WOHNUNGSWESEN

NEUE ANSÄTZE ZUR BAULANDBEREITSTELLUNG VOR DEM HINTERGRUND AKUTER WOHNUNGSNOT

Prof. Dr. Matthias Ottmann, Foto: privat

Die Ausgangslage ist klar: In den deutschen Metropolregionen braucht es mehr bezahlbaren Wohnraum. Der wohl wichtigste Hebel in diesem Zusammenhang ist und bleibt die Baulandausweisung. Doch gerade in den begehrten Ballungsräumen sind potenzielle Neubauflächen mittlerweile zumeist Mangelware, hinzukommen komplexe und langwierige Planungsprozesse sowie die nicht zu unterschätzenden Interessenskonflikte der beteiligten Stakeholder. All das zusammen birgt die Gefahr, dass die dringend benötigte Angebotsausweitung auf der Strecke bleibt. Inwieweit eine Entwicklungsgenossenschaft an dieser Stelle Abhilfe leisten können, erörtert der Autor des vorliegenden Beitrags. Red.

Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland inzwischen 400 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden müssen, die Baugenehmigungen aber rückläufig sind, weil nicht genügend Bauland ausgewiesen wird, ist die Baulandmobilisierung zu einem der wichtigsten Themen geworden, um Grundstückspreise zu dämpfen und damit die Grundlage für bezahlbaren Wohnungsbau zu tragbaren Kosten zu schaffen. Bei den herkömmlichen Methoden der Baulandentwicklung ist der private Bauherr oder Projektentwickler auf ein hohes Maß an Zustimmungsbereitschaft angewiesen:

- Die Grundstückseigentümer: Sie müssen willens sein, bindende Aussagen über die Veräußerbarkeit ihrer Grundstücke zu treffen.

- Die Kommune: Sie muss willens sein, das Baulandplanverfahren einzuleiten.

- Die Nachbarn: Sie stehen der Entwicklung zumindest neutral gegenüber.

Das klassische Bauausweisungsszenario weist inzwischen viele Sollbruchstellen auf, sodass Kommunen mittlerweile dazu übergehen, die Entscheidung über die Entwicklung selbst zu bestimmen. Dieser fast enteignungsgleiche Eingriff hat bisher zu heftigem Widerstand bei den Eigentümern geführt. Vor diesem Hintergrund soll hiermit ein neues Instrument in die aktuelle "Bauland-Diskussion" eingeführt werden: die Entwicklungsgenossenschaft. Durch die paritätische Einbindung aller Eigentümer können sämtliche Vorteile der Genossenschaft bei der Entwicklung größerer Entwicklungsflächen ausgeschöpft werden.

Kommunale Maßnahmen greifen zu kurz

Es ist davon auszugehen, dass der Druck auf die Ballungsräume in Deutschland nicht nachlässt, sondern sich verstärken wird. Laut PwC werden 79 Prozent der deutschen Bevölkerung 2030 in deutschen Städten leben. Eine der Folgen wird die zunehmende Gentrifizierung begehrter Innenstadtlagen sein. Die Kommunalverwaltungen werden parallel verstärkt versuchen, die Mietpreisentwicklung durch eine Vielzahl von Maßnahmen einzudämmen, wie beispielsweise durch die Mietpreisbremse, den Mietspiegel, die Erhaltungssatzung und einen verstärkten Zweckentfremdungsverbot.

