Unternehmenskredit

Finanzierungsverhalten von Wohnungsgenossenschaften - eine empirische Studie

Selten gab es derart ambivalente Meinungen zum Finanzierungsmarkt wie heute: Auf der einen Seite steht die kurzfristige Ist-Betrachtung aus Sicht der Kreditnehmer, wenn es im KfW-Kreditmarktausblick September 2012 (Seite 2) heißt: "Die Finanzierungsbedingungen am Markt für Unternehmenskredite sind trotz der Krise nach wie vor gut." Auf der anderen Seite steht die Furcht der Bundesbank vor einer Kreditblase, der wachsenden Instabilität bei Kreditgebern und somit ihr Interesse an einer zurückhaltenden Kreditvergabe, wenn sie im Finanzstabilitätsbericht 2012 (Seite 7) schreibt, "dass es gerade in einem Umfeld niedriger Zinsen und hoher Liquidität zu Übertreibungen an den Immobilienmärkten kommen kann, die zu einer erheblichen Gefährdung der Finanzstabilität führen."

Eine Analyse der durch die Bundesbank bereitgestellten Finanzmarktdaten lässt Kreditinstitute im Jahr 2013 ebenso ambivalent charakterisieren: Einerseits wuchsen seit 2010 wieder ihre Bestandsvolumina im Firmenkundengeschäft für die Wohnungsbaufinanzierung, unter anderem auch motiviert durch einen Margenanstieg seit 2010 (bis 2012). Andererseits reduzieren geldpolitische Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) das generelle Zinsniveau auf Rekordniedrigstände und dies zunehmend auch im langfristigen Bereich der deutschen Zinsstrukturkurve, sodass im Weiteren wiederum mit einem Margenverfall im deutschen Kreditgeschäft zu rechnen ist.

Für die deutsche Wohnungswirtschaft mit ihrer Großzahl kleinteiliger Marktteilnehmer wie Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Unternehmen ist diese sich widersprechende Sichtweise von großer Bedeutung:

- So finanziert die Branche in sehr intensiver Weise ihre Wohnungsbauinvestitionen über Bankenkredite und ist dabei dem sogenannten Hausbankprinzip verbunden, wie der GdW in seiner Studie Unternehmenstrends 2020 herausgestellt hat.

- Die Kreditinstitute aber hatten zuletzt Wohnungsbaukredite mit deutlich höheren Margen kalkuliert, als bei eher unbesicherten Firmenkundenkredite im Großkundengeschäft. Das Handelsblatt berichtete am 19. März 2012 (Seite 36) von der empirischen Studie einer Unternehmensberatung, die einen Margenaufschlag in Höhe von 0,35-Punkte identifizierte. Grund dafür sei, "dass Großunternehmen mit mehr Wissen über die Marktsituation und mehr Verhandlungsmacht in die Kreditgespräche mit den Instituten gingen".

Solche strukturellen Zinssatznachteile kleinerer Wohnungsunternehmen lassen sich auch innerhalb der Wohnungswirtschaft unterstellen. So berichtet der GdW in seinen regelmäßigen wohnungswirtschaftlichen Daten und Trends über durchschnittliche Fremdkapitalkostensätze von Wohnungsunternehmen. Wird dazu nur das Zeitfenster bis zum Einsetzen weltwirtschaftlicher Verwerfungen und der Niedrigzinsphase zwischen von 2001 bis 2009 betrachtet (vergleiche GdW-Bericht aus 2011, Seite 155), zeigen sich deutlich Kapitalkostenvorteile der größeren Unternehmen: Durchschnittlich verfügte eine dem GdW berichtende Kapitalgesellschaft über dreimal so viele eigene Bestandswohnungen wie eine der berichtenden Genossenschaften (vergleiche GdW-Bericht aus 2011, Seite 112).

Dieser Größenunterschied könnte in Anlehnung an den Handelsblatt-Bericht ein Grund für die unterschiedlichen durchschnittlichen Fremdkapitalkostensätze sein. Die größeren Kapitalgesellschaften konnten zum einen über das beobachtete Zeitfenster hinweg stets Kapitalkostenvorteile generieren. Zum anderen stieg dieser Vorteil sogar von 0,1 Prozentpunkte im Jahr 2001 bis zum Jahr 2009 auf 0,4 Prozentpunkte an.

