MIPIM-SPECIAL

STADTPORTRÄT WIEN: EIN INVESTORENFREUNDLICHER WOHNUNGSMARKT

Dr. Georg Reul, Vorsitzender der Geschäftsführung, Hamburg Trust Grundvermögen und Anlage GmbH, Hamburg
Quelle: Hamburg Trust Grundvermögen und Anlage

Wenn in Deutschland über steigende Mieten debattiert wird, dann verweisen Verfechter eines streng regulierten Mietwohnungsmarktes oder eines starken kommunalen Wohnungsbaus gern auf ein vermeintlich leuchtendes Vorbild: Wien. Keine Frage, die Gesetzeslage in Österreich ist sehr mieterfreundlich. Und kaum eine europäische Hauptstadt weist einen derart hohen Anteil an kommunalen und preisgebundenen Wohnungssegmenten auf.

Auf den ersten Blick ein abschreckendes Umfeld

Jüngstes Beispiel der Wiener Wohnungspolitik ist eine neue Bauordnung, wonach zukünftig bei Neubauprojekten bestimmter Klassifizierungen mindestens zwei Drittel aller neuen Wohnungen für fünf Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter angeboten werden müssen.

Auf Immobilieninvestoren aus dem In- und Ausland kann dieses Umfeld auf den ersten Blick nur abschreckend wirken. Bei genauerer Betrachtung jedoch ist genau das Gegenteil der Fall. Gerade der große Anteil kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungen in Österreichs Hauptstadt führt dazu, dass der frei finanzierte Wohnungsmarkt für Investoren als besonders chancenreich zu bewerten ist. Aber warum ist das so?

Dynamischeres Wachstum als in Berlin und Hamburg

Wien wächst. Allein im Jahresverlauf 2017 um 21 000 neue Bürger - in den Jahren zuvor waren es zum Teil 40 000. Binnen zehn Jahren hat die Zahl der Einwohner kontinuierlich um insgesamt 217 000 zugelegt, das entspricht einem Zuwachs von 13 Prozent. Die Zwei-Millionen-Marke ist in Sichtweite. Kurzum: Die Donaumetropole ist ein Magnet für Menschen aus dem In- und Ausland.

Sie gilt als eine der Städte mit der weltweit höchsten Lebensqualität, wie 2018 unter anderem eine Studie der Beratungsgesellschaft Mercer unterstrichen hat. Das Bildungsangebot ist ebenso attraktiv wie der Arbeitsmarkt.

Jahr für Jahr strömen also viele tausend Menschen nach Wien - und treffen auf einen sehr eingeschränkten Wohnungsmarkt. Denn von den fast 800 000 Wiener Mietwohnungen - Wien hat mit 77 Prozent die höchste Mieterquote aller EU-Hauptstädte - gehören etwa drei Viertel kommunalen, genossenschaftlichen oder anderweitig reglementierten Wohnungsmarktsegmenten an.

Hier prägen lange Wartelisten und eine Prise Kontaktpflege den Marktzugang. Zuzüglern stehen diese Märkte in der Regel kaum offen. Sie sind deshalb größtenteils auf den sehr engen, nur zirka 200 000 Einheiten umfassenden frei finanzierten Wohnungsmarkt angewiesen. Das schlägt sich dann auch in den Angebotsmieten in diesem Teilmarkt nieder.

Mieten am freien Wohnungsmarkt steigen

Im Durchschnitt beträgt die Monatsmiete für eine Wohnung in Wien aktuell etwa 9,60 Euro pro Quadratmeter. Das mag im Vergleich zu München oder Frankfurt recht günstig sein. Die Angebotsmieten im engen frei finanzierten Wohnungsmarkt hingegen liegen zwischen 11 und 15 Euro in innerstädtischen Lagen - für hochwertige Objekte auch wesentlich mehr. Im Vergleich zu deutschen Metropolen ist das noch immer günstig und spricht für eine gewisse Nachhaltigkeit der Mietentwicklung.

Zwischen 2008 und 2016 sind die Mieten bei Neuvermietungen in Wien allerdings um 43 Prozent gestiegen. Dank des Zuzugs und der anhaltend hohen Nachfrage ist die Vermietbarkeit hoch, das Risiko von Leerständen gering. Die Ankaufsrenditen sind mit deutschen A-Städten vergleichbar. Doch wegen der hohen Nachfrage im frei finanzierten Wohnungsmarkt weisen die Mieten und damit auch die Bewertungen weiteres solides Steigerungspotenzial auf. Institutionelle Investoren aus dem Ausland - vor allem aus Deutschland - sind gerade erst dabei, die Chancen auf dem Wiener Wohnimmobilienmarkt für sich zu entdecken.

Viele Unterschiede zu Deutschland

Für Immobilieninvestoren gibt es in Österreich einige wesentliche Unterschiede gegenüber Deutschland zu beachten. Der Transaktionsmarkt ist auch in Relation zur Einwohnerzahl weniger liquide und zudem weniger transparent. Eine gute Marktkenntnis und eine starke lokale Vernetzung sind für Investoren daher wichtige Voraussetzungen. Zudem gibt es Phänomene wie den vererbbaren Mietvertrag - allerdings nur bei Objekten, die älter als zehn Jahre sind.

Gleichzeitig sind in Österreich viele private Wohnungsmietverträge befristet, im Durchschnitt auf fünf Jahre. Aktuell weisen etwa zwei von drei neu abgeschlossenen Mietverträgen eine befristete Laufzeit auf. Im derzeitigen Marktumfeld bedeutet dies für Vermieter weniger ein Leerstandrisiko als vielmehr die Gelegenheit, in regelmäßigen Neuverhandlungen die Mieten entsprechend anzupassen.

Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass der Wiener Wohnimmobilienmarkt für Investoren bessere Chancen bietet als sein Ruf vermuten lassen würde - nicht trotz, sondern gerade wegen der starken Einschränkungen auf weiten Teilen des Wohnungsmarktes. Denn der am freien Markt zur Verfügung stehende Wohnraum ist in Relation zur Größe und zum Wachstum der Stadt sehr viel kleiner als in deutschen Städten. Überspitzt gesagt: Es ist, als müsste der Wohnungsmarkt in Düsseldorf den jährlichen Zuzug nach Berlin absorbieren.

Der Autor:

Dr. Georg Reul, Vorsitzender der Geschäftsführung, Hamburg Trust Grundvermögen und Anlage GmbH, Hamburg

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