Diese Maßnahmen, die auch einem Milieuschutz geschuldet sind, greifen aber meist zu kurz. Der Druck auf dem Wohnimmobilienmarkt entlädt sich nur auf andere Teilmärkte, wie auf den Wohneigentumsmarkt oder auf sogenannte "Graue Märkte" (hohe Abstandszahlungen bei Mieterwechsel). Eine gewünschte und ebenso schnelle Reaktion in Form von mehr Wohnraum scheitert häufig an den langwierigen Planungsprozessen, meist noch erschwert durch Bürgerinitiativen und -protesten, wenn sich die Initiativen gegen die Ausweisung von neuen Baulandflächen aussprechen (siehe auch die jüngsten Anläufe eines Münchener Bürgerbegehrens "Maßlose Nachverdichtung verhindern"). Die zunehmende Komplexität der Planung und die Einbeziehung der betroffenen Bürger durch eine mitunter gut gemeinte Partizipation führen zu Erlahmungsprozessen. In diesem Szenario glaubt kaum jemand noch, dass die Marktkräfte Wirkung entfalten können.

Entwicklungsgenossenschaft als neuer Lösungsansatz

Durch Gründung einer Genossenschaft, die die Entwicklung und spätere Nutzung von Flächen zum Ziel hat, soll die Entwicklungsmöglichkeit der Flächen gewahrt werden, gleichzeitig aber auch ein praktikabler und sinnvoller Lösungsansatz gefunden werden, der die verschiedenen Motive der Grundstückseigentümer, der Nachbarschaft und potenziellen Nutzer der Flächen vereint. Wie funktioniert der Planungsprozess? Setzen wir einmal voraus, dass sich innerhalb einer Kommune ein Planungswille abzeichnet, ein zusammenhängendes Areal baulich zu entwickeln. Dann bedarf es zur baulichen und planerischen Entwicklung einer zusammenhängenden Fläche immer verschiedene Akteure, die alle gemeinschaftlich gewillt sind, die ersten Schritte zu tätigen.

Werden die Flächen, wie häufig angenommen, privat entwickelt, muss der einzelne Projektentwickler oder eine Gruppe davon die unterschiedlichen Interessen der Akteure bündeln: Die davon maßgeblich betroffene Gruppe der Grundstückseigentümer verhält sich aber nicht gleichförmig, sondern häufig sehr heterogen. Gerade der Beginn einer städtebaulichen Planung stellt aufgrund der unterschiedlichen Eigentümerinteressen eine Herausforderung an die Konsensbereitschaft aller Beteiligten dar: einige Eigentümer wollen entwickeln, andere wiederum können sich das vorstellen, wollen aber vielleicht an der Entwicklung teilnehmen, andere wiederum gehen nur widerstrebend damit um und möchten die Flächen womöglich gar nicht entwickelt sehen.

Hohes Maß an Freiwilligkeit

Hier nun setzt die Entwicklungsgenossenschaft an. Ihr Grundprinzip besteht darin, dass ein hohes Maß an Freiwilligkeit - die Grundlage zu einem konsensualen Verhalten - vorliegt. Auch muss nicht jede Fläche entwickelt werden: ein Teil der Flächen kann zu Bauland erklärt werden, ein anderer Teil kann in seiner bisherigen Nutzung bestehen bleiben. Alle Eigentümer wiederum sind Nutznießer aus den unterschiedlichen Nutzungen und erhalten ihren Beitrag zurück analog der eingelegten Kapitaleinlage, die in aller Regel der eingebrachten Grundstücksfläche entsprechen wird. Auf diese Weise werden die Flächen in eine eigene Gesellschaftsform (Gesamthand) überführt.

Die "Übertragung" der Grundstücke kann auf vielfältige Weise geschehen: Die Grundstückseigentümer können ihre Flächen in die Gesellschaft einbringen und erhalten im Gegenzug einen Genossenschaftsanteil in Höhe der eingelegten Fläche. Die Einbringungsfläche kann, muss aber später nicht unbedingt baulich genutzt werden, da die städtebauliche Rahmenplanung zum Zeitpunkt der Gründung der Genossenschaft nur den Flächenumgriff geklärt hat, jedoch keine Aussage über die spätere Nutzung getroffen hat. Aus diesem Grund schließen sich unterschiedliche Wertansätze für die einzelnen Grundstücke aus, außer wenn die Fläche per se für eine Überplanung nicht geeignet ist (zum Beispiel bereits vorhandenes Biotop).

