahmen stellen höchstens Förderkredite der staatlichen KfW-Bank dar. In diesem Fall ignorieren diese Unternehmen jegliche finanzwirtschaftliche Erkenntnis über effiziente Unternehmensführung (Stichwort: Leverage-Effekt). Schließlich streben sie primär an, das Leistungsziel der Unternehmung zu erfüllen, also die Mitgliederförderung in wohnungsbezogenen Dingen. Das Finanzierungsziel der Genossenschaft, die nachhaltige, betriebswirtschaftliche Unternehmensführung mit dem Ziel der langfristigen Gewinnmaximierung, rückt in den Hintergrund.

Besonderheiten bei der Fremdfinanzierung

Im Kontext derartiger Markteinschätzungen mag es überraschen, dass sich dieser Beitrag mit einer moderneren Interpretation von Finanzierungsstrategien beschäftigt, als sie derzeit im Markt zu erfahren sind. Doch die Motivation zu diesem Engagement liegt in einer konträren Auffassung gegenüber der eingangs zitierten Meinung, dass es keine Besonderheiten der Formen von Fremdkapital für Wohnungsgenossenschaften gäbe. Besonderheiten bestehen sehr wohl (!), negative und positive:

Im klassischen Kreditgeschäft mit Banken und Sparkassen erfahren Wohnungsgenossenschaften eigenen Berechnungen auf Datenbasis des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Deutschen Bundesbank nach höhere Kreditzinssätze (vergleiche Knüfermann 2016, Seite 56-58). Zwar wird dabei nicht die Rechtsform durch Risikoprämien belastet (hier stimme ich Eichwald/Lutz (2011) zu; siehe oben), sondern die restriktiven Unternehmensgrößen. Denn Unternehmen mit geringen Kapitalbedarfen weisen eine geringere Verhandlungsmacht auf, die wissensbasiert oder durch geringere Cross-Selling-Potenziale zu begründen sind.

Die Größe allerdings ist rechtsformabhängig. Eine fokussierte Wachstumsstrategie für Wohnungsbestandshalter bedarf schließlich signifikanter Eigenkapitalerhöhungen. Für eine Genossenschaft sind entsprechende Möglichkeiten beschränkt. Weder sind ihnen Emissionen von Aktienpaketen, noch signifikante Eigenkapitaleinlagen durch die Gesellschafter möglich. Dagegen bleiben Kapitalerhöhungen durch Ausbau von Geschäftsguthaben der Mitglieder mühsam und der Einsatz von Mezzanine-Kapital teuer. Im Ergebnis verfügt eine durchschnittliche Wohnungsgenossenschaft über einen signifikant kleineren Bestand an Wohneinheiten als durchschnittliche kommunale Gesellschaften und privatwirtschaftlich geführte Wohnungsunternehmen.

In Deutschland steht es prinzipiell jeder Unternehmung frei, ein Kreditinstitut gründen zu wollen. Die hierzu notwendige Lizenzerteilung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist an weitreichende Anforderungen (Geschäftsausstattung, Eigenkapital, Geschäftsleiterqualifikation, Mitglied in einem Einlagensicherungsfonds etcetera) geknüpft. Eine sogenannte Vollbanklizenz erlaubt das Einlagen- und Kreditgeschäft. Teilbanklizenzen beziehen sich gewöhnlich auf den Betrieb des Einlagengeschäfts, das in Ergänzung zu einem andersartigen Kerngeschäft betrieben werden kann. Kundeneinlagen der teilbanklizensierten Unternehmungen können im originären Geschäft der Unternehmung investiert werden. Die unternehmerische Verschuldung vollzieht sich damit nicht über bilaterale Bankendarlehen, sondern über kleinteilige Verbindlichkeiten (= Kundeneinlagen) im eigenen Spareinrichtungsbetrieb.