Im Rahmen einer eigenen empirischen Studie konnte ein ähnliches Ergebnis identifiziert werden. Wissen und Verhandlungsmacht scheinen für Kreditgespräche mit Banken und Sparkassen zumindest ausbaufähig. Zumal der Bankenkreditsektor in Deutschland derzeit alles andere als stabil erscheint: Eigenen Berechnungen auf Bundesbank-Daten zufolge reduzierte sich im Zeitfenster von 2002 bis 2012 die Anzahl deutscher Retail-Wohnungsbaufinanzierer um fast 25 Prozent.

Da Sparkassen und Kreditgenossenschaften aufgrund der Verbundgarantien nicht insolvent werden, sind hier Fusionen ausschließliche Treiber der Entwicklung gewesen. Vor dem Hintergrund der genannten Finanzmarktentwicklungen kann sich diese Situation in kürzester Zeit dramatisieren. Für die Wohnungsunternehmen bedeutet eine entsprechende Instabilität ihrer Kreditgeber, dass sie bei notwendigen Prolongationen das Kreditinstitut wechseln und/oder letztlich steigende Prozesskosten und Kreditkonditionen akzeptieren müssen.

Antworten von 52 Unternehmen

Die quantitative Bedeutung der Bankenkreditwirtschaft für die Volkswirtschaft lässt sich anhand der Statistiken der Deutschen Bundesbank zur Finanzierungsrechnung belegen. Ob sich die Bedeutung für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft nochmals erhöht, sollte eine eigene Forschungsstudie klären.

Dazu wurde im Zeitraum vom 27. August bis 30. September 2012 eine Befragung von rund eintausend Wohnungsgenossenschaften (55,8 Prozent der GdW-Genossenschaften) Deutschlands auf Basis eines Adressverteilers der EBZ Business School (FH) per E-Mail mit Anschreiben in der E-Mail und dem Fragebogen als einseitiges PDF-Dokument im Anhang durchgeführt; Rücksendungen erfolgten per Fax oder (selten) per E-Mail. Der Fragenbogen beinhaltete überwiegend deskriptive Informationsanfragen. Die Anzahl auswertbarer Rückläufe betrug 52 Fragebögen (5,2 Prozent). Eine Repräsentativität der Studie war aufgrund der äußerst geringen Fallzahl keinesfalls gegeben.

Die Respondenten der Studie stammen tendenziell aus größeren Wohnungsgenossenschaften. Wohnungsgenossenschaften an sich waren in der Studie ausschließlich fokussiert, um eine homogene Gruppe von Unternehmen zu befragen. Während der Durchschnitt aller dem GdW berichtenden Wohnungsgenossenschaften Ende 2010 nur auf eine Bestandswohnungszahl in Höhe von 1 143 kam, gaben die antwortenden Genossenschaften (allerdings für Ende 2011) einen Durchschnitt pro Unternehmen von 3 298 Wohnungen an; ähnlich verhielt es sich im Hinblick auf die Mitarbeiterzahlen mit den Durchschnitten in Höhe von 13 (GdW-Durchschnitt, Ende 2010; siehe GdW-Bericht 2011, Seiten 112, 121) und 36 (Studiendurchschnitt, Ende 2011).

Übersicht zum aktuellen Finanzierungsverhalten

Im Ergebnis konnten zunächst folgende Strukturmerkmale zum Finanzierungsverhalten festgehalten werden: Das Hausbankverhältnis dominierte deutlich bei nahezu allen antwortenden Genossenschaften. Etwa zwei Drittel der an der Studie beteiligten Wohnungsunternehmen ließen sich zur Finanzierung ihres Unternehmens bereits durch eine Beratungsgesellschaft unterstützen.

Fast alle Häuser führten zum Befragungszeitpunkt ein Zinsmanagement durch. Ziel dessen war zumeist die Steuerung von Zinsänderungsrisiken. Damit war gemeint, dass Kreditverträge in der Regel eine geringere Laufzeit als ihre Zinsbindungsfristen aufzeigen. Bei einem Zinssatzanstieg käme es dann für die Nachfrager von Finanzmitteln zu Zinsänderungsrisiken bei Prolongationen, also bei der Fortschreibung von Zinssatzvereinbarungen im Rahmen tilgungsabhängiger Kreditlaufzeiten. Zur Absicherung solcher Zinsänderungsrisiken aus Kreditnehmersicht hatte ein Großteil der antwortenden Wohnungsgenossenschaften Swaps eingesetzt; auch Forwards waren für zwei Drittel der Unternehmen ein Instrument zur Steuerung der Zinsänderungsrisiken. Futures wurden ausnahmslos nicht verwendet.