Der strategische Vorteil einer Entwicklungsgenossenschaft liegt nun darin, dass die Grundstückseigentümer ihre Flächen entweder an die Genossenschaft verkaufen können oder sich an der Genossenschaft entsprechend der Einbringungsfläche beteiligen können. Die Motive, Grundstücke zu veräußern oder eben nicht, oder sie vermutlich gar keiner Entwicklung zuzuführen, hängt von einer Reihe von Umständen ab, die nur selten offensichtlich sind. Das Spekulieren um den höchsten Preis ist für Eigentümer und insbesondere für Landwirte, die die Flächen über Generationen in der Familie gehalten haben, möglicherweise ein Anreiz; viele verbinden aber mit den Flächen eine hohe Verbundenheit und Identität. Neben steuerlichen Fragen, die durch den Verkauf der Flächen entstehen, mangelt es häufig auch an der Wiederanlagemöglichkeit.

Drei Szenarien

Aus diesen Gründen kann die Veräußerungsbereitschaft der Grundstückseigentümer erheblich eingeschränkt sein beziehungsweise teilweise auch gar nicht bestehen. Wir unterscheiden daher in drei Szenarien. Im ersten, relativ einfachen Fall ("alle machen mit") vereinbart die Entwicklungsgenossenschaft Kaufverträge durch Herausgabe von Genossenschaftsanteilen mit den Grundstückseigentümern. Als Gegenwert erhalten die Grundstückseigentümer einen späteren Gewinnanteil aus der Genossenschaft oder einen fest vereinbarten Erbpachtzins. Im zweiten Fall ("Verkaufen ist besser als Halten") können die Grundstückseigentümer selbstverständlich ihre Grundstücke auch an die neu zu bildende Entwicklungsgenossenschaft veräußern.

Im dritten Fall ("alle machen mit, außer dem Einen") kommt es darauf an, welche Bedeutung dem Grundstück zugesprochen wird. Wenn es sich um ein Grundstück in Randlage handeln sollte, kann die Kommune in Abstimmung mit der Genossenschaft abwägen, ob das Grundstück tatsächlich für die weitere Entwicklung entscheidend ist oder nicht. Sollte der Eigentümer an keinen weiteren Gesprächen interessiert sein, kann das Grundstück womöglich ganz aus der Entwicklung ausgeschlossen werden. Der Flächenumgriff wird sich unter diesen Umständen räumlich anders verteilen. Sollte dem Grundstück eine zentrale Bedeutung zukommen, ist auch hier abzuwägen, ob das eine Grundstück für die Erschließung des Entwicklungsgebietes relevant ist oder nicht. Auch hier gilt es zu prüfen, ob die Erschließbarkeit der Fläche anderweitig sichergestellt werden kann. Im Extremfall können diejenigen Eigentümer, die an einer Entwicklung nicht interessiert sind, räumlich ausgegrenzt werden, damit die übrigen Flächen entwickelt werden. Für den Fall aber, dass dies nicht möglich ist, und der Eigentümer der Flächen zu keinem Grundstückstausch zu bewegen ist, stößt auch die Entwicklungsgenossenschaft an ihre faktischen Grenzen.

Indem Grundstückseigentümer ihre Flächen in eine Genossenschaft einbringen, verlieren sie zwar den Zugriff auf ihre konkreten Flächen, sie erhalten aber als Gegenwert einen Anteil an der Entwicklungsgenossenschaft. Auch können im Rahmen eines geordneten Verfahrens (gesetzliche oder private Umlegung) vergleichbare Flächen herangezogen beziehungsweise getauscht werden, die auch weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden können, wenn der Bedarf und Wunsch danach besteht.