Der BaFin-Website ("www.bafin.de") ist unter dem Suchbegriff "Einlagengeschäft" zu vernehmen, dass in Deutschland Unternehmungen (also auch eine Einzelperson) ihre Geschäfte auch ohne Teilbanklizenz betrieben, sodass die BaFin unter Strafe die sofortige Abwicklung des entsprechenden Bankgeschäfts aufgibt (zum Beispiel im Jahr 2014 hinsichtlich der Forum Immobilien + Finanzanlagen GmbH). Es bleibt letztlich nur eine Art von Unternehmungen, die einen solchen Spareinrichtungsbetrieb in Deutschland professionell implementiert haben und es sind (aktuell 47 von insgesamt rund 2000) Wohnungsgenossenschaften. Wohnungsgenossenschaften erscheinen für dieses Teilbankgeschäft prädestiniert, weil ihr originäres Geschäftsmodell langfristig ausgerichtet ist. Die Investition von Kundengeldern in diesem Zusammenhang erscheint damit wenig ausfallgefährdet. Über das Einlagengeschäft mit Privatkunden finanziert sich die Wohnungsgenossenschaft tendenziell günstiger als durch Bankdarlehen und ermöglicht (gewöhnlich ausschließlich) ihren Mitgliedern einen Sparzins oberhalb der Marktkonditionierung klassisch-etablierter Kreditinstitute. Insofern leistet die Genossenschaft noch einen weiteren Beitrag zur Förderung ihrer Mitglieder in wirtschaftlichen Belangen.

Der Betrieb einer Spareinrichtung durch Wohnungsgenossenschaften birgt enormen betrieblichen Aufwand durch personelle Anforderungen an Mitarbeiter, Vorstand und Aufsichtsrat. Auch prozessseitig sind Investitionen zu tätigen, um vor allem das Berichtswesen sicherzustellen. Die Summe aller entstehenden Kosten reduziert den oben angeführten Finanzierungskostenvorteil der Spareinrichtung gegenüber klassischen Bankdarlehen. Hinzu kommt, dass die seit dem Jahr 2008 forcierte Niedrigzinsphase in Deutschland den Spread zwischen Finanzierungszinssatz über die Spareinrichtung gegenüber jenem eines Bankdarlehens abschmelzt. Die Attraktivität des Teilbankbetriebs neben dem Kerngeschäft der Wohnungsgenossenschaft schwindet zunehmend. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach einer weiteren Alternative der Finanzierung mit den Vorteilen der Spareinrichtung und unter Umgehung des enormen Aufwands ihres Betriebs.

Hierfür bieten sich Inhaberschuldverschreibungen an. Sie lassen sich in privatkundentaugliche Tranchen teilen und innerhalb der Mitglieder einer Wohnungsgenossenschaft platzieren. Hierbei handelt es sich um keinen öffentlichen Vertrieb von Finanzinstrumenten. Die Mitglieder als Eigentümer sind vielmehr ausführlich über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Genossenschaft informiert. Bei einem solchen Private Placement von Wertpapieren entfallen für die Emittentin die ansonsten hohen Emissionskosten der Erstellung eines Wertpapierprospekts. Insofern eröffnet sich hier die dritte Besonderheit bei Fremdkapitalfinanzierungen durch Genossenschaften. Der GdW äußert sich zu ihr wie folgt: "Bei der Inhaberschuldverschreibung handelt es sich somit um ein praktikables Instrument für Finanzierungsmaßnahmen im kleineren Millionenbereich" (GdW 2012, Seite 86).

Entwicklungen am Markt für Fremdfinanzierung

Eine moderne Finanzierungsstrategie formuliert den effektiven Einsatz diversifizierter Finanzierungsinstrumente unter den Bedingungen aktueller Marktentwicklungen. Als Datenbasis zur Analyse dieser Marktentwicklungen eignen sich weitestgehend deutsche Zentralbankstatistiken. Die Abbildung visualisiert die Bestandsvolumina der Kredite an Wohnungsunternehmen in Deutschland von Ende 1999 (154,1 Milliarden Euro) bis Ende 2016 (204,7 Milliarden Euro). Die Bestände wuchsen in dieser Zeit zum einen um 32,8 Prozent des Ausgangswerts beziehungsweise um durchschnittlich jährlich 1,69 Prozent. Zum anderen können zwei Zeitfenster abgeleitet werden: In den Jahren 1999 bis 2008 betrug der durchschnittliche Jahresendbestand lediglich 163,5 Milliarden Euro. Dagegen stieg der entsprechende Bestandswert für die Jahre der Niedrigzinsphase von 2009 bis 2016 auf 187,7 Milliarden Euro.