Um das Finanzierungsverhalten zu erfassen, wurde nach der Nutzung von Finanzierungsinstrumenten als Alternative zu Bankkrediten gefragt. Eine Emission von Inhaberschuldverschreibungen als echte Alternative zur Bankkreditfinanzierung wurde durch jede zehnte Wohnungsgenossenschaft der teilnehmenden Häuser bereits durchgeführt.

Leasing nutzten nahezu die Hälfte aller Respondenten, wobei Leasing in der Praxis Bankenkreditfinanzierungen primär ergänzt, aber nicht weitgehend beziehungsweise gänzlich ersetzt. Factoring dagegen wurde von den antwortenden Wohnungsgenossenschaften gar nicht herangezogen. Ein Drittel der antwortenden Wohnungsgenossenschaften hält die Einrichtung eines zentralen Kreditinstituts der Wohnungswirtschaft für sinnvoll.

In einem dritten Schritt wurde in der Finanzierungsstudie 2012 der Einfluss von institutionellen Charakteristika der Wohnungsgenossenschaft analysiert. Dazu wurden einfaktorielle Mittelwertvergleiche durchgeführt. Zu vergleichen galt es die Ausprägungen der Strukturmerkmale zum Finanzierungsverhalten im Hinblick auf folgende vier wohnungs- und finanzwirtschaftliche Grundmerkmale: Bestandswohnungen Ende 2011, geplanter Finanzierungsbedarf für 2012, Anzahl der Kreditinstitute mit eigenen Geschäftsbeziehungen und Prognose des zehnjährigen Realkreditzinssatz in 2020. Als signifikante Zusammenhänge wurden solche Ergebnisse akzeptiert, die eine statistisch akzeptable Ablehnungswahrscheinlichkeit auswiesen.

Im Ergebnis der Studie war deutlich ein konservatives Finanzierungsverhalten der Wohnungsgenossenschaften zu identifizieren:

- Die Emission von Inhaberschuldverschreibungen ließ sich keinen Charakteristika von Wohnungsgenossenschaften zuordnen.

- Leasing wurde von eher größeren Wohnungsgenossenschaften eingesetzt.

- Ein Drittel der Teilnehmer befürwortet eine eigene Bank der Wohnungswirtschaft, eine solche Bank favorisieren Häuser mit geringerem Finanz-Knowhow.

- Größere Wohnungsgenossenschaften zeigten sich sehr beratungsaffin.

Große Affinität zur Beratung

Die Studienergebnisse legen trotz kleiner Respondentenzahl die Formulierung einiger Handlungsempfehlungen für die Wohnungswirtschaft nahe. Alternativen zu Bankenkrediten besaßen bei den teilnehmenden Häusern nämlich nur eine geringe bis gar keine Marktbedeutung. Stattdessen war ein großer Anteil der Genossenschaften sehr beratungsaffin und/oder stufte eine eigene Bank für die Wohnungswirtschaft als sinnvoll ein.

Trotz eines Finanzierungsbedarfs von durchschnittlich 4,8 Millionen Euro pro Unternehmen im Jahr 2012 konnte die Studie insgesamt keine ausgeprägte Finanzkompetenz der Teilnehmer feststellen. 20 der 50 Teilnehmer (also 40 Prozent) waren interessiert an finanzierungsspezifischen Weiterbildungsangeboten. Das Finanz-Know-how in der Branche ist daher zu verbessern. Als Empfehlung sind Bankenkreditalternativen bekannter zu machen, die Gründung einer Wohnungswirtschaftsbank zu diskutieren und Weiterbildungsangebote hinsichtlich der Finanzierung zu stärken.

Prof. Dr. Markus Knüfermann , Fachbereich Volkswirtschaftslehre , EBZ Business School - University of Applied Sciences
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