Ein Maß an Flexibilität unterstellt, kann jedem Grundstückseigentümer zu seinem Glück verholfen werden: Diejenigen, die verkaufen wollen, erhalten einen vorab festgelegten Wert, der zwischen entwicklungsunbeeinflussten Wert und tatsächlichem Wert für das Rohbauland liegt. Diejenigen, die an der Nutzung der Flächen weiterhin partizipieren wollen, können durch Einbringung der Flächen in die Entwicklungsgenossenschaft langfristig am Erfolg der Genossenschaft teilhaben.

Vorteile überwiegen

Die allfällige Frage, ob Entwicklungsgenossenschaften auch eine höhere Akzeptanz bei den betroffenen Nachbarn erfahren, ist nicht eindeutig zu beantworten, da noch keine Vergleichsfälle vorliegen. Ein wesentlicher Vorteil der Entwicklungsgenossenschaft ist jedenfalls, dass die ehemaligen Grundstückseigentümer durch Einbringung ihrer Grundstücke mindestens wertadäquate Genossenschaftsanteile erhalten. Da auf dem Entwicklungsgebiet unterschiedliche Nutzungen (Gewerbe, Wohnen, Freizeit, Wissen) vorstellbar sind, "profitieren" die Genossenschaftsmitglieder schlussendlich von dem "Portfoliomix".

Die Nachbarn und späteren Nutzer der Flächen können ebenfalls Mitglieder an der Genossenschaft werden. Der Genossenschaft steht es jedenfalls frei zu entscheiden, inwieweit sie spätere Nutzer aber auch die betroffenen Nachbarn teilhaben lässt. Auch der Umstand, dass mit einem Genossenschaftsanteil nicht "spekuliert" werden kann, da immer nur der Nennbetrag des Anteils, mithin also der ursprüngliche Wert des eingebrachten Grundstücks, dem Wert des jeweiligen Genossenschaftsanteils entspricht, führt zu einer erheblich geringeren Angriffsfläche gegenüber den einzelnen Mitgliedern.

Möglichkeit zur Teilhabe für Nachbarn und Nutzer

Ein weiterer Pluspunkt, der für die Genossenschaft spricht, ist der reibungslose Einbezug von privaten Baugesellschaften, die als Dienstleister für die Entwicklungsgenossenschaft Tätigkeiten im Bereich der Erschließung, aber auch im Hochbau übernehmen können. Prima facie spricht auch nichts dagegen, dass private Bauherren im Rahmen eines Erbpachtmodells Baurechtsflächen zur Entwicklung übertragen bekommen und Wohnungen an vorab definierte Zielgruppen (zum Beispiel mittlere Einkommen) vermieten. Nur der Eigentumserwerb von Grundstücken würde sich bei dem vorliegenden Vertragsmodell ausschließen.

Die Überlegungen haben gezeigt, dass trotz der enormen finanziellen Lasten, die im Rahmen einer Baulandbereitstellung anfallen, die Gründung einer Entwicklungsgenossenschaft neue Möglichkeiten aufzeigt, die die städtebaulichen Ziele und die unmittelbaren Interessen der Eigentümer vereinen hilft. Was derzeit noch zu prüfen wäre, sind weitere Analysen über die Anreizstrukturen wie auch über die möglichen steuerlichen Auswirkungen durch Einbringung von Flächen in eine Genossenschaft. Insofern betritt dieser Ansatz im Bereich der Stadtentwicklung thematisch gesehen Neuland, an dem sich weitere Untersuchungsschritte anschließen können.

Literatur

Working Paper "Entwicklungsgenossenschaften zur verstärkten Baulandmobilisierung - neue Ansätze zur Baulandbereitstellung vor dem Hintergrund akuter Wohnungsnot"

DER AUTOR PROF. DR. MATTHIAS OTTMANN, Honorarprofessor, Fachgebiet Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft, Fakultät für Architektur, Technische Universität München
Prof. Dr. Matthias Ottmann , Honorarprofessor, Fachgebiet Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft, Fakultät für Architektur, Technische Universität München

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