Für das Jahr 2016 kann der historisch niedrigste Zinssatz und der höchste Zuwachs bei den Kreditbeständen konstatiert werden. Allerdings ist hier ein methodischer Mangel zu erläutern, weil die Deutsche Bundesbank nicht die Zinssätze der durch die Volumina erfassten Kreditgeschäfte kommuniziert. Stattdessen publiziert sie lediglich Zinssätze für Wohnungsbaukredite im Neugeschäft mit Privatkunden. Allerdings handelt es sich bei Krediten an Wohnungsunternehmen zumeist um besicherte Wohnungsbaukredite und diese sind im bankwirtschaftlichen Abwicklungsprozess hoch standardisiert. Insofern können die Privatkundendaten eine relevante Indikation der Zinssatzentwicklung im Geschäft mit Wohnungsunternehmen geben. Der entsprechende Monatsdurchschnittswert (effektiver Jahreszinssätze einschließlich Kosten) für Dezember 2016 betrug 1,72 Prozent per annum. Ein Monat zuvor wurde der historisch niedrigste Wert in Höhe von 1,67 Prozent per annum ausgewiesen. Wohnungsgenossenschaften sowie kommunale Wohnungsgesellschaften und privatrechtlich geführte Wohnungsunternehmen nutzen wahrscheinlich das niedrige Zinsniveau zum Ausbau ihrer Investitionsaktivitäten.

Auch wenn sich diese Werte nicht explizit auf das Geschäft mit Wohnungsunternehmen beziehen, so wird doch eine Grundtendenz im Markt deutlich: Steigende Kreditvolumina gingen einher mit sinkenden Zinssätzen und Zinsmargen der Kreditinstitute. Der Volumenanstieg konnte dabei den Margenverfall teilweise kompensieren, wie weitere Analysen der Deutschen Bundesbank verdeutlichen. Dennoch nehmen die Ertragsprobleme der deutschen Kreditwirtschaft zu, wie Bankengespräche und die mediale Berichterstattung vernehmen lassen. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass die Kreditwirtschaft dauerhaft das Wohnungsbaukreditgeschäft forcieren wird. Als risikoarmes, weil besichertes Kreditgeschäft ist es konzeptionell margenärmer als unbesicherte Wachstumskredite mit Firmenkunden. Es ist davon auszugehen, dass die Kreditwirtschaft zunehmend in risikoreichere Kredite investieren wird, um die Ertragssituation zu verbessern beziehungsweise nicht weiter zu verschlechtern.

Ableitung von Finanzierungsstrategien

Das dauerhafte Niedrigzinsniveau wird die deutsche Kreditwirtschaft motivieren, in höhere Risikoklassen zu investieren als in Wohnungsbaukreditgeschäfte. Wohnungsgenossenschaften sollten sich daher darauf vorbereiten, dass sich das derzeitig für sie exzellente Finanzierungsumfeld sukzessive wenden wird. Dazu bietet es sich an, das Portfolio der Finanzierungsinstrumente über die klassischen Bankdarlehen hinaus auszudehnen. Hierbei sind die Besonderheiten der Wohnungsgenossenschaften zu berücksichtigen: Negative Einflüsse (= Kapitalkostennachteile) sind zu eliminieren und positive (= Finanzierungsmöglichkeiten über die Mitglieder) zu forcieren.

Eine Möglichkeit bietet dazu die Finanzierung mittels Inhaberschuldverschreibungen, die weder börsennotiert sind, noch zum öffentlichen Vertrieb zugelassen werden. Stattdessen ist zu prüfen, inwieweit sich Wohnungsgenossenschaften zusammenschließen können, um dann gemeinsam eine großtranchige Inhaberschuldverschreibung zu emittieren, ähnlich der kommunalen Gemeinschaftsanleihen. Eine moderne Finanzierungsstrategie von Wohnungsunternehmen setzt auf ein diversifiziertes Portfolio von Finanzierungsinstrumenten, um marktphasenunabhängig die Unternehmensfinanzierung sicherzustellen. Die Inhaberschuldverschreibung kann ein erster Schritt zur Implementierung sein.

Literaturverzeichnis:

Deutsche Bundesbank (2017): Zeitreihen, URL: www.bundesbank.de (Datenabrufe am 6. Mai 2017). Eichwald, B./Lutz, K. J. (2011): Erfolgsmodell Genossenschaften. Wiesbaden: Deutscher Genossenschaftsverlag.

GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (2012): GdW Arbeitshilfe 65, Finanzierung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Berlin, hektographiertes Manuskript, 114 Seiten.

Knüfermann, M. (2016): Märkte der langfristigen Fremdfinanzierung, 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler.

Der Autor Prof. Dr. Markus Knüfermann Fachbereich Volkswirtschaftslehre, EBZ Business School GmbH, Bochum
Prof. Dr. Markus Knüfermann , Fachbereich Volkswirtschaftslehre , EBZ Business School - University of Applied Sciences

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